Die Spitze der baden-württembergischen Polizei kommt nicht zur Ruhe: Rund um den laufenden Prozess gegen den Inspekteur der Polizei, Andreas R., sowie zwei Vorkommnisse an der Hochschule der Polizei Villingen-Schwenningen ist es in den vergangenen Tagen und Wochen zu weiteren Strafanzeigen sowie disziplinarrechtlichen Maßnahmen gekommen.

Wie bereits berichtet, soll es an der Hochschule der Polizei in Villingen-Schwenningen durch einen Dozenten, einen hohen Polizeibeamten, zu unangemessenem Verhalten gegenüber Polizistinnen gekommen sein. Der Mann soll inzwischen nicht mehr als Dozent dort tätig sein. Die „Badischen Neuesten Nachrichten“ hatten zuerst über den Fall berichtet.

Ohne Details zu nennen, bestätigte der Sprecher des Innenministeriums auf Nachfrage, dass das Ministerium durch die Hochschule für Polizei über die Vorwürfe informiert worden sei. „Der Sachverhalt wird derzeit einer umfassenden rechtlichen Prüfung durch die Hochschule unterzogen, erste disziplinarrechtliche Maßnahmen wurden bereits eingeleitet“, teilte der Sprecher mit.

Ex-Polizeipräsident soll äußert fragwürdige Aussagen getroffen haben

Auch ein anderer Vorfall, der sich im Februar an der Hochschule ereignet haben soll, wird vom Innenministerium derzeit aufgearbeitet und geprüft: Der ehemalige Offenburger Polizeipräsident Reinhard Renter soll als Referent vor Master-Studenten im Zusammenhang mit der IdP-Affäre sinngemäß gefragt haben, welche Führungskraft bei der Polizei nicht auch schon sexuelle Verhältnisse zu Kolleginnen gehabt habe – und dass dies doch nicht so schlimm sei.

Studierende hätten diese Äußerungen Medienberichten zufolge als völlig unangemessen bewertet und sahen das mutmaßliche Opfer in der IdP-Affäre erneut zum Opfer gemacht. Sie hatten den Vorfall dem Dekan und der Hochschulleitung gemeldet und gefordert, künftig auf Renter als Referenten zu verzichten.

Pikant dabei: Renter, der im Mai 2022 in den Ruhestand verabschiedet wurde, ist ein alter Bekannter von Andreas R. – und mit ihm auch weiterhin in Kontakt, wie das Innenministerium bestätigte. „Er hat aus Fürsorgegesichtspunkten nach Bekanntwerden der Vorwürfe Kontakt mit dem Inspekteur der Polizei gehalten und von sich aus angeboten, dass er das Innenministerium in unregelmäßigen Abständen informiert, wie es dem Inspekteur der Polizei geht“, teilte der Sprecher mit.

Anzeige gegen Hinz

Zudem ging gegen Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz, zentrale Zeugin sowohl im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Polizeiaffäre sowie im Prozess gegen den Inspekteur, vergangene Woche eine Strafanzeige wegen Untreue und Strafvereitelung im Amt vor, wie der Sprecher der Stuttgarter Staatsanwaltschaft unserer Zeitung auf Nachfrage bestätigte.

Hinz hatte im November 2021 die dienstrechtlichen Schritte gegen Andreas R. eingeleitet, nachdem sie von den Vorwürfen erfahren hatte, und ihm das Führen der Amtsgeschäfte untersagt – allerdings auf das schärfste Schwert des Disziplinarrechts, eine vorläufige Dienstenthebung – gemeinhin Suspendierung genannt – verzichtet.

Der angeklagte Poliziinspekteur bei einem Gerichtstermin in Stuttgart.
Der angeklagte Poliziinspekteur bei einem Gerichtstermin in Stuttgart. | Bild: Bernd Weißbrod

Im Gegensatz dazu geht mit dem „Verbot des Führens der Dienstgeschäfte“ während des laufenden Verfahrens aber keine finanzielle Einbuße für den Betroffenen einher – das heißt, dass Andreas R. bei vollen Bezügen freigestellt wurde und es auch weiterhin ist.

Die Stelle des IdP ist eigentlich in der Landesbeamten-Besoldungsgruppe B4 angesiedelt; Andreas R. erhielt aber aufgrund der noch nicht abgeschlossenen Wartezeit nach Amtsantritt noch Bezüge nach der Besoldungsgruppe B2, was in der Grundvergütung 8457 Euro entspricht. Bei einer vorläufigen Dienstenthebung, also einer Suspendierung, können bis zu 50 Prozent der monatlichen Bezüge gekürzt werden.

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Hinz ließ R. sein Handy lieber behalten

Zudem hatte es Hinz unterlassen, auch das private Handy des Inspekteurs – über das er auch Dienstkommunikation betrieb – als mögliches Beweismittel einziehen zu lassen. Es ist rechtlich strittig, ob sie dies zum Nachweis der Vorwürfe gedurft hätte. Andreas R. hatte dieses Handy anschließend zerstört, noch bevor es die Staatsanwaltschaft beschlagnahmen konnte.

Um diese beiden Punkte dreht sich nun die Anzeige gegen Hinz. Die Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob Ermittlungen aufgenommen werden. Allerdings ist vor Abschluss des laufenden Verfahrens gegen den Inspekteur keine Entscheidung zu erwarten.

Anzeige auch gegen Verteidigerin?

Unterdessen steht beim laufenden IdP-Prozess inzwischen auch eine Strafanzeige gegen Ricarda Lang, Strafverteidigerin von Andreas R., im Raum. Am vergangenen Freitag hatte Nebenklage-Vertreter und Opferanwalt Holger Rohne im Gerichtssaal eine entsprechende Strafanzeige gegen Lang wegen Zitierens aus nicht-öffentlicher Sitzung angekündigt.

Dabei geht es um Sätze, die die Erinnerungsfähigkeit und damit Glaubwürdigkeit der Beamtin betreffen. Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Nachfrage, dass ein mögliches strafrechtlich relevantes Verhalten geprüft werde.

Verteidigung von Andreas R. und Nebenklage-Vertreter liefern sich mit der Dauer des Prozesses zunehmend harte juristische und auch während des Verfahrens lautstarke Scharmützel.

Vor allem Lang, die vor Jahren eine längere Zeit bei der Sat.1-Gerichtsshow „Richter Alexander Hold“ mitwirkte, geht dabei recht aggressiv zu Werke – mal mehr, mal weniger deutlich erkennbar mit dem Ziel, die Glaubwürdigkeit der heute 34-jährigen Beamtin und damit die Grundlage des Verfahrens überhaupt in Frage zu stellen.

Der Prozess gegen Andreas R. wird am kommenden Dienstag fortgesetzt.