Oktober 2020: Polizisten beschlagnahmen auf einem Autobahnparkplatz bei Rottweil drei Hundewelpen. Der Verdacht: Verstoß gegen die Tierschutztransportverordnung. Der Fahrer kam aus der Ukraine.
Januar 2021: Eine auffällige Anzeige lässt einen Mann aus dem Landkreis Tuttlingen wegen des Verdachts auf illegalen Welpenhandel auffliegen. Er verkaufte kleine Dackel. Vier Hunde wurden beschlagnahmt. Ihr Zustand: lebensbedrohlich.
Februar 2021: Die Polizei beschlagnahmt vier Hundewelpen in einer Wohnung in Tuttlingen. Die Tiere stammen aus Rumänien und wurden über das Internet angeboten.
Drei Beispiele. Aber keine Einzelfälle. Der illegale Welpenhandel boomt. Und das seit Jahren. Aber durch Corona hat die Maschinerie noch einmal Fahrt aufgenommen. Viele Menschen wünschen sich in Zeiten des Lockdowns, der Einsamkeit, einen vierbeinigen Begleiter.
„Unsere Züchter können die Vielzahl der Anfragen nicht mehr bewältigen“
Diese Entwicklung beobachtet der Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH) mit Sorge: „Unsere Züchter können die Vielzahl der Anfragen nicht mehr bewältigen“, so Udo Kopernik, Pressesprecher des VDH. Wurden im Juni 2019 etwa 31.400 Hunde neu bei der Tierschutzorganisation Tasso registriert, sind es im Juni 2020 mehr als 39000 – ein Zuwachs von rund 25 Prozent.

Was also tun, wenn der Züchter nicht liefern kann? Das Internet lockt mit Dumpingpreisen. Was viele nicht wissen oder nicht wissen wollen: Die meisten Tiere haben ein unwürdiges Leben hinter sich. Züchter aus Osteuropa trennen Welpen viel zu früh von ihrer Mutter.
Sicherheitsbehörden und zahlreiche Medienrecherchen bestätigen: Die Hündinnen werden zu Gebärmaschinen degradiert. Sie vegetieren in fensterlosen Verschlägen vor sich hin, werden krank, geben Gendefekte an die Welpen weiter. Manchmal sterben kleine Hundebabys schon wenige Tage nach dem Verkauf in ihrem neuen Zuhause oder auf dem Weg dorthin.
Daniela Schneider kennt das Geschäft. Sie arbeitet für den Tierschutzverein „Vier Pfoten“ und beobachtet seit Jahren, wie Verbrecher das Leid in Kauf nehmen, um sich die Taschen vollzumachen. „Seit Corona wächst die Nachfrage gewaltig“, sagt sie.

Der Verein hat die illegale Szene genau im Blick. Demnach sollen deutschlandweit im vergangenen Jahr 800 Tiere von der Polizei beschlagnahmt worden sein. Allein im Januar und Februar 2021 seien es aber schon 300 Tiere gewesen.
Was ist erlaubt und was nicht?
Und das sind nur die Fälle, die öffentlich wurden. Zwar ermittelt die Polizei, wenn ein Verdacht gemeldet wird. In aller Regel hinterlegen Verbrecher aber keinen Namen und keine Anschrift, wenn sie eine Anzeige bei Ebay, Momox und Co. im Internet hochladen. Dann sind den Sicherheitsbeamten meist die Hände gebunden.
Die Strukturen der Zucht
Auch deshalb hat sich das Geschäft mit den Hunden zu einer professionellen Tier-Mafia entwickelt. Die Strukturen wachsen wie Unkraut. Reißt man ein Blatt aus dem Boden, kommen zwei nach.
Es gibt Bosse, die im Hintergrund die Strippen ziehen, Vermehrer, die in Produktionshallen Welpen wie am Fließband gebähren lassen. Transporteure bringen die Hundebabys nach wenigen Wochen zum Verkäufer. Sie sind in feste Vermarktungsregionen eingeteilt. Und dann gibt es noch die „Späher“. „Wenn es zum Verkauf kommt, fahren sie zum vereinbarten Übergabeort und kundschaften aus, ob die Polizei vor Ort ist. Sie sind nicht dumm. Sie haben gelernt“, erklärt Daniela Schneider von „Vier Pfoten“.
Es drohen nur geringe Strafen
Das Geschäft mit den Welpen erinnert an Drogen- oder Waffenschmuggler. Der fundamentale Unterschied: Wer mit Kokain erwischt wird, muss damit rechnen, hinter Gittern zu landen. Um straffrei davon zu kommen, bleibt den Kurieren nichts anderes übrig, als auszupacken, der Polizei Namen, Adressen, Informationen zu liefern. Wer allerdings mit kranken Hunden im Van erwischt wird, kommt häufig mit einer Ordnungswidrigkeit davon. Der Anreiz, etwas über die Strukturen zu verraten, geht gegen Null.

Und das ist nur ein Problem. In Deutschland wird auf Tierschutz großen Wert gelegt. Im osteuropäischen Ausland sieht das anders aus. Europaweite Ermittlungen durch V-Männer des Bundeskriminalamtes gibt es – auch deshalb – so gut wie nie.
Europaweites Register, kein Handelsverbot
„Wir setzen uns deshalb für ein europaweites Register ein, in dem die Verkäufer im Internet ihren Namen und ihre Anschrift angeben müssen“, sagt Daniele Schneider von „Vier Pfoten“. Heute sei das noch nicht verpflichtend. Den Handel mit Tieren im Netz komplett verbieten – das geht dem Tierschutzverein aber zu weit. „Wir befürchten, dass sich das Geschäft dann nur noch weiter in den Schwarzmarkt zurückzieht. Das wäre auch nicht gut“, so Schneider.
Der Zoll überwacht, was sich an der Grenze abspielt. Aber nicht mit Schwerpunkt Welpenhandel. Warum? „Diese Problematik ist bei uns kein großes Thema“, sagt Mark Eferl vom Hauptzollamt Singen auf Nachfrage. Im Jahr 2020 wurden in seinem Bereich vier Fälle, im Bereich Lörrach nur ein Fall festgestellt, in denen Hundetranporte eine Rolle spielten. Die Fahrer kamen aus Polen, Ungarn und Mazedonien. „Die Tiere waren zu jung oder nicht geimpft“, sagt er.
Polizei Konstanz bestätigt zunehmende Probleme
In der Regel übernimmt dann das Polizeipräsidium Konstanz. Dass der illegale Welpenhandel in der Region zunimmt, bestätigt Pressesprecherin Manuela Hirt gegenüber dem SÜDKURIER. In der polizeilichen Kriminalstatistik ließe sich illegaler Hundehandel zwar nicht recherchieren, weil dafür kein eigenes Register geführt wird – aber „eine Stichwortsuche in unserem Recherchesystem lieferte seit März vergangenen Jahres rund 40 Ergebnisse“, sagt sie.
Die Ermittler kämen den Verbrechern entweder durch Fahrzeugkontrollen, oder auffällige Kaufinserate im Internet auf die Schliche. „Teils führen auch Hinweise von Käufern zu den Tätern. Jeder Hinweis kann wertvoll sein“, sagt Hirt.
Die Polizei bestätigt: Der Markt sei „sehr lukrativ.“ Schließlich locken hohe Gewinnspannen. Welpen werden auf rumänischen Wochenmärkten für „wenige Euros eingekauft und in Deutschland für durchschnittlich 1.200 und 1.500 Euro verkauft.“
Polizei: Die Nachfrage ist „enorm hoch“
Den illegalen Welpenhandel zu unterbinden, sei ein schweres Unterfangen. Denn „die Händler in Deutschland sind sehr gut mit ihren Züchtern aus Ost- oder Südosteuropa vernetzt“, so Hirt. Die Nachfrage aus dem Ausland sei „enorm hoch. Solange dies der Fall ist, wird der Markt florieren. Selbst die sehr hohen Geldstrafen, die sich nicht selten im fünfstelligen Bereich bewegen, schrecken die Händler nicht ab.“
Wie erkennt man illegalen Welpenhandel?
Doch was passiert eigentlich mit den Hunden, die von der Polizei beschlagnahmt werden? In der Regel landen sie in umliegenden Tierheimen. Dafür sind dann die Veterinärärzte zuständig. Im Landkreis Konstanz etwa gehen wöchentlich Anzeigen ein, die auf einen illegalen Hundetransport aufmerksam machen.
Im Jahr 2019 wurden zwölf, im Jahr 2020 16 Hunde beschlagnahmt. Bei einem dieser Fälle handelte es sich um einen Transport aus Rumänien, der mit elf Hunden und sieben Katzen beladen war. Die Autobahnpolizei hatte den Kurier aufgegriffen. Die Tiere waren für Schweizer bestimmt.
Die Erfahrungen des Konstanzer Veterinäramt lägen nahe, dass die Region als Umschlagplatz für Eidgenossen genutzt wird. „Die Hunde werden oft auf einem Parkplatz in der Nähe der Schweiz direkt aus dem Transporter an die Kunden aus der Schweiz ausgehändigt“, beschreibt Pressesprecherin des Landkreises, Marlene Pellhammer, die Situation.
Mark Eferl vom Hauptzollamt Singen bestätigt den Eindruck. Es komme häufig vor, dass Schweizer über die Grenze kommen, um die teure Einfuhr zu umgehen. „Das ist eher das Problem, was wir hier haben“, sagt er.
Logisch. Im Gegensatz zu den offenen Grenzen in Frankreich, Tschechien oder Polen wird an Schweizer Grenzen deutlich häufiger die Fracht unter die Lupe genommen. Auch der Verein „Vier Pfoten“ bestätigt, dass viele Hunde-Kuriere diese Grenze meiden.
Das Veterinäramt Konstanz erlebt es außerdem häufig, dass die mitgeführten Gesundheitszeugnisse täuschend echt gefälscht sind. Um das nachzuweisen, sind eigentlich aufwendige Recherchen wie Altersbestimmung und teure Blutuntersuchungen notwendig.
Kein Anfangsverdacht, keine Handhabe
„Gibt es keinen Anfangsverdacht, kann ein solcher Transport nicht aufgehalten werden. Oft sind dem Veterinäramt die Hände gebunden“, sagt Pressesprecherin Marlene Pellhammer. Es sei dadurch „nicht auszuschließen, dass auf diesem Weg irgendwann die Tollwut wieder nach Deutschland eingeschleppt wird.“