Herr Bayaz, kurz nach Ihrem Amtsantritt als Finanzminister wurden Sie Vater. Wie oft haben Sie Ihren Sohn in seinen ersten sechs Lebensmonaten gesehen?

Ich habe mit ihm jetzt zweieinhalb Wochen über die Weihachtstage verbracht, das war der erste kleine gemeinsame Urlaub. Und die Zeit davor habe ich ihn natürlich regelmäßig gesehen. Allerdings ist das manchmal ein ganz schöner Balanceakt, Ministeramt und Familie unter einen Hut zu bringen. Aber ich habe mit meiner Partnerin mittlerweile einen ganz guten Modus gefunden, wie wir unser Familienleben organisieren.

Ich muss aber sagen, dass ich mit dem Kleinen immer noch zu wenig Zeit verbringe. Und es ist immer wieder ein Kampf, sich Freiräume zu schaffen, um Zeit mit der Familie zu verbringen. Familienzeit ist so wertvoll, es erdet mich und hilft mir dabei, einen anderen Blick auf die Politik zu bekommen.

Sie haben deswegen oft im Homeoffice gearbeitet. Schließen Sie sich der Forderung von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil nach einem Rechtsanspruch auf Homeoffice an?

Die Arbeitswelt wird sich unabhängig von der Pandemie komplett verändern. Wir haben auch bei uns im Finanzministerium jetzt eine Regel getroffen, dass Homeoffice und Arbeit im Büro gleichwertig sind, völlig unabhängig von der Pandemie. Es ist schon eine kleine Errungenschaft zu sagen: Es ist nicht wichtig, wo die Arbeit erledigt wird, sondern wie sie erledigt wird. Wir in der öffentlichen Verwaltung haben dabei auch eine Vorbildfunktion.

Insofern kann ich der Idee von Hubertus Heil auf einen Rechtsanspruch etwas abgewinnen. Allerdings hängen da schwierige Fragen dran: Für welche Jobs kommt er in Frage? Hat man dann noch Anspruch auf ein festes Büro? Darüber müssen wir sprechen.

Ist ein guter Finanzminister in Pandemiezeiten einer, der spart, oder einer, der Hilfen gewährt, wo es knapp wird?

Die Herausforderungen der Pandemie hatten bislang eine solche Dimension, dass es unmöglich war zu sparen. Die Pandemie hat das Land Baden-Württemberg Milliarden gekostet. Allein die Impfinfrastruktur hat bislang über eine Milliarde gekostet, die Wirtschaftshilfen weit über zwei Milliarden Euro, und wir stecken ja noch mittendrin. Wichtig ist es, trotzdem auch in der Krise in die Zukunft des Landes zu investieren. Das machen wir im Rahmen der Möglichkeiten.

In unruhigen Zeiten wollen Sie jetzt auch die finanzpolitische Rolle Baden-Württemberg beim Bund stärken. Wie soll das gelingen?

Es ist unser Anspruch, ein gewichtiges Wort im Bundesrat und in der Bundespolitik mitzusprechen. Wir sind ein großes Land mit einer enormen Wirtschaftsstärke. Leider konnten sich die Ampelparteien im Koalitionsvertrag nicht auf eine Entlastung für kleine und mittlere Einkommen einigen. Gerade Menschen mit geringeren Einkommen sind aktuell extrem unter Druck. Hier muss man nur auf die Energiepreise schauen.

Ich habe deshalb noch mal eine Entlastung mittlerer und kleiner Einkommen vorgeschlagen. Und erfreulicherweise ist Bundesfinanzminister Lindner darauf eingegangen und hat mir ein Gespräch über dieses Thema angeboten. Ich sehe da eine echte Chance, dass sich da doch etwas bewegen lässt.

Was schlagen Sie zur Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen vor?

Ein erster Schritt könnte sein, die Arbeitnehmerpauschale von 1000 auf 1500 Euro zu erhöhen und den steuerliche Grundfreibetrag anzuheben. Aus meiner Sicht sollte das gegenfinanziert werden mit einer moderaten Mehrbelastung von sehr hohen Einkommen.

Zum Verhältnis der Grünen und der FDP: Während Lindner mit Ihnen das Gespräch sucht, attackiert FDP-Landtagsfraktionschef Hans-Ulrich Rülke Ministerpräsident Kretschmann scharf. Was sagen Sie zu dieser Rollenverteilung?

Das FPD-Dreikönigstreffen hat noch mal eindrücklich gezeigt, warum Lindner in der Regierung ist und Hans-Ulrich Rülke immer noch in der Opposition sitzt. Lindner ist ein pragmatischer Realpolitiker, Rülke hat dagegen mit seiner Kritik an Kretschmann jedes Maß verloren.

Rülke schadet öffentlich nicht nur sich selbst, sondern er schadet mit seiner unverhältnismäßigen Kritik dem gesamten politischen System. Ich nehmen ihn jedenfalls nicht mehr ernst – und ich bin jemand, der sonst gerne gute Kontakte zur FDP unterhält.

Das könnte Sie auch interessieren

Auch mit grüner Beteiligung kann die Bundesregierung nicht verhindern, dass die EU Atomkraft als nachhaltige Energieform einstuft. Können das Grüne ernsthaft mittragen?

Das ist nicht nur für Grüne, sondern für weite Teile der Gesellschaft in Deutschland völlig unverständlich und nicht nachvollziehbar. Aber die Staaten Europas gehen unterschiedliche Wege, um Klimaneutralität zu erreichen. Jedes Land entscheidet dabei selbst. Da braucht es jetzt nicht unbedingt Belehrungen aus Deutschland.

Man darf die Debatte allerdings nicht nur auf Atomkraft und Gas verengen, sondern entscheidend ist, möglichst viel Kapital in erfolgversprechende klimaneutrale Technologien und Produkte in allen Branchen zu lenken, damit sich nachhaltige Investitionen auch auszahlen. Das ist grüne DNA – mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben. Darauf können wir Grüne auch stolz sein.

Ein Blick in die Kristallkugel: Wie realistisch ist es, dass irgendwann Danyal Bayaz grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg und gleichzeitig seine Partnerin Katharina Schulze in Bayern grüne Ministerpräsidentin wird?

Das halte ich für eher unwahrscheinlich. Ich selbst fühle mich in meinem Amt sehr wohl. Haushalt, Steuern, Finanzmärkte, das ist mein Ding. Und was Bayern angeht, da wäre es in jedem Fall gut, wenn die Grünen dort endlich Teil der nächsten Regierung werden.