Dutzende von Anträgen, buchdicke Sicherheits- und Veranstaltungskonzepte, teure Rechnungen für Anwälte, Einsatzkräfte, Beschilderungen und Straßensperrungen – die Narren und Zünfte im Land leiden seit Jahren unter der ausufernden Bürokratie für die Fasnachtsveranstaltungen.
Trotz eines runden Tischs, bei dem seit 2017 die Beteiligten aller Ebenen aus Land, Kommunen, Polizei und Feuerwehr und Veranstaltern regelmäßig zusammenkommen – zuletzt Ende Oktober 2023 – beklagen die Veranstalter, dass es immer schlimmer werde. Und das, obwohl der grüne Regierungschef Winfried Kretschmann, selbst seit Urzeiten aktiver Narr, den Kampf gegen Bürokratie zur Chefsache erklärt hat.
Narrenzünfte kommen an ihre Grenzen
Der Rottweiler FDP-Landtagsabgeordnete Daniel Karreis will nun die Landesregierung per Landtagsanfrage zu einer Erklärung zwingen, warum sich nichts tut. „Die schwäbisch-alemannische Fastnacht ist seit 2014 immaterielles Weltkulturerbe. Der Auswuchs an gesetzlichen Regeln und Bestimmungen sowie die restriktive Auslegung dieser durch Genehmigungsbehörden gefährdet jedoch zunehmend die Durchführung der Brauchtumsveranstaltungen“, schreibt Karreis in seiner Anfrage von Ende Januar, die dem SÜDKURIER vorliegt.
„Wenn Narrenzünfte 120-seitige Sicherheitskonzepte erstellen müssen, kommen sie im Ehrenamt personell und zeitlich schnell an ihre Grenzen. Diese angstgetriebene Überregulierung ist für mich unbegreiflich, da es sich oftmals um wiederkehrende Veranstaltungen gleicher Art und gleichen Umfangs handelt“, so der Politiker.

Einer von denen, die hier an ihre Grenzen kommen, ist Manuel Häring, Zunftmeister der Waldmössinger Narrenzunft. Bürokratiemäßig habe sich trotz des runden Tischs nichts verbessert, sagt er, im Gegenteil. „Es ist unglaublich, was wir alles machen müssen. Es nimmt kein Ende.“ Der 44-Jährige ist bei den Narren schon seit jungen Jahren aktiv, seit 2010 ist er im Vorstand seiner Zunft. „Aber gefühlt sind 100 Prozent der ganzen Verordnungen und Vorschriften erst in den letzten sieben, acht Jahren entstanden.“
Die Waldmössinger Narrenzunft sei 2023 Gastgeber für das 30. Ringtreffen des Narrenrings Oberer Neckar gewesen, mit Festzelt und großem Umzug. „20 Anträge, davon sieben behördlich, habe ich locker dafür geschrieben“, sagt Häring, „und den Großteil des Inputs für das 113-seitige Sicherheitskonzept mit 46 Anlagen gegeben.“
Früher sei das anders gewesen, sagt er. „Wir haben diese Dinge seit Jahrzehnten gemacht, zusammen mit Sicherheitsdienst, Sanitätsdienst, Feuerwehr und Polizei die Konzepte erstellt. Dann kam 2010 Duisburg, dann war alles anders.“
Seitdem machen Häring und andere Ehrenamtliche landauf, landab die gleiche Erfahrung: „Die Zuständigen in den Kommunen scheuen sich, die Verantwortung für die Genehmigungen zu übernehmen. Sie verweisen an Anwaltskanzleien, die sich mit Event-Recht befassen. Von denen bekommen wir im Detail die Vorgaben. Dutzende oder Hunderte von Seiten“, so der Waldmössinger Zunftmeister.
Zwar könnten die Behörden die Zünfte nicht zwingen, mit den Kanzleien zusammenzuarbeiten. „Aber dann gibt es eben keine Genehmigung“, sagt Häring. Was er sich wünscht: „Wir brauchen einen groben Rahmen, an den sich alle halten. Und das andere wird vor Ort entschieden. Narrentreffen haben alle ihre eigenen Dynamiken, das kann man nicht alles einzeln regeln.“
„Es handelt sich um ein Abschieben der Verantwortung von den staatlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden auf den Veranstalter.“Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte
Auch Roland Wehrle, Präsident der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), kann all die von Häring angeführten Punkte bestätigen. Schon 2018 formulierte das Arbeitspapier „Behinderungen im Ehrenamt“ der VSAN detailliert die einzelnen Kritikpunkte. „Gesetze, Gestattungen, Genehmigungen, Erlasse, Verordnungen und Anordnungen sowie Regeln werden oftmals sehr restriktiv ausgelegt und sind mit hohen Kosten verbunden“, hieß es damals. Und: „Es handelt sich um ein Abschieben der Verantwortung von den staatlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden auf den Veranstalter.“
Seitdem wurden einzelne Schritte gemacht – aber wesentliche Forderungen, die vor allem den kleineren Veranstaltern das Leben erleichtern würden, stehen noch immer ungeklärt auf der Wunschliste: etwa langfristige Genehmigungen, haftungsrechtliche Absicherungen nach bayerischem Vorbild mit Haftpflicht- und Ehrenamtsversicherung, eine bessere Kultur- und Vereinsförderung, eine Gema-Vereinbarung oder veränderte Befugnisse des Polizeivollzugsdienstes.
„Die Politik hat uns schon lange Unterstützung signalisiert“, sagt Wehrle. „Sie muss aber endlich in den eigenen Häusern schauen, was möglich ist. Der Widerstand sitzt in der Ministerialbürokratie, da gibt es zu viele Bedenkenträger. Bei den Veranstaltern und Narren ist der Frust groß. Aber das betrifft ja nicht nur die Narren, sondern überhaupt alle Veranstalter.“

Die zuletzt noch keimende Hoffnung, dass es schon zur Fasnacht 2024 einfacher werden könnte, hat Wehrle inzwischen begraben: Auf das für Ende Januar zugesagte Merkblatt von Verkehrs- und Innenministerium mit Rahmenregelungen und konkreten Vorschlägen warteten die Narren landauf- landab noch immer.
Jetzt hoffen sie darauf, das Merkblatt – wenn es schon zu spät für die diesjährige Fasnacht kommt – doch wenigstens als Basis für den nächsten runden Tisch im Frühjahr zu nehmen. „Um zu schauen, was gut gelaufen ist und wo nachgebessert werden kann“, so Wehrle. Und eine hundertprozentige Sicherheit, sagt er, könne ohnehin keine noch so dicke Verordnung und kein noch so teures Sicherheitskonzept gewährleisten.