Es sind brisante Chatverläufe, die der Nebenklage im Prozess gegen Andreas R., den suspendierten Inspekteur der baden-württembergischen Polizei am vergangenen Donnerstag zugegangen sind. Darin schreibt im Juli 2019 ein Mann, der auf dem Tablet seiner damaligen Partnerin unappetitliche Nacktbilder eines anderen Mannes entdeckt hat, diesem per Kurznachricht: „Du bist ganz schön krank, Andreas. Such einen guten Psychologen.“ Und einige Zeit später, nachdem der Adressat geantwortet und gebeten hat, die privaten Fotos zu löschen: „Mann, wenn man Schwanzbilder im Kinderzimmer macht und sich beim Pissen fotografiert – lass dir helfen, bevor mehr passiert.“
Jener Andreas, der so klar angeschrieben wurde, ist der ehemals ranghöchste Polizist des Landes, Andreas R. Der 50-Jährige steht wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung gegenüber einer rangniederen jüngeren Kommissarin im Rahmen eines Kneipenabends 2021 vor dem Stuttgarter Landgericht.
Der neue Chatverlauf aber, den Nebenklage-Vertreter Holger Rohne in einem Beweisantrag zitierte, bezieht sich auf eine schon länger zurückliegende Affäre von Andreas R. aus dem Jahr 2018 mit einer anderen Frau, damals ebenfalls eine junge Polizistin und im Auswahlverfahren für den höheren Dienst. Die Affäre soll 2019, als der Partner der Frau die Fotos auf dem Tablet fand, schon beendet gewesen sein.
Als er seine Partnerin wegen der Fotos, die Andreas R. ihr auch im Juni 2019 noch ohne ihr Wollen zugeschickt haben soll, zur Rede stellt, habe sie geantwortet, dass es sich um einen Fetisch des Andreas R. handle, gegen den sie nichts unternehme. Andreas R. soll darauf nackt, mit erigiertem Penis und teilweise urinierend zu sehen gewesen sein.

Dieser Fall spielt letztlich für das Verfahren, das in Stuttgart verhandelt wird, keine Rolle – aber er verdeutlicht ein Muster im persönlichen Verhalten des suspendierten Inspekteurs und könnte für das Gericht ins Gewicht fallen, wenn es letzten Endes um die Glaubwürdigkeit seiner Darstellung geht. Mit Sicherheit aber dürfte er in einem anschließenden Disziplinarverfahren gegen Andreas R. eine Rolle spiele, das für die Dauer des Prozesses ausgesetzt ist und über seine Zukunft entscheidet.
Denn mit diesem Fall von 2018 erhöht sich die Zahl der im Prozess bekannt gewordenen Polizeibeamtinnen, mit denen der verheiratete Andreas R. seit 2018 Affären und Beziehungen und – ob gewollt, nur geduldet oder ungewollt – unappetitliche Nacktbilder von sich schickte, auf drei. Alle befanden sich im Auswahlverfahren für den höheren Dienst.
Zudem meldete eine vierte Frau, eine Verwaltungsmitarbeiterin aus dem Innenministerium, sexuelle Avancen und unangemessenes Verhalten von Andreas R. Im Fall von 2018 war Andreas R. bereits in polizeilicher Führungsposition. Ins höchste Polizeiamt wurde er im November 2020 berufen. Für die Nebenklage wird das Muster deutlich, „dass der Angeklagte in Kenntnis seiner Machtposition seine sexuellen Vorlieben auslebt und offenbar davon ausgeht, dass ein Widerstand aufgrund seiner Stellung nicht zu erwarten ist“, so Rechtsanwalt Rohne.
Auch Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz wurde als Zeugin weiter befragt. Ihre Rolle wurde sowohl von Verteidigung als auch Nebenklage kritisch hinterfragt. Sie hatte die Nebenklägerin ein halbes Jahr nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Andreas R. im Juni 2022 aus dem Auswahlverfahren für den höheren Dienst genommen und an deren frühere Dienststelle zurückgeschickt. Dies sei auf Wunsch der 34-Jährigen und aus Fürsorge für die emotional schwer angeschlagene Beamtin geschehen, sagte Hinz. Dagegen hatte die Beamtin in einem Chat nach diesem Gespräch geschrieben: „Es geht mir nicht runter, dass sie mich wie eine Schlampe dastehen lassen. Sie schieben Fürsorge vor und Vertrauensbruch.“