Die Schweiz ist ein sehr ordentliches Land. Es gibt kaum etwas, das nicht geregelt wäre und nichts, was dem strengen Auge des Gesetzes entgeht. Das gilt auch für jene Pferde, die von deutschen Reitern nichtsahnend über die grüne Grenze in die Schweiz geführt werden. Der harmlose Freizeitritt ist ein amtlicher Vorgang, denn das Tier benötigt einen Ausfuhrschein – schließlich wird es in diesem Moment exportiert, auch sei es auch nur für eine Viertelstunde.
Judith Wiedenbach kann davon ein Lied singen. Zusammen mit ihrem Mann Klaus betreibt sie die Pferdepension Kreuzhof. Diese liegt in einem einsamen und beschaulichen Hof bei Öhningen (Kreis Konstanz). Zu Fuß geht man einen Kilometer bis zur Schweizer Grenze, hinter der dann verlockende Ziele wie Stein am Rhein oder die Burg Hohenklingen warten.
Ohne Formular geht nichts
27 Pensionspferde stehen auf dem Kreuzhof und genießen den Paddock-Trail, bei dem die Tiere viel Auslauf haben. Judith Wiedenbach kennt die Prozedur, um den Grenzübertritt zu regeln, sie lautet korrekt „Zollanmeldung für die vorübergehende Verwendung“. Für die Kunden auf dem Kreuzhof sowie für eigenes Pferd Diopta hat sie die Formulare schon vorrätig, mit denen man die Bescheinigung erhält.

Anspruchsvollster Punkt dabei: Das Pferd muss den Schweizer Zöllnern persönlich vorgeführt werden. Die Beamten schätzen dann den Wert. Auf dieser Basis wird dann eine Kaution von 2,5 Prozent des Wertes berechnet und hinterlegt. Das entspricht exakt der Schweizer Mehrwertsteuer. Bei einem Wert von zum Beispiel 4000 Euro werden 100 Euro fällig. Schließlich wird das Pferd beim Übertritt exportiert, wenn auch nur vorübergehend. Sonst träte es in den sorgsam geschützten Schweizer Binnenhandel ein. Abends soll die Stute wieder im Stall auf der Höri oder im Klettgau zurück sein.
Wenn der Ausritt zur deklarierten Ausfuhr wird
Zusätzlich zur Kaution werden noch 120 Franken fällig als sogenannter Zollansatz. „Das Geld bekommt man später dann zurück“, berichtet die Auskunftszentrale Zoll der Eidgenössischen Zollverwaltung im Gespräch mit dem SÜDKURIER. Auch die Kaution fließe später an den Reiter zurück. Es gehe bei dem Papierkram darum, dass es den Regeln entsprechend abgewickelt werde, heißt es beim Zoll.

Mancher wird sich schlicht fragen: Wozu dann der ganze Aufwand und die Rennerei von Ross und Reiter um den Freipass? Wenn ein Sportsfreund einige Kilometer durch den Kanton Schaffhausen galoppiert, könnte man ihn auch ohne Freipass spazieren lassen – schließlich reitet er nicht bis Lugano.
Der Zoll hat seine eigene Logik
Das wird der umständlichen, aber folgerichtigen Logik des Zolls nicht gerecht. Auch wenn der Wallach nur für fünf Minuten die Schweiz betritt, handelt es sich um eine Ausfuhr. Das Pferd ist – rechtlich gesehen – eine Ware und muss als solche deklariert werden.
Was sich nun umständlich anhört, wird im Alltag längst locker gehandhabt. „Das Besorgen der Papiere hat sich bei uns gut eingespielt“, sagt Judith Wiedenbach. Sie hat immer einen Stapel der Formulare vorrätig und hilft gerne, wenn ein neues Einstellpferd auf den Kreuzhof kommt. Dessen Besitzer staunt dann erst einmal, dass an der grünen Grenze am Schienerberg ein Freipass benötigt wird. Später wird der Vorgang dann Routine. „Wir hatten noch nie Schwierigkeiten damit“, sagt die Chefin.
Der Grenzinspektor wartet nicht
Noch etwas: Im Alltag von Ross und Reiterin kommt es höchst selten vor, dass ein Grenzschützer mit hoher Mütze zwischen den Bäumen auftaucht und nach Dokumenten fragt. „Das wird sehr pragmatisch gehandhabt“, heißt es auf dem Kreuzhof. Abschreckend sei lediglich das Vorführen des Tieres an einer Grenzwache. Alles andere werde im guten Einvernehmen abgewickelt.
Die Einfuhr speziell von Pferden wird von der Eidgenossenschaft stark kontrolliert. 3822 Tiere dürfen pro Jahr importiert werden und kein Gaul mehr. Damit schützt die Schweiz die eigenen Züchter. Da sie nicht Mitglied der EU ist, kann sie den Markt nach eigenem Nutzen regeln.