Die Waldshuter AfD-Kreisrätin Andrea Zürcher erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Lauchringer Moschee – die stellen sich aber als unhaltbar heraus. „Radikal-Islamische Hetze in der Al Nour Moschee Lauchringen und niemand schreitet ein?!“, postete die 42-Jährige kürzlich auf Instagram, dazu einen kurz Videoausschnitt einer längeren Predigt von Oktober 2024.

Das Video ist auf deutsch untertitelt, laut Zürcher „von einem arabischen Muttersprachler bestätigt“. Es werde „in arabischer Sprache ganz offen der Dschihad verherrlicht und zum Töten von ‚Ungläubigen‘ aufgerufen“, so der Vorwurf.

Verein überlegt, gegen Zürcher zu klagen

Tatsächlich sei dies nicht der erste Versuch, den Verein zu schädigen, sagt dessen Vorsitzender Hussein Argoun im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Anders als von Andrea Zürcher kolportiert, handele es sich bei der Einrichtung nicht um eine Moschee, sondern ein Bildungszentrum, in dem nicht täglich gebetet würde.

„Bei uns findet keine islamistische Hetze statt“, sagt Argoun. Er habe Lauchringens Bürgermeister Thomas Schäuble (CDU) angeboten, alle Videos von Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen, um sie überprüfen zu lassen. „Wenn sich da auch nur ein Wort der Hetze findet, schließe ich sofort die komplette Einrichtung.“ Der Verein überlege nun gegen Zürcher zu klagen. „Das Video ist nach wie vor online, sie hat nie mit uns darüber gesprochen“, so Argoun.

Die Analysen mehrerer unabhängiger Experten, die sich auf Anfrage des SÜDKURIER das Video und die Predigt angeschaut haben, geben dem Verein recht.

Kein Aufruf zum Dschihad

Es gehe darin um eine Geschichte aus dem Leben des Propheten Muhammad und eines seiner Gefährten namens Julaibib, schreibt der Islamwissenschaftler Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. „Gepriesen wird dessen Tapferkeit im Dschihad gegen die ungläubigen Feinde der frühen Muslime. Ob der Prediger daraus irgendwelche Schlüsse für die Gegenwart zieht, ist in den von der AfD ausgewählten Passagen nicht zu erkennen“, schreibt Steinberg. „Einen Aufruf zum Dschihad in der Jetztzeit stellt das Video in der kurzen Form aber nicht dar.“

Zu einem ähnlichen Urteil kommt Ibrahim Bebars von der Beratungsstelle Grüner Vogel, der im Bereich der Deradikalisierung und Reintegration im Feld islamistischer Extremismus, politischer Salafismus und Dschihadismus spezialisiert ist. Er hat sich die über 20-minütige Aufzeichnung der Predigt und eine weitere auf dem Kanal der Gemeinde angeschaut.

Geschichte wird auch für radikale Predigten genutzt

„Ich finde keine der beiden Predigten wirklich problematisch“, sagt Bebars. Die Geschichte werde zwar im Rahmen der Predigt „An der Sunnah des Propheten festhalten“ geschildert, sei aber nur ein Beispiel von mehreren, die geschildert werden. „Da ich die Überlieferung persönlich kenne, weiß ich, dass sich die Moral der Geschichte nicht nur darauf bezieht, in den Dschihad (im Sinne von Kampf) zu ziehen, ich weiß aber auch, dass die Geschichte gerne dafür verwendet wird.“

Man könne sich natürlich fragen, warum gerade diese Geschichte zitiert wird, es gebe aber viele Antworten, die nichts mit einem Aufruf zum Kampf zu tun hätten, so Bebars. Auch aus dem Bittgebet am Ende der Predigt sei nichts Problematisches herauszuhören – hier fänden sich sonst oft Hinweise, wer alles direkt oder indirekt verflucht werde.

Sein Kollege Kaan Orhon vergleicht das mit einer christlichen Predigt: Es handele sich nicht um einen Aufruf, sondern um die Nacherzählung einer Geschichte, wie sie ähnlich auch die Bibel kennt.