Silke Weidmann

Jens Stoermer und Anke Jentzsch sind seit vielen Jahren in der Nachsorgeklinik als Kunsttherapeuten tätig. Sie verstehen sich dabei als Wegbegleiter mit einem erfahrenen Blick für die Not, aber auch die besonderen Stärken ihrer Patienten. Diese haben oft lange Krankenhausaufenthalte hinter sich. Nach Operationen und Chemotherapien sind sie nicht nur körperlich geschwächt. Und die Eltern und Geschwister sind durch die schwere Erkrankung oder gar den Verlust eines Kindes meist traumatisiert, das Beziehungsgefüge der gesamten Familie erschüttert.

Die Kunsttherapie helfe den Patienten, Entspannung zu erfahren, betont Jens Stoermer. Während sich die Teilnehmer auf das Gestalten konzentrierten, könnten sie aus dem Gedankenkarussell aussteigen, das sich um Krankheit oder Trauer dreht.

Jens Stoermer stellt den Teilnehmern einer Kunsttherapiegruppe verschiedene Steine mit ihren Eigenschaften vor. Die Werkstätten und ...
Jens Stoermer stellt den Teilnehmern einer Kunsttherapiegruppe verschiedene Steine mit ihren Eigenschaften vor. Die Werkstätten und Ateliers sind gut ausgestattet. | Bild: Silke Weidmann

Die Kunsttherapie steht grundsätzlich Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen offen. Sie findet in Einzel- und Gruppentherapien, aber auch für Paare oder Familien statt. Anke Jentzsch ist auf Traumatherapie, Jens Stoermer auf Systemische Familientherapie spezialisiert. Von den Therapeuten werden die Rehateilnehmer individuell dabei begleitet, in einen schöpferischen Schaffensprozess zu finden. „Beim Gestalten erfahren sie sich als aktiv und fähig zu Veränderungen“, erläutert Stoermer. Ein wichtiger Baustein des Prozesses sei, dass die Patienten ihr Gestaltungsmaterial eigenständig auswählen könnten. Aus diesem Grund stehen vielfältige Materialien wie Stein, Holz, Gips, Ton, unterschiedliche Farben und Zeichenmaterialien zur Verfügung, die Werkstätten und Ateliers sind gut ausgerüstet. In den therapeutischen Gesprächen werden die Bezüge der Kunstwerke zur aktuellen Lebenssituation reflektiert.

Patienten als Regisseure

Besonders bei jungen Teilnehmern, so beobachtet Stoermer, kommen Filmprojekte gut an. Mit ihnen wird in der Kunsttherapie dann ein Kurzfilm gedreht, bei dem die Rehateilnehmer zu Schauspielern, Regisseuren und Drehbuchautoren werden. Bei vielen habe er erleben dürfen, wie dabei das Selbstbewusstsein zurückgekehrt ist, das Lachen, die Unbeschwertheit. Stoermer erinnert sich etwa an eine Tanzszene, die ein Jugendlicher mit Gleichaltrigen trotz seiner Amputation verwirklichen konnte.

Den Materialien und Kunsttechniken sind kaum Grenzen gesetzt.
Den Materialien und Kunsttechniken sind kaum Grenzen gesetzt. | Bild: Silke Weidmann

Beeindruckt habe ihn auch ein Elternpaar mit schwerkrankem Kind, bei dem der Mann selbst chronisch erkrankte, erzählt der Kunsttherapeut. Die gemeinsame Zukunft stellte beide vor große Herausforderungen. Aus ihren zwei individuellen Kunstprojekten aus Holz und aus Ton seien am Ende der Therapie gemeinsame Skulpturen aus beiden Werkstoffen geworden. Während das getrennte Gestalten zunächst die Unterschiedlichkeit der beiden verdeutlichte, hätten sie im Lauf der Therapie buchstäblich zueinandergefunden und in den gemeinsam geschaffenen Skulpturen das Verbindende ihrer Beziehung zum Ausdruck bringen können.

Für Eltern, die ihr Kind verloren haben, sei besonders die Gruppentherapie heilsam. Bei der Verarbeitung helfe das künstlerische Schaffen vielen Betroffenen, so der erfahrene Therapeut. Verwaiste Eltern haben in ihrem Bekanntenkreis zu Hause meist niemanden, der Ähnliches erlebt hat. Die Gruppe könne dann auch eine Gelegenheit zum Austausch sein. „Hier bedarf das Verstehen nicht vieler Worte“, betont Jens Stoermer.