Es ist eine schwierige Aufgabe, die das Kultusministerium zu lösen hatte, vielleicht eine unlösbare. An der Rückkehr zum Präsenzunterricht führt kein Weg vorbei. Doch wie sollen bei vollen Klassenzimmern und Schulen Infektionen verlässlich verhindert werden? Ein Ding der Unmöglichkeit, jedenfalls unter den gegebenen baulichen Voraussetzungen.
Nun versucht man es also mit verschärften Hygienevorschriften: Masken in Fluren und Pausenhof, viel Händewaschen und Putzen, viel Lüften. So weit die saubere Theorie. In der Praxis stellt sich schon vor dem Start manches anders dar. Die Lehrergewerkschaft GEW hat in einer Umfrage herausgefunden, dass es schon bei den Putzkräften hapert, wo es scheinbar noch am einfachsten sein müsste, für Abhilfe zu sorgen: Mehr Putzkräfte, mehr Sauberkeit – eine eigentlich simple Gleichung. Doch aufgestockt wurde das Putzpersonal meist nicht.
Auch beim Lüften stellen sich praktische Probleme: Durchzug kann es nur geben, wenn Fenster an zwei Seiten des Raums vorhanden sind. Und das ist nur der offensichtlichste Mangel am Lüft-Konzept. Denn keiner weiß, ob in meist überfüllten Klassenzimmern ein Luftaustausch alle 45 Minuten genügt, um die Aerosole in Schach zu halten. Es ist „learning by doing“, Lernen durch Ausprobieren, angesagt. Eine Art Feldversuch mit Schülern und Lehrern als Versuchskaninchen.
Es hängt am Schulträger
Die Lehrerverbände dringen seit Wochen auf besseren Schutz der Pädagogen. Nicht zu unrecht. Wenn man bedenkt, welche Anstrengungen viele Firmen unternehmen, um ihre Mitarbeiter vor Infektionen – und sich selbst vor Klagerisiken – zu bewahren, mutet die Versorgung mit Masken, die das Land zur Verfügung stellen will, kümmerlich an. Es stimmt: Mancherorts wurde mehr getan, wurden beispielsweise Plexiglasscheiben installiert, die Lehrern Schutz bieten sollen. Aber das hängt, wie so oft, von der jeweiligen Finanzlage und dem Engagement der Schulträger, sprich der Kreise und Kommunen, ab.
Auch die Vorsorge für den durchaus wahrscheinlichen Ernstfall eines Corona-Ausbruchs hat allenfalls die Note mangelhaft verdient. Zwar wurde Geld für 300.000 Tablets bereitgestellt, die an Schüler verliehen werden sollen, die über kein brauchbares Gerät verfügen. Aber was ist mit Software und Infrastruktur? Bei den digitalen Lern-Tools herrscht vielfach noch keine Klarheit darüber, ob sie datenschutzkonform und nutzbar sind.
Das Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung hat zwar Seminare im Angebot, um Lehrer fit zu machen in dieser völlig anderen Form des Unterrichts. Aber an den Schulen sind nach wie vor die Lehrer selbst ihre eigenen IT-Beauftragten und Administratoren. Sicherlich wurde im Lockdown einiges an Erfahrungen gewonnen, von denen man künftig profitieren kann. Ganz unvorbereitet stolpert man nicht mehr ins Homeschooling. Aber viel besser als im Frühjahr dürfte es diesmal auch nicht laufen. Es wird auch bei künftigen lokalen Lockdowns von der Umsicht des individuellen Schulleiters und von den technischen Kapazitäten der einzelnen Lehrer abhängen, was geht – und was nicht. Das ist keine befriedigende Lösung.
Es lag nicht nur an den Endgeräten
Was dagegen nicht infrage steht, ist die Rückkehr zum Unterricht im Klassenzimmer. Zu den Lehren der Lockdown-Zeit zählt nämlich auch, dass Digitalisierung eine feine Sache ist, aber das Lehren von Angesicht zu Angesicht nicht ersetzen kann. Viele Schüler gingen dabei „verloren“, tauchten weder zu den Video-Konferenzen auf, noch bearbeiteten sie die Aufgaben. Und das lag nicht allein an den fehlenden Endgeräten.
Es fehlte vielmehr an Motivation, der positiven, wie sie ein guter Unterricht entfachen kann, wie der negativen, die einen schlicht zum morgendlichen Aufstehen verdonnert, weil es um 7.45 Uhr zur ersten Stunde klingelt und man da ungern zu spät kommen will. Es war noch nie so leicht, sich unsichtbar zu machen, wie in der Zeit des Fernunterrichts. Kein Wunder, dass manche die Zeit lieber fürs Zocken von Computerspielen nutzten. Auch Schüler sind eben nur Menschen!
Was wurde versäumt?
Ganz genau wird man sich deshalb anschauen müssen, was im vergangenen Halbjahr alles versäumt wurde – und was nicht durch Zusatzunterricht in den letzten Ferienwochen wieder aufgeholt werden konnte. Im vergangenen Schuljahr sollte keiner sitzenbleiben. Im kommenden sollte man ehrlich Bilanz ziehen und Schüler gegebenenfalls auch eine Klasse wiederholen lassen. Zur Ehrlichkeit gehört übrigens auch, dass der Stoff abgespeckt wird, wenn es erneut zu Schulschließungen kommen sollte.