Ein schwerer Unfall in einem Schweizer Atomkraftwerk würde je nach Wetterverhältnissen Deutschland deutlich stärker in Mitleidenschaft ziehen. Davor warnt eine Überblicksstudie, die der Trinationale Atomschutzverband TRAS vorgestellt hat. Die Vereinigung erneuerte ihre Forderung, die eidgenössischen Meiler abzuschalten.

TRAS ist ein 2005 gegründetes Bündnis von Atomkraft-Gegnern im Dreiländereck, darunter auch Städte wie Freiburg und Basel. Ursprüngliches Ziel war die Stilllegung des Kernkraftwerks Fessenheim. Es ging 2020 vom Netz.

Machen Regierungen genug?

„Das von den Schweizer Atomkraftwerken für Deutschland ausgehende Risiko wird systematisch und dramatisch unterschätzt“, sagte TRAS-Vizepräsident Stefan Auchter. Städte und Gemeinden seien nicht einmal annähernd adäquat auf die Unfallszenarien vorbereitet. „Bundes- und Landesregierung müssen die Bedrohung durch die Schweizer AKW endlich ernst nehmen und darauf hinwirken, dass der Überzeitbetrieb der Reaktoren in naher Zukunft verbindlich beendet wird.“

Nach der Wasserkraft (ungefähr 60 Prozent) ist Atomstrom mit 29 Prozent die zweitgrößte Energiequelle der Schweiz. Er wird von vier Reaktorblöcken erzeugt, die alle nahe der deutschen Grenze liegen – zwei in Beznau, je einer in Gösgen und Leibstadt. Die TRAS betonte, dass es sich nicht nur um den ältesten Reaktor-Park der Welt handle. Der Block Beznau 1, der 1969 in Betrieb genommen wurde, sei mit 56 Jahren der das älteste noch laufende AKW überhaupt.

Die Studie „Grenzenloses Risiko – Gefährdung Deutschlands durch schwere Unfälle in Schweizer Atomkraftwerken“ trifft keine Aussagen zur Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe. Allerdings machten die Referenten deutlich, dass die Bedrohungen heute über technisches Versagen hinausgingen – von Cyberangriffen über Terrorattacken bis hin zu Drohnen gebe es zahlreiche Szenarien, vor denen AKW unzureichend geschützt seien.

Keine neuen Ergebnisse

Die Untersuchung präsentiert keine neuen Forschungsergebnisse. Ihre Leistung besteht in der Zusammenführung bereits vorhandener Studien, die anhand realer Wetterdaten die Folgen eines schweren Schweizer Atomunfalls für Deutschland simuliert haben. Die Hauptthemen sind Strahlenbelastung, Evakuierung, langfristige Umsiedlung, Ernteverbote, Trinkwasser und Gesundheitsschäden.

Die Autoren kommen zu dem Ergebnis: „Selbst bei für Deutschland günstigen Wetterlagen, bei denen der Wind aus nordöstlicher Richtung weht und die radioaktive Wolke größtenteils in die Schweiz und/oder nach Frankreich bläst, kann das Dreiländereck Deutschland/Schweiz/Frankreich so hohe Strahlendosen abbekommen, dass weite Teile der Region zwischen Waldshut-Tiengen, Freiburg und Basel komplett evakuiert werden müssten.“

Bei anderen Windverhältnissen sieht das Szenario noch weit düsterer aus. „Betroffen wären unter Umständen Regionen bis in mehreren Hundert Kilometern Entfernung“, heißt es.