Viele Menschen fahren derzeit an die ukrainische Grenze, um Sachspenden abzugeben oder Flüchtlinge abzuholen – so auch einige freiwillige Helfer mit Unterstützung des Radolfzeller Busunternehmens Kögel: Zwei Reisebusse voller Sachspenden sind an die polnisch-ukrainische Grenze gefahren und haben auf dem Rückweg so viele Flüchtlinge wie möglich mitgenommen, die in Radolfzell Zuflucht finden sollen.
Für den SÜDKURIER war Reporter Marcel Jud mit an Bord. Wie die Mission lief, können Sie hier nachlesen.

Sonntag, 20 Uhr:
Damit endet unsere Berichterstattung über die Mission des Radolfzeller Hilfskonvois. SÜDKURIER-Reporter Marcel Jud hat das Erlebte noch einmal zusammengefasst, seine Reportage lesen Sie hier. Und wir werden auf SÜDKURIER Online und im SÜDKURIER weiterhin über das Schicksal der ukrainischen Flüchtlinge berichten, die nun in Radolfzell eine Zuflucht finden.
Sonntag, 9.30 Uhr:
Unter den Flüchtlingen, die an diesem Sonntag in Radolfzell eintreffen, sind auch Evgeniy, seine Mutter, Großmutter und sein kleiner Bruder.
Am frühen Morgen hatte der Jugendliche im Bus auf Englisch von der Flucht seiner Familie erzählt. Er hat Bilder seiner von russischen Truppen zerstörten Heimatstadt im Osten der Ukraine gezeigt. Vom Vater erzählt, der in der ukrainischen Armee dient. Und vom Schicksal seiner Großmutter, die nun schon zum zweiten Mal in ihrem Leben zum Flüchtling wurde, nachdem sie 1986 ihre Heimatstadt Prypjat nach der Atomkatastrophe von Tschernobyl für immer verlassen musste.
Und Evgeniy stellt die Frage, die viele der Menschen in den Kögel-Bussen umtreibt: ob es ihnen in Deutschland erlaubt sein wird, zu arbeiten.
Evgeniy und seine Familie werden an diesem Vormittag im Milchwerk wie die anderen Flüchtlinge eine warme Mahlzeit, Care-Pakete und Spielzeug für die Kinder erhalten, durch lokale Ärzte medizinisch versorgt und auf Corona getestet, wie OB-Referentin Julia Theile erklärt.
„Jetzt geht es um die Zuteilung der Wohnungen. Die Hilfsbereitschaft ist wirklich groß: Alle können privat untergebracht werden, in Häusern, Ferien- oder Einliegerwohnungen“, so Theile weiter.
Sonntag, 9 Uhr:
Es ist soweit: Die ukrainischen Flüchtlinge und ihre Radolfzeller Helfer sind am Bodensee eingetroffen.
Um kurz vor 9 Uhr biegen die Kögel-Busse auf einen Platz vor dem Radolfzeller Milchwerk ein. Dort wartet bereits ein Empfangskomitee der Stadt auf sie – und die in Radolfzell gebliebenen Freiwilligen, die den Hilfskonvoi mit organisiert hatten.

Sonntag, 7 Uhr:
Um 7 Uhr früh biegen die Kögel-Busse zum letzten Stopp auf eine Raststätte bei Sindelfingen ein. Vier der aus der Ukraine geflohenen Menschen werden hier von Verwandten mit Ulmer Kennzeichen abgeholten.
Für die anderen und ihre Radolfzeller Helfer geht die Fahrt Richtung Bodensee weiter. Voraussichtlich zwischen 8.45 und 9 Uhr werden sie in Radolfzell ankommen.
Samstag, 19.50 Uhr:
Die Nacht ist hereingebrochen. In einem der Radolfzeller Reisebusse unterhalten sich einzelne mit ruhiger Stimme, andere, vor allem Kinder schlafen, ab und an weint eines der Babys.
Fahrer Wolfgang Neumann bereitet derweil das Abendessen vor: Es gibt Gulaschsuppe mit Brot.
Rolf Hauser steuert einen der Kögel-Busse in die Nacht. Wie hat er die vergangenen Tage erlebt, mit welchen Gefühlen fährt er den Bus voller Menschen an den Bodensee? Hausers Eindrücke im Wortlaut:
„Das war natürlich heute brutal, die ganzen Eindrücke vor Ort. Das ganze Chaos.
(…)
Die Gesichter der ankommenden Personen. Lauter Mütter mit Kindern, mit Kleinkindern. Erwachsene, ältere Damen und Herren, die kaum laufen konnten und jetzt wieder in den Krieg rein müssen. Das war ein harter Tag.
Ich bin echt traurig, dass wir nicht alle Personen mitbringen konnten. Wir hatten erwartet, dass es zweimal 40 Leute sind. Einmal für Radolfzell, einmal für Stockach. Aber leider, leider konnten die Menschen für Stockach nicht aus dem Korridor rausgebracht werden. Es war einfach zu gefährlich.
Aber zum Glück konnten wir jetzt anderen Menschen helfen, die wir nach Hause bringen. Sie gehen teilweise nach Stuttgart, andere auch in die Schweiz.
Wir haben einen Haufen Kleinkinder, Babys an Bord. Und mit dabei ist eine Dame, die ist hochschwanger. Sie weiß gar nicht, ob sie unterwegs entbindet. Aber auch das werden wir noch hinbekommen.
Und umso glücklicher sind wir, dass wir jetzt wirklich allen helfen konnten und hoffen, dass die anderen, die Stockacher, es jetzt auch noch rausschaffen – und dass so vielen Menschen wie möglich geholfen werden kann.“

Samstag, 15.50 Uhr:
Auf einer Raststätte vor Krakau legen die Reisebusse nach rund zwei Stunden Fahrt eine erste Pause ein. In einem der Busse sitzt Daniil. Der 17-Jährige ist mit Verwandten und Bekannten aus der Stadt Saporischschja im Süden der Ukraine nach Polen geflohen. Die gleichnamige Oblast, deren Hauptstadt Saporischschja ist, grenzt direkt an die von Beginn des Krieges an umkämpfte Oblast Donezk.
Daniil spricht gebrochen Englisch, aber man kann sich verständigen. Zwei Tage hätten sie gebraucht, um im Zug von ihrer Heimatstadt ins polnische Przemysl zu gelangen, erzählt Daniil. Sein Vater sei zurückgeblieben, genau so wie seine Katze. Vom Tier zeigt Daniil während der Fahrt Fotos – neben solchen aus Chatgruppen auf seinem Handy, die entweder Zerstörungen in ukrainischen Städten zeigen oder von Erfolgen der ukrainischen Armee zeugen.
Ins Gespräch ist man bereits kurz vor der Abfahrt der Busse in Przemysl gekommen. Als Erstes fragt der 17-Jährige, ob es ihm erlaubt sein wird, in Deutschland zu arbeiten. Er habe in der Stahlindustrie einen Job gehabt, bevor sie geflohen seien.
Als man Daniil Fotos von Radolfzell zeigt, der Stadt wo seine Reise und die der anderen hingeht, freut sich der 17-Jährige sichtlich. Kurz darauf betont er aus dem Nichts heraus, dass er, sobald er 18 ist, zurück in die Ukraine wolle, um dort in die Armee einzutreten.
Samstag, 13.45 Uhr:
Kurz nach 13.30 Uhr ist es so weit: Die Kögel-Busse brechen zur Rückfahrt nach Radolfzell auf. An Bord sind insgesamt 42 Menschen, darunter gegen 20 Kinder. Der Rest sind Frauen und einzelne Jugendliche sowie ältere Männer. Manche wollen später weiter in die Schweiz.
Hinzu kommt eine Frau, die mit Wolfgang Preß, einem der Busfahrer, in ihrem eigenen Transporter dem Radolfzeller Konvoi hinterher fährt. Ihre Familie, rund zehn Leute, sitzt derweil im Bus von Wolfgang Neumann.

Zwei Stunden früher wirkte Neumann noch verzweifelt. Er war in der Aufnahmestelle unterwegs, um Flüchtlinge zu finden, die mit nach Radolfzell wollen. „Es ist sehr frustrierend. Ich habe gerade welche getroffen, die gesagt haben, sie erholen sich hier und gehen dann wieder zurück in die Ukraine“, erzählte er, während er sich Tränen aus den Augen wischte. Wie die anderen Helfer nahm ihn das, was er sah, sichtlich mit.
Zudem mussten die Helfer erleben, dass längst nicht alle Flüchtlinge eine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland wünschen, oder wenn sie nach Deutschland wollen, steuern sie eher Berlin oder Leipzig an. Das hatte zuvor bereits der Augsburger Marco Sinischali erzählt, der mit seinem Foodtruck bei der Aufnahmestelle stand: „Wir haben von den meisten Flüchtlingen gehört, dass sie in der Nähe bleiben wollen, nicht zu weit weg von ihrer Heimat.“

Der Plan, mit einem Bus bei der Sammelstelle in Medyka vorbeizufahren, war bereits am Mittag geplatzt. Laut den dortigen Hilfsorganisationen gab es bei ihnen keine Flüchtlinge, die Richtung Radolfzell wollen.
Doch am Ende haben die Radolfzeller Helfer dann doch über 40 Menschen gefunden, die mit an den Bodensee kommen. Rund 1450 Kilometer Fahrweg liegen nun vor ihnen, die Helfer haben dabei mehrere Stopps eingeplant und rechnen mit einer Ankunft in Radolfzell zwischen 8 und 9 Uhr am Sonntagmorgen.
Samstag, 10.30 Uhr:
Christian Lendle gehört zu den Freiwilligen, die immer wieder in die Aufnahmestelle reingehen, um Menschen zu finden, die in einem der Reisebusse mit nach Radolfzell wollen. Im Video erklärt er, wie das abläuft.
Laufend treffen weitere Flüchtlinge in der Aufnahmestelle ein. Vor dem Eingang hat sich gegen 10.30 Uhr zudem eine ganze Traube an Pressevertretern gebildet.
Samstag, 10 Uhr:
Inzwischen ist es kurz vor 10 Uhr: Die Radolfzeller Busfahrer gehen immer wieder in die Aufnahmestelle. In den Raum Nummer zehn, bieten den Menschen an, sie mit nach Radolfzell zu nehmen. Inzwischen sitzen 13 Menschen in einem der Kögel-Busse.

Wie es drinnen in der Aufnahmestelle aussieht, wissen Marco Siniscalchi und Melanie Rudolf aus Augsburg. Sie stehen mit ihrem Foodtruck am Rande des Parkplatzes, bieten gratis Essen an. Sie sind seit drei Tagen hier. „In einem Raum sind zwischen 100 und 300 Leute, auch viele Ältere“, erzählt Melanie Rudolf.
„Die machen das wirklich gut hier“, ergänzt Marco Siniscalchi. Er meint damit unter anderem die Registrierung der Busse und Fahrer, womit nicht nur kontrolliert wird, wer hier seine Dienste anbietet. Auch die Flüchtlinge müssen dadurch nicht befürchten, Kriminellen in die Hände zu fallen. Entsprechende Berichte von Menschenhändlern, die versuchen, die Notlage von Frauen auszunützen, haben die Freiwilligen aus Radolfzell auch von ihrem hiesigen Kontaktmann gehört.
Samstag, 7 Uhr:
Kurz nach 7 Uhr in der Früh brechen die Radolfzeller Freiwilligen im Sprinter und den beiden Reisebussen auf.
Es sind minus 10 Grad, Frost überzieht die Frontscheibe des Sprinters von Stefan Hangarter und Lars Gamper. Die Fahrt führt zurück ins pittoreske Städtchen Przemysl – zu einem großen Parkplatz, umgeben von Einkaufszentren und Supermärkten.
Eines der Einkaufszentren wurde zu einer Aufnahmestelle für Flüchtlinge umfunktioniert. Auf dem Parkplatz warten bereits einige andere Busse sowie Privatautos. „Als wir gestern hier waren, war der Platz voll mit Bussen“, sagt Stefan Hangarter.
Kaum angekommen, steigt gegen 7.15 Uhr bereits eine kleine Gruppe in einen der Busse. Es sind ukrainische Verwandte einer Frau, die die Freiwilligen vor ihrer Abfahrt in Radolfzell angesprochen hatte. Bis Freitag war noch nicht klar, ob sie es rechtzeitig über die Grenze und nach Przemysl schaffen würden. Doch am Samstagmorgen kommt die Nachricht, dass sie in der Stadt angekommen sind.
Während sich ein Teil der Freiwilligen um sie kümmert, gehen die anderen in die Aufnahmestelle, wo sich die Busfahrer registrieren müssen.
Drinnen ist Filmen und Fotografieren untersagt, wie ein polnischer Soldat erklärt. Das Zentrum werde von der Stadt, dem Militär, Feuerwehr und Hilfsorganisationen betrieben, erklärt er.
Hinter einem abgesperrten Bereich, zu dem nur Helfer wie registrierte Busfahrer mit einem Bändel Zutritt erhalten, sind Flüchtlinge untergebracht. In einem der Räume, der einsehbar ist, reiht sich ein Feldbett an das nächste, Frauen und Kinder sitzen dort.
Zu jedem Raum gehört eine Nummer. Für die Freiwilligen aus Radolfzell ist die Nummer zehn entscheidend. Hier sind Menschen untergebracht, die nach Belgien, Holland, Dänemark oder Deutschland wollen.
Gegen 7.45 Uhr strömen auf einmal viele Menschen in die Aufnahmestelle. Es sind vor allem Frauen mit Kindern, Rollkoffer oder Kinderwagen schiebend.
Draußen parken inzwischen auch mehr Busse und Autos – mit Kennzeichen aus ganz Europa. Entlang des Parkplatzes stehen Essens- und Getränkestände. In Stahlkörben brennen Feuer. Menschen wühlen in Kisten und Kleiderhaufen, die sich am Rande des Platzes türmen.
Freitag, 18.30 Uhr:
Der erste Tag in Polen neigt sich für die Freiwilligen dem Ende entgegen. Am Lagerfeuer verarbeiten sie das bisher Erlebte. Morgen früh fahren sie dann zu Flüchtlingsaufnahmestellen und bieten den Menschen dort an, sie mit nach Radolfzell zu nehmen.
Freitag, 17.00 Uhr:
17 Uhr in einem Vorort von Przemysl: Die Helfer aus Radolfzell haben Zeit, um sich etwas zu erholen, bevor sie morgen wieder in den Einsatz gehen. Zwei von ihnen, Stefan Hangarter und Lars Gamper, haben dem SÜDKURIER erzählt, warum sie die Hilfsaktion gestartet haben, wie es dazu kam, dass sie mit zwei Reisebussen nach Polen gefahren sind, und warum die Realität vor Ort anders war, als erwartet.
Alles begann am Fasnachtssonntag:
Wie lief die Organisation im Vorfeld?
Und wie ist die Realität jetzt vor Ort?
Freitag, 12.30 Uhr
Nach fast 20 Stunden Fahrt vom Bodensee an die polnisch-ukrainische Grenze und dem Abladen der Hilfsgüter kommen die Freiwilligen aus Radolfzell kurz vor 12 Uhr in ihrer Unterkunft an: Ein kleines Hotel, rund zehn Kilometer außerhalb von Przemysl.
Hier können sie sich erstmal ausruhen, bevor es morgen früh für einen der Reisebusse zurück nach Medyka und für den anderen zu einer anderen Flüchtlingsaufnahmestelle in Przemysl geht.
Wie viele Menschen am Ende mit nach Radolfzell kommen, ist derzeit noch unklar, wie Stefan Hangarter erklärt: „Die Leute entscheiden sich vor Ort, in welchen Bus sie einsteigen wollen. Und das Angebot ist riesig, wir haben Busse aus der Schweiz, Schweden und vielen anderen Ländern gesehen.“
Freitag, 10.30 Uhr
Kurz nach 8.30 Uhr geht es auf den Hof einer Schule. Direkt gegenüber befindet sich ein kleiner See. Das Dörfchen Medyka wirkt idyllisch.
Auf dem Gelände der Schule stehen neben polnischen Autos und Transportern solche mit deutschen und Schweizer Kennzeichen. Auch ein Laster der Radolfzeller Getränkefirma Schlör, der ebenfalls zum Hilfskonvoi gehört und vorausgefahren war, ist darunter.
Auf Paletten und in einem Zelt stapeln sich Kisten – vor einer Turnhalle, die prall gefüllt ist mit Hilfsgütern. „Ein Teil der Schule wurde zu einem Flüchtlingslager umfunktioniert, während in einem anderen der Schulbetrieb normal weitergeht“, erklärt Stefan Hangarter die Nutzung der anderen Gebäude auf dem Gelände. Das habe ihnen ihr polnischer Kontaktmann erklärt. Helfer vor Ort bestätigen das.

Stefan Hangarter ist mit dem Sprinter bereits um 6 Uhr auf dem Gelände eingetroffen, um Hilfsgüter abzuladen. Er konnte einen Blick ins Innere des Aufnahmelagers werfen, in dem Fotografieren verboten ist. „In einer riesengroßen Halle stehen mehrere Reihen mit jeweils vier Betten dicht beieinander. Alles ist voll mit Frauen und Kindern, dazwischen Hunde“, schildert er.
Viel Zeit zum Reden bleibt nicht, denn es geht ans Ausladen der beiden Reisebusse, auch für Hangarter und den SÜDKURIER-Reporter.
Die Freiwilligen aus Radolfzell arbeiten dabei Hand in Hand mit polnischen Feuerwehrleuten.
Kurz nach 10 Uhr sind die Busse ausgeräumt. „Ein Teil wird benutzt, um die Leute vor Ort zu versorgen, der Rest wird von Hilfsorganisationen direkt ins Kriegsgebiet gebracht“, erklärt Hangarter.
Freitag, 8.43 Uhr
Nach fast 20 Stunden Fahrt kommen die Busse in Medyka an.
Freitag, 8.30 Uhr
Das ursprüngliche Ziel Przemysl ist passiert. Der Bus nähert sich Medyka, wo die Hilfsgüter bei einem Auffanglager für Flüchtlinge abgeladen werden sollen, wie einer der Fahrer des Sprinters per Telefon erzählt. Der Sprinter war wie der Laster bereits rund zwei Stunden früher in Medyka eingetroffen.
Das Dorf an der ukrainischen Grenze ist kurz nach 8.30 Uhr nur noch neun Kilometer entfernt. Je näher man der Grenze kommt, desto mehr Fahrzeuge von Militär und Polizei sind zu sehen.
Freitag, 6.30 Uhr
Kurz vor 6 Uhr steuern die beiden Kögel-Busse eine Raststätte rund 100 Kilometer nordöstlich von Krakau an. Um 23 Uhr hatte der Hilfskonvoi die Grenze zu Polen passiert. Bisher verläuft alles nach Plan. Einzig kurz vor Breslau standen die Busse rund eine Stunde im Stau. In einem der Busse sitzt nach drei Fahrerwechseln wieder Wiktor Bukowski am Steuer. „Das ist Übung. Auch wenn wir in letzter Zeit wenig Übung hatten“, sagt Bukowski auf die Frage, wie man das aushält, das stundenlange Fahren durch die Nacht, unterbrochen von Schlafpausen auf dem Beifahrersitz.
Nach einem kurzen Frühstück auf der Raststätte geht es für ihn und die anderen kurz vor 6.30 Uhr auch schon wieder weiter. Inzwischen hat sich der Zielort, wo die Hilfsgüter abgeladen werden sollen, geändert: Neu geht es nach Medyka, einem Dorf in direkter Nähe zur ukrainischen Grenze, rund zehn Kilometer von Przemysl entfernt.
Um 6.30 Uhr ist das Ziel noch rund 160 Kilometer entfernt, voraussichtliche Ankunftszeit: 8.30 Uhr.
Donnerstag, 20.30 Uhr
Kurz nach 19.30 Uhr biegt der Reisebus auf einen Autohof hinter Bayreuth ein.
Hier wartet Wiktor Bukowski, der in der Nähe wohnt. Er ist ebenfalls Fahrer bei Kögel und übernimmt jetzt die nächste Schicht am Lenker für rund drei Stunden.
Als sein Chef über WhatsApp nach Fahrern für den Konvoi suchte, habe er sich gleich gemeldet, erzählt der gebürtige Pole: „Wenn man hört und sieht, was die Leute dort erlebt haben, ist klar, dass man das ehrenamtlich macht.“
Den Zielort der Fahrt, Przemysl, kenne er selbst nicht, sagt Bukowksi: „Aber die Stadt ist sehr überlastet, denn viele Flüchtlinge aus der Ukraine kommen dort hin.“
Während Bukowski erzählt und fährt, fallen anderen im Bus schon die Augen zu. Es ist jetzt kurz nach 20.30 Uhr, das Navi zeigt an, dass Przemysl jetzt noch 883 Kilometer entfernt ist.
Donnerstag, 16.30 Uhr
Vor rund einer halben Stunde war Fahrerwechsel nach einer kurzen Rast auf Höhe Heilbronn.

Wolfgang Preß hat das Steuer übernommen. Für den Fahrlehrer, der im Nebenjob als Reisebusfahrer bei Kögel arbeitet, war sofort klar, dass er bei der Hilfsaktion mit macht.
„Wenn man die Bilder im Fernsehen sieht, kann man nicht einfach nur zugucken“, sagt der gebürtige Rheinländer.
Bisher geht es weitestgehend staufrei voran. Die Entscheidung der Freiwilligen, früher loszufahren, hat sich offensichtlich gelohnt.
Donnerstag, 13 Uhr
Ursprünglich war geplant, dass die Fahrt nach Polen am Donnerstagabend ab dem Betriebshof des Unternehmens Kögel startet. Doch die Helfer haben sich am Mittwochabend kurzfristig umentschieden: Deutlich früher, um kurz nach 13 Uhr geht es los für die fünf Fahrer und zwei Begleitpersonen in den beiden Reisebussen.
Ein Sprinter und ein Laster, ebenfalls mit Hilfsgütern vollgeladen, sind bereits vorgefahren. Rund 1450 Kilometer und 20 Stunden Fahrt inklusive Ruhestopps liegen jetzt vor ihnen.
Zu den Fahrern, die die erste Schicht übernehmen, gehört Anna Kögel. Ist sie aufgeregt, jetzt, wo es endlich los geht Richtung Polen? „Jetzt steht grad das Fahren im Vordergrund, ich versuche mich darauf zu konzentrieren“, sagt die 25-Jährige und lacht. Ende letzten Jahres erst hat sie den Busführerschein gemacht.
Verabschiedet wurden die Freiwilligen zuvor vom Radolfzeller Oberbürgermeister Simon Gröger. Der SÜDKURIER hat vor Reisestart bei der Verwaltung nachgefragt, wie sich die Stadt am Bodensee auf die Ankunft und Unterbringung von rund 100 ukrainischen Flüchtlingen vorbereitet.