Es ist weit mehr als ein Narrenspiegel gewesen, was die Böhringer Bengelschiesser, weitere Vereinsgruppen und ein besonders begeisterungsfähiges Publikum auf die Beine gestellt haben. Böhringen präsentierte an diesem Abend seine Talente, seine mal anrührenden, mal schmerzenden, mal aufmüpfigen Themen und eine ansteckende Feierlaune. Neben dem abwechslungsreichen Programm mag die Weltlage dazu beigetragen haben, dass das Böhringer Publikum allen Sorgen zum Trotz am Samstagabend besonders ausgelassen war. Dies schreiben die Veranstalter der Bengelschiesser in einer Pressemitteilung.

Zum ersten Mal seit 2016 bezeichnen die Bengelschiesser ihre wichtigste Veranstaltung wieder als „Narrenspiegel“. Die Zunft erhebt damit den Anspruch, wie früher das politische und das menschlich-allzu-menschliche Dorfgeschehen den politisch Verantwortlichen und der Bevölkerung kritisch und auf anspruchsvolle Weise widerzuspiegeln. Mit vier Sprechnummern, umrahmt von Tänzen und Blasmusik, ist dieser Wiedereinstieg in den Narrenspiegel bestens gelungen. Die Leitung der Vorbereitungen und des Abends hatten Ute und Kim Wiegand sowie Thomas Giesinger.

Dorftratsch und Tanz

„Uff de Milchstrooß wird heut gefeiert, bis das ganze Universum eiert“ hieß das Motto der Böhringer Fasnet 2025. Im Publikum saßen Astronauten, Stormtrooper, Aliens mit fluoreszierenden Leuchtstäben und elfenartige Wesen von anderen Sternen. Besonders gut vertreten waren die örtlichen Vereine, allesamt im Weltraum-Kostüm. Und auch außergewöhnlich viele ehemalige Mitwirkende des Böhringer Narrenspiegels saßen im Publikum. Die Lustigen Hannoken aus Radolfzell umrahmten den Abend musikalisch und boten beste Unterhaltung.

Den Auftakt des Narrenspiegels bildete der vom Narrensamen vorgetragene Dorftratsch. Die Kinder des Vereins entstiegen einem Ufo, verkleidet als bekannte Weltraum-Figuren von Alf bis Yoda. Die kleinen Missgeschicke, etwa die vergessene Zapfanlage und damit ein bierfreies, nur eingeschränkt vergnügliches Hüttenwochenende der Böhringer Dorfband Brazzers, kamen beim Publikum überaus gut an. Zweimal begeisterten Tanzgruppen des Böhringer Turnvereins TuS unterschiedlichen Alters auf der Bühne. Die Motions und die Synergys konnten der Bevölkerung ausgiebig zeigen, was sie können. Das Publikum forderte begeistert Zugaben.

Die Sprechnummer „nur geträumt“ trugen Kim Wiegand, Nico Winter und Leonie Jahn vor. Sie wollten mit einer Zeitmaschine ins Jahr 1974 reisen, um die Zwangs-Eingemeindung Böhringens nach Radolfzell zu verhindern, landeten aber versehentlich im Jahr 2074. Die Zeitreisenden stellten verblüfft fest, dass Böhringen inzwischen Stadt und Hauptort, Radolfzell zum Ortsteil geworden war. Monika Laule, seit Jahren Stammgast bei den Bengelschießern, präsentierten sie als Oberbürgermeisterin von Böhringen, in einem neuen Rathaus-Turm, der höher als das Radolfzeller Münster ist. Das Gewerbegebiet Blue Rado und die neue Böhringer Dorfmitte mit Stadtgemeinschaftshaus konnten schon vor 2030 schnell gebaut werden, nachdem endlich Fachleute aus Böhringen die Planungen in die Hand genommen hatten.

Vorhersage erfüllt sich

Die Fasnachtsmusik des Böhringer Musikvereins unter der Leitung von Markus Schellinger wuchs an diesem Abend über sich hinaus. Fast 50 Musikerinnen und Musiker spielten in hoher Qualität und mit ansteckender Fröhlichkeit mitreißende Hits wie „Wackelkontakt“ oder „Sweet Caroline“. Das Publikum in der Mehrzweckhalle tobte. Eine Premiere hatten Matze Neumair und Nico Winter als politische Büttenredner. Ihr Auftritt wurde zum großartigen Vergnügen mit Tiefgang. Sowohl US-Präsident Donald Trump als auch die deutschen Parteien bekamen eine nach der anderen ihr Fett weg. Wohlwollend war dafür aber der Umgang mit dem ebenfalls anwesenden neuen Böhringer Ortsvorsteher Jürgen Keck. Seine Wahl hatten die Bengelschiesser beim Närrischen Samstagabend 2024 auf der Bühne vorhergesagt. Die Narren lobten Kecks Eifer und wünschten ihm ein gutes Händchen für sein Amt.

Als Gäste und als Augenschmaus, vor allem für das weibliche Publikum, waren erneut die Mitglieder der Männer-Tanzgruppe Möggingen angereist. Wer ein dickbäuchiges Männerballett erwartet hatte, lag falsch: Die fidelen, als Feuerwehrmänner mal mehr, mal weniger bekleideten Waschbrettbauch-Männer vom Mindelsee begeisterten mit zwei hochklassigen Tänzen auf Pophits.

In der Schlussnummer besuchten Aliens die Erde – und landeten ausgerechnet in der Böhringer Mehrzweckhalle. Kim und Ute Wiegand als außerirdische Sängerinnen sowie Thomas Giesinger als künstliche Intelligenz und an der Gitarre erarbeiteten sich mit großartig vorgetragenen Liedern das Verständnis für das rätselhafte, irdische Phänomen „Fasnet“. Beim Abschlusslied „Steht auf, wenn Ihr Narren seid“ zur Melodie von „Go West“ stimmten zunächst alle Mitwirkenden, dann der ganze Saal und die Hannoken stehend mit ein.

Abschied auf der Bühne

Einen emotionalen Abschied gab es beim Narrenspiegel auch: Seit 2017 hatte Thomas Giesinger aus dem Leitungsteam des Narrenspiegels das Publikum mit seiner Begrüßungsrede auf den Abend eingestimmt. Er kündigte an, dass es 2025 das letzte Mal war.

Dem Publikum rief er zu, sich den Termin des Narrenspiegels am 14. Februar 2026 vorzumerken, schon um zu sehen, welche jüngere Person statt ihm den Abend eröffnen wird. Die Abschiedsworte und Klänge der Mitwirkenden des Narrenspiegels, des Vereins (Giesinger: „Die beste Zunft von allen“), des Publikums und der Hannoken rührten den „Zugezogenen“ Thomas Giesinger sichtlich.