Die Geschichte von Hans K. nimmt ihren Anfang hinter dem Lenkrad seines Autos, als er erst auf eine Baustelle trifft – und dann Gas gibt. Sie endet erst Jahre später am Landgericht Ravensburg. Es war an Morgen im Juli 2019, als K. (Name geändert) durch die Straßen von Friedrichshafen fuhr, und an der Werastraße geblitzt wurde.

Einige Wochen später fand der damals 55-Jährige einen Bußgeldbescheid in seinem Briefkasten. 100 Euro, ein Punkt. Er soll 21 Stundenkilometer zu schnell gefahren sein. Er legte Einspruch ein. Es war nicht das erste Mal, K. hat Erfahrung mit „Owis“ (Ordnungswidrigkeiten), wie er sagt. Seine Begründung für diese Überschreitung: Eine Baustelle habe das Tempo-30-Schild verdeckt.

So erhielt der Autofahrer einen Termin beim Amtsgericht Tettnang, bei einem Richter, den er bereits aus einem anderen Verfahren kannte. Und den er vor wenigen Tagen am Landgericht Ravensburg wiedersah. Doch hier geht es nicht mehr um eine Ordnungswidrigkeit, sondern um eine Straftat, die nur selten verhandelt wird: Anstiftung zur Rechtsbeugung.

Ein kurzes Rangiermanöver

Als der Temposünder im Februar 2020 in Tettnang zur Verhandlung erschien, verabredete man sich, sich die Sache vor Ort in Friedrichshafen anzusehen. Das kam K. schon komisch vor, sagt er heute. Also fuhren der Amtsrichter und Hans K., jeder in ihrem Auto, zur Messstelle. Er kam zuerst, sah später den Juristen in seinem Auto und ging auf ihn zu.

Durch die Seitenscheibe unterhielten sie sich; für den Richter sei die Sache klar, berichtete der. Es stünden genug Schilder vor Ort. Als der Richter verkehrsbedingt Rangieren musste, schrie der 55-Jährige, der noch an der Scheibe gestanden hatte, plötzlich vor Schmerzen auf. Ein Vorderreifen soll seinen rechten Fuß seitlich erwischt haben.

Hans K. war aufgebracht. Er sagte dem Richter, er könne hier nicht mehr weitermachen, er fahre jetzt zum Arzt. Der Richter brach den Termin ab und kündigte ihm an, bald einen neuen Verhandlungstermin anzusetzen.

K. soll dann gefragt haben, ob ein neuer Termin wirklich nötig sei oder ob der Richter das Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht einfach einstellen könne. Sollte der Richter dem zustimmen, würde K. im Gegenzug auf eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung verzichten.

Vier Jahre später: Ein erstes Urteil

Es war nur ein Satz, aber diesem unmoralischen wie rechtswidrigen Angebot kam der Amtsrichter nicht nach. Er fertigte einen Aktenvermerk und erzählte später seinem Chef davon. Und so wurde ein Verfahren eingeleitet, das noch immer nicht überstanden ist. Auch wenn K. seinen Einspruch zurückzog, und keine bleibenden Schäden in seinem Fuß erlitt.

Erst vier Jahre später, am 30. Januar 2024, wurde er wegen dieses Angebots wegen versuchter Anstiftung zur Rechtsbeugung in Tateinheit mit versuchter Nötigung und mit Bestechung verurteilt: fünf Monate auf Bewährung. Der Verurteilte legte Berufung ein. Diese wurde nun vor wenigen Tagen verhandelt.

Noch ein Friedensangebot

Im Frühjahr 2025 kann sich K. nicht mehr genau erinnern, was er damals gesagt hat, erzählt er später. Ob es ironisch gemeint, war oder nicht, ob er es überhaupt gesagt hat. Er habe jedenfalls niemanden zur Rechtsbeugung anstiften wollen.

Für sein Verfahren spielt das auch keine große Rolle mehr. Gemeinsam mit seinem Rechtsanwalt Herrlin Markja haben sie sich entschieden, die Berufung nur auf die Rechtsfolgen, also die Strafe, zu beschränken. Damit schien eine erneute Freiheitsstrafe vom Tisch,

Was das auch beinhaltet: Der Schuldspruch des Amtsgerichts ist damit rechtskräftig, es kommt einem Geständnis zumindest nahe. Und das wertete auch das Gericht: Anstelle einer Bewährungsstrafe von fünf Monaten, wird Hans K. nur zu einer Geldstrafe verurteilt. 90 Tagessätze à 60 Euro, insgesamt 5400 Euro.

Das kann man als Friedensangebot sehen: Denn damit darf Hans K. die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen. Er lebt seit fast zwei Jahrzehnten in Vorarlberg, und möchte den Quereinstieg als Lehrer wagen. Das gehe aber nur dann, wenn er zuvor nicht zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen verurteilt wurde. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.