
Husten und eine verschnupfte Nase – eigentlich sind das die typischen Anzeichen für einen grippalen Infekt, umgangssprachlich auch als Erkältung bekannt. Doch derzeit sollten Eltern ihre Kinder mit diesen Symptomen genau beobachten. Denn es könnte sich auch um einen beginnenden Keuchhusten handeln.
Keuchhusten wird über Tröpfcheninfektion durch ein Bakterium übertragen. Wird eine Person positiv auf Keuchhusten getestet, muss der Fall an das Gesundheitsamt übermittelt werden. Das Landesgesundheitsamt (LGA) Baden-Württemberg meldet für die erste Jahreshälfte 2024 mehr als 2000 Fälle, das sind deutlich mehr als zur gleichen Zeit im Vorjahr.
Besonders Kinder sind betroffen
„Das ist der höchste seit Beginn der Meldepflicht 2013 zwischen Januar und Anfang März gemessene Wert“, sagte LGA-Abteilungsleiter Stefan Brockmann kürzlich. Das LGA spricht inzwischen von einer Epidemie.
Betroffen sind vor allem Kinder. Derzeit liegt die höchste Inzidenz mit fast 90 Fällen pro 100.000 Menschen in der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen. Besonders viele Fälle werden auch bei Kleinkindern unter einem Jahr festgestellt.
Die höchste Inzidenz, also Fälle pro 100.000 Einwohner, in Baden-Württemberg hat der Hohenlohekreis mit 62. Aber auch in der Region verbreitet sich der Keuchhusten.
Keuchhusten schwer von Erkältung zu unterscheiden
Frank Stehle ist Kinderarzt in Singen. „Wir haben momentan deutlich mehr Keuchhustenfälle als in den Jahren zuvor“, sagt er. Knapp 50 Kinder habe Stehle seit Jahresbeginn mit Verdacht auf Keuchhusten getestet. Zehn Fälle hätten sich dabei bestätigt. „Das hört sich vielleicht nicht viel an. Aber wir hatten sonst alle zwei Jahre mal einen Fall“, sagt Stehle.
Nicht nur bei Stehle tauchen mehr Keuchhustenfälle auf, im Landkreis sind es jetzt schon deutlich mehr als in den beiden Vorjahren zusammen:
Doch wie kann man Keuchhusten von einem normalen Husten unterscheiden? „Am Anfang leider gar nicht“, sagt Frank Stehle. Im ersten Stadium der Erkrankung seien die Symptome vergleichbar mit denen einer Erkältung: Husten, Schnupfen, Fieber. Das halte sieben bis 14 Tage an. Wird das Kind auf Keuchhusten getestet, kann ein Antibiotikum gegeben werden.
Krankheit für Kleinkinder lebensgefährlich
Bleibt die Krankheit unbehandelt, kämen die typischen Symptome einer Keuchhustenerkrankung hinzu: Hustenanfälle, vor allem in der Nacht, die lange anhalten und in kurzen Abständen schnell hintereinander einsetzen. „Stakkatoartig“, nennt Frank Stehle das. Zudem würden Kinder den Schleim erbrechen.
Besonders gefährlich kann Keuchhusten für Kleinkinder unter einem Jahr werden. Sie können den Schleim noch nicht abhusten, weshalb sie kurze Atemaussetzer hätten. Die Kinder würden zunächst rot anlaufen, dann blau und könnten im schlimmsten Fall versterben.
Impfung schützt vor Ansteckung
Bei anhaltenden Hustenattacken, verbunden mit Würgen, solle man daher einen Arzt aufsuchen. Erst kürzlich hatte Frank Stehle einen kleinen Patienten im Alter von sechs Wochen, der nun stationär im Krankenhaus behandelt wird.
Dass die Krankheit besonders für Kleinkinder gefährlich werden kann, liegt an ihrem Impfschutz. Die erste Impfung wird zwar bereits ab der achten Lebenswoche gegeben, einen vollständigen Impfschutz haben die Kinder aber erst nach der dritten Dosis. Diese erhalten sie im Alter von ungefähr einem Jahr.
„Die Impfung schützt vor der Ansteckung und kann zu einem leichteren Verlauf führen“, sagt Kinderarzt Frank Stehle. Jedoch könne man das Bakterium trotz Impfung weiter übertragen. Nach fünf Jahren muss die Impfung aufgefrischt werden. Danach sollte man sich alle zehn Jahre impfen lassen.
Keuchhusten ist hochansteckend
Keuchhusten hat laut Stehle eine sehr hohe Übertragungsrate: „Würde eine Person mit Keuchhusten in einem Raum mit zehn anderen, ungeimpften Personen stehen, würden sich ungefähr acht bis neun Personen anstecken.“ Besonders ansteckend sei man in den ersten zwei Wochen, in denen man den Keuchhusten noch nicht von einem grippalen Infekt unterscheiden könne.
Warum sich aktuell so viele Menschen mit Keuchhusten anstecken, kann Stehle nicht genau erklären. Weiterhin stellt er eine hohe Impfrate in seiner Praxis fest. Seit der Corona-Pandemie sei es jedoch immer mal wieder zu Ausbrüchen von Infektionskrankheiten gekommen: Im vergangenen Jahr gab es eine Scharlachwelle, vor einigen Monaten stieg die Zahl der Ringelrötelnfälle.
Das Landesgesundheitsamt führt die Zahlen auf erwartete Epidemiespitzen zurück, die alle drei bis fünf Jahre stattfinden. Zudem seien weniger Menschen immun, da der Erreger während der Corona-Pandemie weniger stark zirkulieren konnte.