Als Italien die landesweite Ausgangssperre verhängte, ist es eigentlich schon zu spät. Hanna Ludwig und ihr Partner Johannes sind seit Dezember in Italien und seit zwei Jahren in Europa unterwegs. Mit an Bord: Katze Fine. In Sardinien drohen die 30-Jährige und der 31-Jährige in ihrem Fiat Dukato, ihr fahrendes Zuhause, dauerhaft zu stranden – die Corona-Krise hat sie eingeholt. Sie entscheiden sich, nach Deutschland zurückzukehren. Eine Odyssee beginnt.

Partner Johannes mit Katze Fine.
Partner Johannes mit Katze Fine. | Bild: privat

„In den vergangenen zwei Wochen herrschte Ausnahmezustand“, sagt Ludwig dem SÜDKURIER. Gerade haben sie es zurückgeschafft nach Deutschland. Wir telefonieren miteinander. Denn beide sitzen in Quarantäne – in ihrem Van. Derzeit leben sie im Garten von Johannes‘ Vater – in Selbstisolation. Er lebt in der Nähe von Koblenz in Rheinland-Pfalz. Vor ihrer Reise durch Europa haben die beiden alle Zelte in Konstanz abgerissen.

In Quarantäne aus eigenem Antrieb

Pflichtbewusst haben sie sich selbst bei einem Arzt in der Nähe gemeldet, telefonisch, weil sie schließlich aus einem Risikogebiet zurückkehren. Der hat sie ans Gesundheitsamt verwiesen. Dort hieß es, sie sollten sich in häusliche Quarantäne begeben. Aber wie, wenn man kein Haus hat? Ludwig gibt sich zuversichtlich. Das Paar lebt schon lange zusammen und seit zwei Jahren in dem fahrenden Zuhause: „Für uns ist das kein großer Unterschied“, sagt sie.

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Sie ist froh, dass sie es zurück nach Deutschland geschafft haben. Und hofft, dass sie niemanden angesteckt haben. Auf der Rückfahrt trugen die beiden „die volle Schutzmontur“, wie Ludwig erzählt – Mundschutz inklusive. Nicht, um sich selbst zu schützen, denn da hilft der Mundschutz wenig. Aber um andere vor einer möglichen Ansteckung zu schützen, sagt die 30-Jährige.

Dokumentenjagd

Doch bevor die Reise beginnen konnte, brauchten die beiden eine Ausgangserlaubnis. Die gibt es nur online und nur auf Italienisch. Man muss die Papiere aber ausgedruckt und unterzeichnet dabei haben. Was tun, wenn man in einem Van lebt und keinen Drucker hat? Die beiden schreiben an den Regionalpräsidenten, dessen Erlaubnis es braucht, wenn man reisen will. Sie bekommen keine Antwort. Nächste Station: das deutsche Konsulat. Hier sagt man ihnen: Sie müssen wohl einfach hier bleiben.

Doch das ist für die beiden Reisenden keine Option. Nicht unter diesen Umständen. Sie hatten sich über die Onlineplattform „Workaway“ eine Arbeit gesucht auf der italienischen Insel gesucht. Dort bekommt man ein Bett und Essen als Lohn. Zuletzt haben die beiden mitgeholfen, ein baufälliges Haus zu sanieren. Weil der Van auf dem Grundstück stand, können die beiden auch unter den verschärften Maßnahmen weiterarbeiten.

Schwierige Bedingungen auf dem Land

Einkaufen darf nur eine Person und nur mit ausgefülltem Dokument bei sich. Wer sich nicht daran hält, dem drohen 200 Euro Strafe. Inzwischen haben die italienischen Behörden die Strafen drastisch erhöht. Die italienische Zeitung „La Repubblica“ berichtet, dass 3000 Euro Strafe fällig werden können.

In dem Dorf, in dem die beiden arbeiteten, gibt es eine größere Erdölfirma. Hier sind viele Norditaliener beschäftigt. Plötzlich gab es 200 Neuinfizierte in dem kleinen Dorf, erzählt Ludwig. Die beiden wollen nur noch weg. Die Fährtickets nach Korsika, das nächste Reiseziel der beiden, sind keine Option mehr, die Fahrten sind weitestgehend eingestellt. Nur noch vom Hafen in Porto Torres gehen angeblich ein paar Fähren. Offiziell kann man aber keine Tickets mehr buchen. Ohne Ticket darf man aber nicht zum Hafen fahren.

„Niemand hat uns geholfen“, sagt Ludwig: „Niemand konnte uns helfen.“ Die beiden sind auf sich gestellt.

Anderthalb Wochen Warten

Dann endlich kommt die Erlaubnis des Regionalpräsidenten – nach anderthalb Wochen Telefonaten, E-Mails und der verzweifelten Suche nach Hilfe. Die beiden erfinden einen fiktiven Fährtermin, um durch die Kontrollen zu kommen. Sie kommen damit durch die unzähligen Kontrollen.

Hanna Ludwig mit den Papieren für die Fährüberfahrt – endlich kann die Heimkehr beginnen.
Hanna Ludwig mit den Papieren für die Fährüberfahrt – endlich kann die Heimkehr beginnen. | Bild: privat

Eine Nacht am Hafen verbringen sie in ihrem Van, schließlich gelingt das unmöglich Geglaubte: Die beiden bekommen ein Fährticket aufs Festland – nach Genua. Innerhalb eines Tages fahren sie durch ganz Italien, passieren „acht oder neun Kontrollen“ innerhalb des Landes, bevor sie die Schweizer Grenze erreichen westlich von Mailand, das sie großräumig umfahren.

„Niemand hat einen Mundschutz getragen, keiner hat Sicherheitsabstand gehalten“, sagt Ludwig. Die Grenzer hatten nur wissen wollen, ob sie nach Deutschland wollen und sie durchgewunken. „Die wussten nicht, woher wir kommen und haben auch nicht gefragt“, erzählt sie. Ähnlich sei es am Grenzübergang Basel gewesen, sowohl bei den schweizerischen als auch bei den deutschen Grenzbeamten. „Das hat uns schon sehr gewundert“, sagt Ludwig.

Schweizer Behörden gehen anders mit der Krise um als die Italiener

Auf Nachfrage sagt die Eidgenössische Zollverwaltung der Schweiz dem SÜDKURIER, die „Mitarbeitenden tragen entsprechend der Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) keine Schutzmasken“. Sie würden aber auf die Einhaltung von Hygieneregeln „sensibilisiert“, zusätzlich seien Desinfektionsmittel und Handschuhe bereitgestellt worden.

Die Durchreise durch die Schweiz ist auch unter den dortigen verstärkten Infektionsschutzmaßnahmen weiter möglich, beispielsweise in Fällen „absoluter Notwendigkeit“.

Wie die Bundespolizei kontrolliert

Der Sprecher der Bundespolizeinspektion Konstanz, Christian Wehrle, dem SÜDKURIER, die Beamten fragten „anlassbezogen“ sowohl, woher die Einreisenden kommen, als auch, wohin sie gingen. Deutsche Staatsbürger dürfen aber ohnehin grundsätzlich nach Deutschland einreisen.

Zum Schutz der Beamten würde Mundschutz angeboten. Eine Pflicht, diese zu tragen, gibt es offenbar nicht. Handschuhe gehörten ohnehin zur Grundausstattung der Bundespolizisten.

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Grundsätzlich kann „die Einreise verweigert werden, wenn Sie Krankheitssymptome aufweisen. In diesen Fällen wird zur Entscheidung durch die Bundespolizei die zuständige Gesundheitsbehörde hinzugezogen“, wie auf der allgemeinen Webseite der Bundespolizei zu lesen ist.

Einreiseverbot bei Krankheitsanzeichen möglich

„Werden im Rahmen der derzeit angeordneten Grenzkontrollen durch die Bundespolizei bei einem Reisenden Hinweise bemerkt, welche auf COVID-19 hindeuten, wird durch die Bundespolizei unmittelbar das zuständige Gesundheitsamt informiert“, erklärt der Sprecher weiter.

Die Bundespolizeidirektion Stuttgart betont auf Nachfrage des SÜDKURIER: „Ob im Fall von Verdachtsfällen medizinische Untersuchungen, Screenings und gegebenenfalls auch Quarantänemaßnahmen bei Einreisen nach Deutschland, obliegt der Entscheidung der jeweils zuständigen Gesundheitsbehörden der Länder auf Basis des Infektionsschutzgesetzes.

Hanna Ludwig hatte offenbar Glück. Ihr und ihrem Freund ginge es gut, sagt sie dem SÜDKURIER. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich angesteckt hätten, sei gering, denken sie.

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