Karneval oder Fasnacht? Oder doch Fasching? Was ist nun richtig und woher kommen die Begriffe überhaupt? Die Fasnacht kann mit ihren vielen Fachbegriffen, Regeln und unzähligen Terminen verwirren. Besonders für Neulinge, die sich mit der Fasnacht, die hierzulande gefeiert wird, nicht auskennen, dürfte es anfangs schwierig sein, sich auf den ganzen Tumult zwischen Narrenrufen und Fasnachtssitzungen einzulassen.

Wie man leichter Zugang zur Narretei bekommt und worauf man achten muss, um in kein Fasnacht-Fettnäpfchen zu treten, diese Fragen kann in Radolfzell Martin Schäuble beantworten. Der langjährige Zunftpräsident der Narrizella Ratoldi ist Experte, wenn es rund um das Brauchtum und Vereinsfasnacht geht. Und das nehmen die Narren sehr ernst.

Tradition und Brauchtum

Denn an Fasnacht geht es nicht ausschließlich um Spaß und Freude. Dahinter stecken Jahrzehnte und Jahrhunderte der Tradition und des Brauchtums, das die Narren seit jeher pflegen. Dieser Umstand zeigt sich auch darin, dass die Fasnacht seit 2014 immaterielles Unesco-Kulturerbe ist. Umzüge, Verkleidungen, Narrenrufe – all das gehört dazu. Die Fasnacht ist ein Zeitraum für sich. Wenig verwunderlich also, dass die Narren sie als „Fünfte Jahreszeit“ bezeichnen.

Martin Schäuble ist der Zunftpräsident der Narrizella Ratoldi.
Martin Schäuble ist der Zunftpräsident der Narrizella Ratoldi. | Bild: Eugenio Marino

Apropos Zeit: Auch wenn die Fasnacht in Radolfzell traditionell durch die Weibsbilder am 11. November eingeläutet und am 6. Januar beim Männer-Frühschoppen offiziell eröffnet wird, so dauert sie nicht immer gleich lang. Die Dauer ist von Ostern abhängig: Der Ostersonntag fällt stets auf den ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühlingsanfang. Vor Ostern liegt die Fastenzeit – und die beginnt am Aschermittwoch und beendet damit die Fasnacht.

Was Neulinge beachten sollten

Doch wie können Neuling durch diese Zeit gehen? „Wichtig ist, offen zu sein, und das, was erst einmal befremdlich erscheinen kann, auf sich wirken zu lassen. Einfach über den eigenen Schatten springen und bereit sein, den sogenannten Blödsinn, das Närrische, mitzumachen“, sagt Schäuble. Dann könne jeder entscheiden, ob es ihm Spaß macht oder ob er oder sie es lieber sein lässt.

Jürgen Koterzyna ist Narrenrichter des Stockacher Narrengerichts.
Jürgen Koterzyna ist Narrenrichter des Stockacher Narrengerichts. | Bild: Löffler, Ramona

Das sieht auch Jürgen Koterzyna so. Der Richter und Vorsitzende des Stockacher Narrengerichts hat an Neulinge einen klaren Appell: „Mitmachen! Wenn etwas angeboten wird, wenn Veranstaltungen sind, einfach mitmachen. Häs anziehen und in das Ganze mal eintauchen.“ Aber kostet das nicht Überwindung? „Wenn ja, reicht es einfach, sich zu den Beteiligten zu setzen, mit ihnen zu reden und alles auf sich wirken zu lassen“, fügt Koterzyna hinzu.

„Wenn man mit den Narren schwätzt, etwas trinkt und sich einfach mal auf das Geschehen einlässt, dann geht der Rest von ganz allein“, so Koterzyna. Der Spaß an der Fasnacht fasziniere alle Narren, das gelte somit auch für Neulinge.

Die Stockacher sind es gewohnt, jedes Jahr auch viele Neulinge bei der Fasnacht zu begrüßen: Das Hohe Grobgünstige Narrengericht zu Stocken ist weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und lockt mit einem prominenten Beklagten wie in diesem Jahr Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auch das Fernsehen in die Stadt.

Das könnte Sie auch interessieren

Nichts muss, aber alles darf sein

Auch Schäuble gibt den Tipp, offen für Neues zu sein: „Kleppern, verkleiden, auf die Musik achten. Ich empfehle auch, das Gespräch mit langjährigen Narren zu suchen, die kennen sich gut aus.“ Narren seien verständnisvoll, so der Zunftmeister. Kein Narr erwarte, dass ein Neuling sofort jeden Narrenruf – also Gruß und Erkennungszeichen der Narren – auswendig kenne. Das seien schließlich auch sehr viele, die sich von Region zu Region und teils von Ort zu Ort unterscheiden.

Das könnte Sie auch interessieren

So unterschiedlich wie die Narrenrufe seien auch die Zünfte selbst. Denn die schwäbisch-alemannische Fastnacht sei mit dem rheinländischen Karneval nur schwer vergleichbar – auch darüber seien sich Neulinge oft nicht bewusst.

Fasnacht oder Karneval?

Der größte Unterschied seien bereits die verschiedenen Begriffe. Während im Süden vorwiegend Fastnacht, Fasnacht oder Fasnet geläufig ist, beziehen sich Karneval oder Fasching auf den Norden und Westen. Das habe vor allem historische Gründe. Doch auch die Art des Feierns unterscheidet sich in den einzelnen Regionen, erklärt Schäuble.

Im Süden geht man auf die Gass‘

„Die Kölner und auch die Mainzer verbringen viel Zeit auf Sitzungen in ihren Sälen. Hier im Süden gehen wir eher raus auf die Straße, bei Wind und Wetter“, so der Zunftpräsident. Generell sei vor allem die Art des eigenen Repräsentierens anders. So hätten beispielsweise Tanzgarden im Rheinland eine viel größere Bedeutung als am Bodensee. Auf der anderen Seite seien Holzhauer und Fanfarenzüge im Süden öfter zu sehen als am Rheinufer, denn die Guggenmusik ist etwas sehr Typisches für den alemannischen Raum.

„Diese und weitere Figuren sind auch in unserer Zunft zu sehen“, so Schäuble. Seine Narrizella Ratoldi sei für ihn deshalb besonders, da sie das ganze Jahr über aktiv sei, so auch am Oktober- oder Schlachtfest. Und das Zunfthaus sei jederzeit für jeden zugänglich. Auch Geburtstage könne man dort feiern oder gar heiraten. „Wir sind immer präsent und dadurch kulturfördernd und kulturschaffend“, betont der Zunftpräsident.

Traditionelle Häser schmücken den Eingangsbereich des Zunfthauses der Narizella Ratoldi.
Traditionelle Häser schmücken den Eingangsbereich des Zunfthauses der Narizella Ratoldi. | Bild: Eugenio Marino

Ohne Zunft die Fastnacht genießen

Eine Stadt wie Radolfzell biete sich bestens für die Fastnacht an, ist sich Martin Schäuble sicher. Der Umgang sei sehr familiär, jeder kenne jeden. Doch kann man auch Spaß an der Fasnacht haben, ohne Mitglied einer Zunft zu sein? Das sei möglich, so Schäuble. Früher habe es viele freie Gruppen von Narren gegeben. Sie seien an keine Vorgaben und Termine durch die Zunft selbst gebunden, müssen daher allerdings ihre Treffen selbst organisieren. Das persönliche Engagement sei dabei entscheidend, sagt Schäuble. Allerdings bestehe keine Notwendigkeit für eine Mitgliedschaft in einer Zunft, um beim Hemdglonker mitzulaufen oder bei anderen Anlässen mit dabei zu sein.

Ein Geheimtipp für Neulinge

Und der Zunftpräsident hat noch einen Geheimtipp für alle Fastnachts-Neulinge: „Es ist sehr wichtig, auch mal eine Pause einzulegen. Die Feiern, die Musik und die Umzüge können für Neulinge sehr anstrengend sein. Eine Pause tut da mal ganz gut.“ Dann, so Schäuble, habe selbst ein Anfänger, der den Tumult noch gar nicht gewohnt ist, wieder genügend Kräfte für die nächsten Sitzungen, Feiern und Umzüge.