In drei Jahren soll in Rottweil ein neues, 280 Millionen Euro teures Gefängnis bezugsfertig sein. Das hat Folgen für die Region, wie Justizministerin Marion Gentges (CDU) bekannt gab. Denn damit werden fünf betagte Gefängnisse geschlossen. Betroffen sind neben Rottweil die Standorte Oberndorf, Hechingen und Villingen-Schwenningen sowie die Justizvollzugsanstalt in Waldshut-Tiengen.

Die JVA Rottweil besteht aus der in der Stadt selbst gelegenen Hauptanstalt sowie den drei Außenstellen in Hechingen, Villingen-Schwenningen und Oberndorf. Die Hauptanstalt verfügt über 20 Haftplätze, Hechingen über 32, Oberndorf über 16, wie das Ministerium berichtete.
In Villingen gibt es am Romäusring Platz für bis zu 44 Insassen. An diesen Standorten werden nur Männer untergebracht, die in Untersuchungshaft sitzen – bis auf Oberndorf. Hier werden Jugendstrafen vollstreckt.

Die Justizvollzugsanstalt Waldshut-Tiengen, in bester Innenstadtlage mit Blick auf den Rhein gelegen, hat 53 Haftplätze. Hier sind Männer in U-Haft sowie im offenen und geschlossenen Vollzug untergebracht, wenn sie zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als 15 Monaten verurteilt wurden. Auch Frauen sitzen hier in U-Haft ein.
Das heißt: Alle, die momentan eingesperrt sind, werden den Umzug nach Rottweil nicht als Insasse erleben. Es sei denn, sie werden nach ihrer Entlassung erneut verurteilt.
Denkmal-Sanierung wäre zu teuer
Mit Ausnahme des Ablegers in Oberndorf, der 1909 errichtet wurde, stammen die Gebäude der Teilanstalten aus dem vorletzten Jahrhundert. Der Bau in Rottweil wurde 1861 errichtet, die Außenstelle Hechingen 1876 und die Außenstelle Villingen-Schwenningen 1847. Das Gebäude in Waldshut-Tiengen wurde 1848 erbaut. Alle Häuser stehen unter Denkmalschutz.
Geschlossen werden sie, weil zu hohe Sanierungskosten zu erwarten sind, schreibt das Justizministerium. Sie stünden nicht in Relation zu den vorhandenen Kapazitäten. Die anhaltend hohe Zahl von Gefangenen mache es erforderlich, die Haftplatzkapazitäten zu erweitern.
Jeder bekommt ein Jobangebot
Was wird aus der Belegschaft? Während man von Villingen aus relativ schnell nach Rottweil kommt, fährt man von Waldshut schon mehr als eine Stunde. Das Ministerium betont auf Nachfrage: Alle Bediensteten können in der neuen Justizvollzugsanstalt Rottweil beschäftigt werden. Da man das schon drei Jahre vor Schließung bekannt gab, können alle nun frühzeitig planen.

Jens Schöwe ist stellvertretender Anstaltsleiter in Waldshut und in Konstanz. Er bestätigt, dass jedem ein Angebot gemacht wird – und der Wechsel nach Rottweil gerade für die jüngeren Kollegen eine Möglichkeit sein kann, beruflich voranzukommen.
Die Kollegen, die örtlich gebunden sind, orientieren sich eher nach Lörrach, Konstanz oder Singen. Da es weiterhin ein Land- und Amtsgericht in Waldshut-Tiengen geben wird, gibt es auch weiter Stellen im Justizvollzug. Die Stimmung in der Belegschaft sei nicht am Boden, die Kollegen sind aber auch nicht begeistert, sagt Schöwe.
Auch in Rottweil und seinen Außenstellen weiß man schon lange vom geplanten Neubau, sagt der stellvertretende Anstaltsleiter Erik Gebauer. Der Großteil der Beschäftigten freue sich auf die neuen Möglichkeiten und wolle wechseln.
Jahrzehnte alte Versäumnisse
Dass Waldshut schließen wird, könne man nachvollziehen, sagt Schöwe. Jetzt hätte man richtig viel Geld in die Hand nehmen müssen, um aus der Anlage eine moderne JVA zu machen. In Konstanz sei das passiert. Waldshut aber hat keine Erweiterung für mehr Haftplätze bekommen, auch ein Arbeitsbetrieb für Gefangene ist hier nicht möglich.
Alles nach Rottweil zu verlegen, mache daher Sinn. Andererseits wirft Schöwe auch einen Blick über die Grenze. Im nur wenige Kilometer entfernten Kanton Schaffhausen werde derzeit ein neues Gefängnis gebaut, in einer ähnlichen Größe wie das in Waldshut. „Da scheint es sich also zu lohnen“, sagt Schöwe.
In der neuen JVA in Rottweil brauche man jeden Beschäftigten. Schon jetzt sei absehbar, dass es personell eng werden könnte, sagt Schöwe. Im Justizvollzug wird händeringend Nachwuchs gesucht.
Hotel? Restaurant? Schulungszentrum?

Was aber wird aus den Gebäuden, wenn die Häftlinge weg sind? Das zustänide Finanzministerium konnte eine Anfrage des SÜDKURIER am Donnerstag nicht so kurzfristig beantworten. Ein Blick in andere Orte zeigt, dass vieles möglich ist: So entstand in Offenburg das Hotel Liberty in einem Gefängnisgebäude, das 1840 errichtet wurde. Inzwischen locken 38 Zimmer (ab 240 Euro die Nacht) und man kann man dort im Restaurant mit dem treffenden Namen „Wasser und Brot“ speisen.

Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz berichtet, dass man ein altes Gefängnis in Otterndorf in Niedersachsen umnutzen konnte. Es werde als Schulungszentrum für Führungskräfte genutzt. Den Gefängnischarakter habe man weitgehend beibehalten. Das mache einen besonderen Reiz für Übernachtungen aus.
Wer nicht nur für eine Nacht bleiben will, sondern dauerhaft in einem früheren Gefängnis wohnen will, der wird im Berliner Osten fündig. In Rummelsburg wurde aus einem Gefängnis ein schickes Wohnquartier. 64 Quadratmeter gibt es derzeit für 385.000 Euro.