Seit fast 2000 Jahren wird rund um den See Wein produziert. Mit den Römern kamen neben dem Olivenöl auch die Reben in den Thurgau. Die erste Weinrebe muss zwischen dem ersten und zweiten Jahrhundert hier angesiedelt worden sein, darauf lässt der Fund von fossilen Rebenpollen in Gesteinsschichten schließen“, schlussfolgert der Leiter des Museums für Archäologie Thurgau, Urs Leuzinger.

In dieselbe Kerbe, allerdings zeitlich leicht abweichend, stößt auch Dominik Gügel, Direktor des Napoleonmuseums Arenenberg sowie geschäftsführender Präsident an der Seite von Monika Grünenfelder, die seit über zehn Jahren die Geschicke des Netzwerks Bodenseegärten leitet. „Wir konnten anhand der gefundenen Pollen den Weinanbau am See zwischen Christi Geburt und 100 n. Chr. nachweisen“, sagt Gügel.

Museumsdirektor Dominik Gügel mit einem Glas des hauseigenen Müller-Thurgaus auf der Schlossterrasse des Arenenbergs.
Museumsdirektor Dominik Gügel mit einem Glas des hauseigenen Müller-Thurgaus auf der Schlossterrasse des Arenenbergs. | Bild: Manuela Klaas

Anlässlich dreier Jubiläen – 100 Jahre Rebenschmuggel Müller-Thurgau, der 175. Geburtstag des Weinpioniers Hermann Müller sowie 800 Jahre Spitalkellerei Konstanz – widmet sich das Netzwerk Bodenseegärten in diesem Jahr dem Grünthema „Garten und Wein“.

Bereits in spätrömischer Zeit wurde auf dem Arenenberg, der damals noch Narrenberg hieß, Wein kultiviert. Durchgesetzt hat sich der Name Arenenberg erst im 18./19. Jahrhundert, gleichfalls unter der Schreibweise Arenberg. „Im mittelalterlichen Weinhandel war der Seewein einer der großen Akteure und der Arenenberger, sprich der Narrenberger, gehörte zu den begehrten Gütern“, erzählt Gügel.

Historische Bedeutung erlangte der Arenenberg, als Hortense de Beauharnais, Stieftochter von Napoleon Bonaparte, ehemalige Königin von Holland und Mutter des späteren französischen Kaisers Napoleon III., das im 16. Jahrhundert erbaute gleichnamige Schloss 1817 erwarb. „Schon als Königin von Holland setzte sich Hortense intensiv mit der Förderung des Weinbaus auseinander“, berichtet der Direktor des Napoleonmuseums, „und vererbt dieses Weingen auch an ihren Sohn Louis Napoléon.“

Im Historischen Weinkeller auf dem Arenenberg lagern heute noch 40 nicht etikettierte Flaschen eines Bordeaux Saint-Émilion aus den ...
Im Historischen Weinkeller auf dem Arenenberg lagern heute noch 40 nicht etikettierte Flaschen eines Bordeaux Saint-Émilion aus den Beständen Napoleons III. | Bild: Manuela Klaas

Aus seinen Beständen lagern heute noch 40 nicht etikettierte Flaschen eines Bordeaux Saint-Émilion aus dem Jahr 1860 gut verschlossen hinter Gittern in den Gewölben des Historischen Weinkellers. Als die Witwe Napoleons III., Kaiserin Eugénie, im Jahr 1906 das Schlossgut Arenenberg dem Kanton Thurgau schenkte, befanden sich noch 200 Flaschen Bordeaux im Keller. „Die 40 verbliebenen Weinflaschen sind das höchste Gut des Kantons“, sagt Gügel, „zum Öffnen einer solchen Flasche bedarf es eines einstimmigen Regierungsratsbeschlusses.“

Letztmals ausgeschenkt wurden vier Flaschen im Jahr 2008, als es auf der Schlossterrasse einen großen Empfang anlässlich des 200. Geburtstag von Louis Napoléon gab. Auf die Frage, wie der 1860er-Bordeaux denn schmecke, schmunzelt Gügel: „Auf der Zunge lässt sich tatsächlich noch ein Hauch von Bordeaux erahnen, beim Schlucken verschwindet dieser Hauch jedoch.“ Und auch der französische Botschafter äußerte sich nach dem Empfang im Jahr 2008 recht diplomatisch: „Man habe gespürt, es sei einmal ein großer Wein gewesen.“

Zurzeit stehe der Arenenberg mit der Cité du Vin in Bordeaux, einem großen Weinmuseum mit eigenem Forschungsbereich, in Kontakt, berichtet Gügel, um zwei Flaschen des historischen Napoleon-Weins anhand moderner Methoden gemeinsam zu analysieren.

Das könnte Sie auch interessieren

Wein auf der Mainau

Auch auf der Mainau wird – mit Unterbrechungen – schon lange Wein angebaut. Bereits im 13. Jahrhundert bewirtschafteten die Deutschordensritter 3 Hektar Rebflächen auf der Insel. „Heute sind es nur noch 0,3 Hektar“, informiert Agraringenieur Philipp Haug, der auf der Insel für den Versuchs-Weinberg verantwortlich ist. Auch Großherzog Friedrich I. war der Anbau des Rebensafts wichtig. Er ließ im 19. Jahrhundert Weinbergsmauern errichten und tauschte die Böden aus.

Später, als Graf Lennart Bernadotte die Mainau zu einer Touristenattraktion umgestaltete, kam der Weinbau auf dem kleinen Eiland zum Erliegen. Erst 1998 knüpfte Gräfin Sonja wieder an die alte Tradition an und ließ in Zusammenarbeit mit dem Weinbauinstitut Freiburg einen Weinlehrpfad errichten. Rund 1.000 Rebstöcke der pilzwiderstandsfähigen (PIWI) Sorten Solaris, Johanniter, Monarch und Cabernet Cortis sind in den letzten Jahren an den sonnenverwöhnten Hängen unterhalb des Schwedenturms gepflanzt worden.

„Mit dem Anbau der PIWI-Sorten betreiben wir eine nachhaltige und umweltschonende Weinerzeugung, da sie eine hohe Widerstandskraft gegen den Echten und auch den Falschen Mehltau aufweisen“, sagt Haug, dessen Bruder in Lindau ein Bio-Weingut betreibt. „Die neuen Sorten helfen uns, den Pflanzenschutz auf ein gewisses Maß zu reduzieren.“

Mit dem Anbau der PIWI-Sorten betreiben wir eine nachhaltige und umweltschonende Weinerzeugung, sagt Agraringenieur Philipp Haug, der ...
Mit dem Anbau der PIWI-Sorten betreiben wir eine nachhaltige und umweltschonende Weinerzeugung, sagt Agraringenieur Philipp Haug, der die Mainau GmbH in allen Belangen der ökologischen Weiterentwicklung unterstützt. | Bild: Manuela Klaas

Die Seeweine sind voralpine Gewächse: Dort, wo die Reben bis auf 500 Meter hochklettern und Weinbau fast unmöglich scheint, reguliert der See die Temperaturen und sorgt für ein gemäßigtes, fast mediterranes Klima. Tatsächlich gäbe es ohne ihn keinen Rebensaft. Wie eine riesige Wärmflasche schützt er im Spätherbst die Trauben, die sonst erfrieren würden. Die Wasseroberfläche spiegelt einen Teil der Sonnenenergie in die nahen Rebhänge und heizt den Boden so zusätzlich auf.

Die Geschichte des Weinanbaus auf Schloss Salem reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück. Bereits 1134, kurz nach ihrer Gründung, kam die Abtei von Salem in den Besitz eines Weinbergs; wenige Jahrzehnte später erhielten die Zisterziensermönche weitere Anbaugebiete sowohl in Seelage als auch im Hinterland. Damals war der Wein ein wichtiges Zahlungsmittel und Handelsgut. Im 15./16. Jahrhundert umfasste die Weinanbaufläche rund um Salem rund 2.000 Hektar, heute sind es 650 Hektar auf badischer Seite, am gesamten Bodensee beläuft sich die Rebfläche auf rund 900 Hektar.

Allerdings hatte der Seewein in den zurückliegenden Jahrhunderten nicht den besten Ruf: Er war schlichtweg zu sauer. Abt Anselms Versuch, den Salemer Wein Mitte des 18. Jahrhunderts am Wiener Hof einzuführen, scheiterte kläglich. Erst mit dem Anbau neuer Rebsorten hat sich das schlechte Image gewandelt. Im 19. Jahrhundert kamen zum Silvaner und Weißherbst der Riesling, Elbling, Burgunder sowie der Muskateller hinzu.

Der eigentliche Erfolg stellte sich jedoch erst mit der Kreuzung aus den Sorten Riesling und Madeleine Royale ein: Der Botaniker Hermann Müller aus dem thurgauischen Tägerwilen entwickelte mit dem Müller-Thurgau eine Rebsorte, die ohne große Ansprüche an Lage, Klima und Boden einen milden Qualitätswein erzeugte. Mit der früh reifenden Rebe sollte die Misere des Weinbaus am Bodensee behoben werden. Noch heute besticht der Müller-Thurgau durch seine milde Säure sowie die feine, elegante Fruchtaromatik.

Das könnte Sie auch interessieren