Es ist der neunte Verhandlungstag gegen Mike W. – und der erste nach der Entdeckung des Leichnams von Jan Heisig. Dieser wurde im Garten des Hauses der Familie in Hemmenhofen gefunden, genau an dem Ort, an dem alles begann. Tatort und Grab lagen mehr als fünf Jahre lang nur wenige Meter auseinander. Dies wird am Dienstagnachmittag vor dem Landgericht Konstanz deutlich, als ein Kriminalhauptkommissar aussagt.
Unter einer Schicht Bitumen
Es steht nun fest, dass Jan Heisig nur 51 Jahre alt wurde. Eine molekulargenetische Untersuchung bestätigte am Montag, dass es sich tatsächlich um ihn handelt. Sein Leichnam lag eingehüllt in Folien und Bitumen, in zusammengekauerter Haltung, im Garten seines letzten Wohnsitzes.

So wird auch öffentlich, wie die Stelle bei den ersten Grabungen übersehen werden konnte. Gleich das erste Bild, das der Ermittler im Sitzungssaal auf der Leinwand zeigt, stammt aus dem Sommer 2019.
Es zeigt, wie der Garten damals aussah, ein roter Pfeil markiert die Stelle, wo man den Leichnam nun entdeckte: direkt neben einer Grube, die Mike W. damals für einen Teich aushob. Über das Grab war dichtes Gras gewachsen. Zumindest nichts Offensichtliches wies darauf hin, dass hier in einer Tiefe von 1,55 Metern die sterblichen Überreste des Vermissten lagen.
Sonde bestätigte Anomalie
Mike W. konnte den Kriminaltechnikern nun fast auf den Meter genau sagen, wo sie suchen müssen. Eine Bodensonde hatte an der Stelle eine Anomalie im Erdreich bestätigt. Schicht für Schicht trug ein kleiner Bagger daraufhin den Boden ab, solange bis man auf den Leichnam stoßen würde. Die Rechtsmedizin prüfte jede Abtragung. Fast wie Archäologen, sagte der Kommissar.
Viele Stunden vergingen, ehe man am Nachmittag in einer großen wie tiefen Grube stand und ein dunkles, ovales Paket freigelegt hatte. Kaum länger als 1,20 Meter. Um jede Beschädigung zu vermeiden, wurde es seitlich geborgen.
Warum wurde 2019 keine Sonde benutzt?
Es war kein offizieller Ortstermin, stellte Richter Arno Hornstein klar, als Teile der Strafkammer und der Prozessbeteiligten am vergangenen Mittwoch, 27. November, auf die Höri fuhren.
Die Polizei hatte Mike W. am Morgen aus der JVA geholt, nachdem er weniger als 24 Stunden zuvor vor Gericht angeboten hatte, die Ermittler zur Leiche von Jan Heisig zu führen. Dass es so schnell gehen würde, war nicht selbstverständlich. Auch für einen erfahrenen Richter wie Hornstein war das beeindruckend.

Nur Rechtsanwalt Daniel Heuser, der als Nebenklagevertreter die Ex-Frau Heisigs vertritt, fragt noch mal beim Polizisten nach: Warum hat man schon damals keine Bodensonde eingesetzt? Der Ermittler: „Das kann ich mir nicht anmaßen zu beantworten.“
Es sei relativ einfach, einen Leichnam zu finden, wenn der Angeklagte daneben steht und fast auf den Meter genau sagt, wo man suchen muss. Als die Polizei das erste Mal dort suchte, sei er nicht dabei gewesen. Zunächst leitete die Kripo in Friedrichshafen die Ermittlungen, ehe im Zuge der Polizeireform die Zuständigkeit nach Rottweil wechselte.
Mutter kann nicht selbst aussagen
Noch bevor die Suchaktion besprochen wurde, sagten am Vormittag wieder Ermittler aus, die 2019 mit dem Fall betraut waren. Sie ermittelten in alle Richtungen, sagte einer von ihnen, der die Mutter des Opfers im Pflegeheim befragte.
Die Mutter erhielt Besuch von Mike W. und ihrer Tochter, dabei hatten sie eine handschriftliche „Vollmacht“. Mit dieser sollten Jan Heisig alle Rechte genommen und der Frau übertragen werden. Aber die Mutter verweigerte der Aussage des Zeugens nach die Unterschrift, weil es ihrer Tochter wohl nur ums Geld ginge. Den Angeklagten habe sie nicht gemocht.
Die Mutter kann vor Gericht nicht mehr aussagen, wird am Dienstag ein weiteres Mal deutlich. Seit einem Schlaganfall gilt sie als nicht vernehmungsfähig.
Wird Halbschwester doch noch aussagen?
Noch am Vormittag beantragte Oberstaatsanwalt Egon Kiefer, dass die „wichtigste Zeugin des Verfahrens“, die Halbschwester des Toten, wieder geladen werden sollte. Ihr Anwalt hatte vor Wochen bereits auf ihr Aussageverweigerungsrecht verwiesen. Man dürfe es laut Kiefer aber jetzt nicht unversucht lassen. Er möchte ihr gerne die Einlassung des Angeklagten vorhalten und sie fragen, ob sie das so stehen lassen will.

Pflichtverteidiger Marc Decker sieht das anders: Allein durch das Aufeinandertreffen des Paares im Konstanzer Sitzungssaal könnte sie sich belasten, wenn sie bestätigt, den Angeklagten zu kennen. In seiner Aussage hatte W. die Halbschwester schwer belastet.
Richter Hornstein entgegnete, er habe bereits den Anwalt der Frau angeschrieben. Schon allein, weil in der Einlassung von Mike W. Missbrauchsvorwürfe erhoben worden sind, wolle man sie dazu befragen – und dazu könne sie auch äußern, ohne sich selbst zu belasten.
So geht es weiter
Ob und wann es zu einem Wiedersehen in Konstanz kommt, blieb am Dienstag noch unklar. Auch, ob noch in diesem Jahr ein Urteil fällt. Denn langsam müsse man über weitere Termine nachdenken, so Hornstein.
Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt. Weitere Polizisten und Zeugen aus der Krefelder Drogenszene sollen aussagen. Am kommenden Dienstag soll dann die Gerichtsmedizinerin aussagen und aufklären, woran Jan Heisig genau verstarb.