Die Forderung nach mehr Grenzkontrollen wird immer lauter – und der Zoll baut Stellen ab. Im Lichte des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern dürfte ein solcher Schritt auf Unverständnis stoßen.
Im Beschlusspapier des Gipfels heißt es: „Lageabhängig wird der Bund das im Verhältnis zu Österreich bestehende Grenzsicherungskonzept auch an anderen Binnengrenzen Deutschlands nach Konsultation mit den betreffenden Ländern der Bundesrepublik Deutschland etablieren.“ Heißt: Möglicherweise wird es auch an der baden-württembergischen Grenze zur Schweiz wieder Personenkontrollen geben.
Gewerkschaft der Polizei bringt Unterstützung des Zolls ins Spiel
Das würde für die hiesige Bundespolizei deutlich mehr Arbeit bedeuten, für die sie sich nur bedingt gerüstet sieht: Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat deshalb vorgeschlagen, wegen der gestiegenen Zahl unerlaubter Einreisen Personal vom Zoll zur Unterstützung der Bundespolizei an der Grenze hinzuzuziehen.
Beim Hauptzollamt in Singen sollen nun aber 60 von den bisher 200 Stellen im sogenannten Kontrollsachgebiet gestrichen werden – ausgerechnet in der Abteilung, in der die Beamten arbeiten, die bei der Grenzsicherung unterstützen könnten. Das gilt nämlich nicht für alle Zöllner, nicht alle sind im Vollzug und an der Waffe ausgebildet.
„Nach unserer Einschätzung wird es dadurch nicht möglich sein, die Bundespolizei zu unterstützen, wie das die GdP vorschlägt“, sagt Andreas Gallus, Verdi-Sprecher des Arbeitskreises Bundesfinanzverwaltung, der auch Personalrat im Singener Hauptzollamt ist.
Generalzolldirektion spricht von Optimierung
Die Generalzolldirektion bestätigt den Vorgang auf Nachfrage, spricht von der „Sicherstellung eines risikoorientierten Ressourceneinsatzes“. Der Zoll und das Bundesfinanzministerium als seine Aufsichtsbehörde seien an einer „fortlaufenden Optimierung der Aufgabenerledigung des Zolls“ interessiert.
Bei diesem Vorgang von Optimierung zu sprechen, hält Gallus für einen Treppenwitz. Der Gewerkschafter fordert: „Stoppt die Reform zur Schwächung des Zolls!“
Bundesinnenministerium sieht Bundespolizei ausreichend gerüstet
Denn den Vorschlag der GdP hält er durchaus für richtig; ohne den Zoll sei es der Bundespolizei „nicht möglich, sinnvolle Kontrollen zu organisieren“, so Gallus. Dort fehle schlicht das Personal, wie sich etwa bei den Grenzschließungen während der Pandemie gezeigt habe.

Das Bundesinnenministerium sieht das anders. Von dort heißt es auf SÜDKURIER-Anfrage, die Bundespolizei sei „zu jedem Zeitpunkt in der Lage ihre gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen“.
Dem allerdings widerspricht auch Andreas Roßkopf, als Vorsitzender der GdP zuständig für Bundespolizei und Zoll: Die Erfahrung der Kontrollen an der österreichischen Grenze zeige, „dass solche Kontrollen eine sehr hohe personelle Belastung für die Bundespolizei darstellen, die nur mit Hilfe der Bundesbereitschaftspolizei überhaupt geleistet werden kann“. Roßkopf hält zusätzliche Kontrollen insofern nicht für umsetzbar.
Gewerkschaft der Polizei fordert bessere technische Ausstattung
Schon im April forderte die Gewerkschaft der Polizei (GdP), dass die Führung der Bundespolizei das seit 2019 vorliegende Konzept „Grenzpolizeiliche infrastrukturelle Vorsorge an den Landbinnengrenzen“ umsetzt.
Dieses Konzept sieht einen technischen Ausbau und eine Beschaffung von Polizeitechnik vor, so dass die Bundespolizei zu jeder Zeit an jedem Ort der deutschen EU-Binnengrenzen sehr schnell Kontrollstellen einrichten kann, wie es in einer Mitteilung der Gewerkschaft heißt.
„Dazu sind wir gegenwärtig nur schlecht in der Lage, die grenzpolizeilichen Arbeitsmöglichkeiten sind unzureichend. Wenn die Bundesregierung echten Grenzschutz will, muss sie ihn auch technisch ermöglichen“, sagte im April der stellvertretende GdP-Vorsitzende Sven Hüber.
„Das bedeutet mehr Personal für die Grenzpolizei, fortschrittliche Fahndungsmittel und eine gute Infrastruktur, die eine zügige und flexible Einsatzplanung im Zusammenspiel mit den Landespolizeien, dem Zoll und vor allem auch den Nachbarstaaten ermöglicht.“
Der Zoll könnte helfen – aber nur zu Lasten anderer Aufgaben
Gewerkschafter Gallus geht es darum zu betonen, dass die Zolleinheit die Bundespolizei zwar unterstützen könnte, wenn es darauf ankäme – aber eben nur zu Lasten anderer Aufgaben. Namentlich: die Kontrolle des Warenverkehrs.
„Die jetzigen Grenzaufgaben des Zolls würden leiden“, sagt er. Und fordert, die angekündigte Personalkürzung aufzuheben: „Dann können wir entspannt in die Situation mit der Bundespolizei gehen.“
Finanzministerium: Unterstützungsmöglichkeiten werden im Einzelfall geprüft
Der Stellenabbau wird über einen längeren Zeitraum hinweg vollzogen werden, das Problem wird sich also künftig erst entwickeln. Es steigen allerdings weltweit die Zahlen von Menschen auf der Flucht. Die daraus resultierenden Herausforderungen wie mögliche Grenzkontrollen werden in der Zukunft eher nicht schwinden.
Vom Bundesfinanzministerium als Aufsichtsbehörde des Zolls erhält der SÜDKURIER eine teilweise wortgleiche Antwort wie von der Generaldirektion – es gehe um die Optimierung der Aufgabenerledigung. Und: „Sollte seitens der Bundespolizei an den Grenzen Unterstützungsbedarf in Richtung der Zollverwaltung geäußert werden, werden – wie auch in der Vergangenheit –Unterstützungsmöglichkeiten im Einzelfall geprüft“, so ein Sprecher des Ministeriums.
Zoll-Gewerkschafter Gallus weist darauf hin, dass die Zahlen zur Berechnung dieser Personalkürzungen von 2016 stammen. „Mit der aktuellen Lage hat das nichts zu tun.“