Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst ist für die Kommunen ein zweischneidiges Schwert: Den Angestellten bringt er in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten angepasste Löhne, während die Haushalte der Kreise und Gemeinden deutlich belastet werden. Welche Auswirkungen hat das in Baden-Württemberg?

Ein Müllwerker wird künftig etwa 370 Euro im Monat mehr verdienen – das ist ein Plus von knapp 13 Prozent. Werden die abgabenfreien Einmalzahlungen hinzugerechnet, ergibt sich ein Verdienstzuwachs von insgesamt über 20 Prozent bis Ende 2024. Ein Systemprogrammierer in der öffentlichen Verwaltung wird künftig etwa 540 Euro mehr im Monat verdienen, ein Plus von neun Prozent oder inklusive Einmalzahlungen plus 13 Prozent.

Das geht aus Zahlen des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Baden-Württemberg hervor, die dem SÜDKURIER vorliegen. Der Verband rechnet für die Kreise, Städte und Gemeinden mit durchschnittlich 11,7 Prozent mehr Personalkosten je Kalenderjahr.

Ungewollte Einsparungen in Waldshut

Die kommunalen Landesverbände äußern sich diplomatisch dazu: Der Tarifabschluss sei schmerzhaft für die Haushalte und nicht ohne Weiteres zu schultern, allerdings werde damit auch die Attraktivität des öffentlichen Dienstes gestärkt, heißt es vom baden-württembergischen Städtetag.

Auch Alexis von Komorowski, Hauptgeschäftsführer des baden-württembergischen Landkreistages, betont die Bedeutung konkurrenzfähiger Entlohnung in Zeiten des Fachkräftemangels.

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Der betrifft zum Beispiel den Landkreis Waldshut. Dort hat man schon mit höheren Löhnen gerechnet, zumindest in diesem Jahr können die steigenden Personalkosten des Tarifabschlusses durch Einsparungen kompensiert werden. Die seien aber ungewollt, erklärt eine Sprecherin des Landratsamts: Viele vakante Stellen können nicht besetzt werden.

Kommunen planten schon vor Tarifabschluss mit Mehrkosten

Auch im Bodenseekreis wurde – wie in den meisten Kommunen – aufgrund der Tarifverhandlungen bereits mit höheren Personalkosten geplant. Der jetzt erzielte Abschluss, über den die Verdi-Mitglieder freilich noch abstimmen müssen, übertrifft diese Planungen noch einmal, das Landratsamt rechnet mit etwa 700.000 Euro zusätzlichen Mehrausgaben in 2023.

Um diesen Bedarf zu decken, werde im Finanzmanagement nachzusteuern sein, so ein Sprecher der Kreisverwaltung. Kurzum: Irgendwo muss wohl gespart werden, es steht nur noch nicht fest, wo.

Ähnlich ungefähr bleiben einzelne Gemeinden bei ihren Ideen zur Kompensierung der Kosten: In Markdorf müsse vieles auf den Prüfstand, in Salem „alle Sparpotenziale und Einnahmemöglichkeiten ausgeschöpft werden“, ähnliches ist aus Friedrichshafen zu vernehmen.

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Im Landkreis Konstanz wurde aufgrund der Tarifverhandlungen auch bereits mit höheren Kosten kalkuliert, sodass sich kurzfristig keine Einschnitte ergäben, wie eine Sprecherin mitteilt. „Die mittel- und langfristigen Auswirkungen werden aber zu diskutieren sein.“

Nur wenig Spielräume bei Einsparungen und Mehreinnahmen

Grundsätzlich können die Kommunen dabei nur an wenigen Stellschrauben drehen. Einerseits wären da die freiwilligen Leistungen wie Schwimmbäder, Museen oder Bibliotheken, die gekürzt werden könnten. Deren Einsparpotenzial gilt aber als begrenzt.

Eine andere Möglichkeit wären Gebührenerhöhungen, das beträfe die Bürgerinnen und Bürger direkt über die Elternbeiträge für Kitas, die Müllgebühren oder die Hundesteuer. Eine Sprecherin des Deutschen Städte- und Gemeindebundes sagt auf Anfrage des SÜDKURIER, dass etwa eine Anpassung der Kitabeiträge denkbar wäre, um die höheren Personalkosten aufzufangen. Eine pauschale Lösung für alle Kommunen werde es aber nicht geben.

Das liegt vor allem an den unterschiedlichen Voraussetzungen. Gerade in den wirtschaftsstarken Regionen im Südwesten wurden zuletzt mehr Einkommen- und Gewerbesteuern erzielt, die größere Spielräume in den Haushalten ermöglichen.

Bund der Steuerzahler hebt hohe Einnahmen in Kommunen hervor

Entsprechend zurückhaltend klingt auch die Einschätzung vom Bund der Steuerzahler, der gerne genau auf staatliche Mehrausgaben achtet: „Die Auswirkungen des Tarifabschlusses dürften sehr unterschiedlich sein. Städte, die finanziell sehr gut dastehen und seit Jahren von konstant hohen Steuereinnahmen profitieren, dürften trotz der höheren Personalkosten vor keinen allzu großen Herausforderungen stehen. Weniger finanzkräftige Städte und Gemeinden sollten aber nach Einsparmöglichkeiten in ihren Haushalten suchen“, so der Landesvorsitzende Eike Möller gegenüber dem SÜDKURIER.

Eventuell müssten die Kommunen auch freiwillige Leistungen einschränken, so Möller. Steuererhöhungen dürfe es aus Sicht des Bundes der Steuerzahler Baden-Württemberg aber nicht geben, da die Belastungen für die Steuerzahler bereits jetzt zu hoch seien.

Die höheren Personalkosten werden alle Kommunen in anderen Bereichen einschränken. Folgerichtig fordert Ralf Broß, geschäftsführender Vorstand des Städtetags Baden-Württemberg, generell eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen durch Land und Bund, damit keine Investitionen zurückgestellt werden müssen. Das wird man bei den angespannten Haushaltsdiskussionen in Berlin nicht gerne hören.