Gerade einmal 150 Teilnehmer hatten die Organisatoren bei der Stadtverwaltung angemeldet, rund 14.000 laut Polizei und bis zu 20.000 nach Angaben der Veranstalter sind es am Ende gewesen! Bei stürmischem Wind und später auch ergiebigem Regen hat Konstanz am Mittwochabend, 24. Januar, ein herzerwärmendes Zeichen gegen Rechtsextremismus und Rassismus gesetzt.
Dem Aufruf von mehr als 40 Parteien, Organisationen, Vereinen, Gruppen und Religionsgemeinschaften folgten damit rein rechnerisch etwa ein Sechstel aller Einwohner der Stadt. Das ist ungefähr die Dimension der Kundgebung im 1,5 Millionen Einwohner zählenden München, an der am vergangenen Sonntag bis zu 250.000 Menschen teilgenommen hatten und die wegen Überfüllung der Veranstaltungsplatzes abgebrochen werden musste.
Ganz so weit kam es in Konstanz zwar nicht, zahlreiche Teilnehmer, die am Herosé-Park losdemonstriert waren, schafften es aber schließlich nicht zur Kundgebung auf den Münsterplatz und in die benachbarten Gassen. Nach etwa 7000 bis 8000 Menschen war dort Schluss, der Rest wurde aus Sicherheitsgründen nicht mehr in den Bereich gelassen. „Wir sind überwältigt von der schieren Zahl der Menschen, die gekommen sind, um zu zeigen: In Konstanz ist kein Millimeter Platz für Rechtsextremismus“, sagte Organisatorin Rosa Buss vom Ortsverband der Grünen.
Vom Theater bis zur Fahrradbrücke reichte der Zug
Der Demonstrationszug hatte über die Spanierstraße und die Alte Rheinbrücke sowie die Gymnasiumsgasse zum Münsterplatz geführt. Als die Ersten schon fast da waren, waren die Letzten noch gar nicht im Bereich Herosé/Fahrradbrücke losgelaufen. Der Verkehr kam teilweise zum Erliegen.

Trotz der ungeplanten Zwangspause grüßten immer wieder wartende Autofahrer die Demonstranten aus ihren Fahrzeugen heraus mit Bravorufen und erhobenem Daumen. Die Teilnehmer trugen Plakate mit Aufschriften wie „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Lieber kunterbunt statt kackbraun“, „Braune Soße nur auf Spätzle!“ oder „AfD-Verbot Jetzt!“. Sie skandierten „Ganz Konstanz hasst die AfD“ und „Gegen den Faschismus – Alle zusammen!“
Auch Oberbürgermeister Uli Burchardt war trotz des gleichzeitigen Neujahrsempfangs der Industrie- und Handelskammer (IHK) bei der Demonstration dabei – zumindest zu Beginn der Veranstaltung. „Ich teile mich auf, so wie immer“, sagte er. „Und so wie schon die IHK gesagt hat: Beide Veranstaltungen haben die gleiche Botschaft.“
Auf dem Münsterplatz fiel dann während der emotionalen, wegen des schnell durchgeweichten Manuskripts aber nicht ganz einfach zu haltenden Rede von David Tchakoura, Leiter der Stabsstelle Konstanz International, kurzzeitig der Strom aus. Liedermacher Barconara (Damiano Iacopini) mit der Gitarre und Saxophonist Patrick Pfleiderer sprangen auf die kleine Bühne und spielten „Bella Ciao“, um die Zwangspause zu überbrücken.
Als es weitergehen konnte, betonte Tchakoura, dass eine Demonstration wie diese nur der Anfang sein könne. Es gelte, den Alltagsrassismus zu bekämpfen. Das fange an beim Racial profiling (damit sind zum Beispiel verstärkte Kontrollen fremdländisch aussehender Menschen durch die Polizei gemeint) und gehe weiter mit Diskriminierung bei der Arbeitssuche und auf dem Wohnungsmarkt. Menschen mit Migrationsgeschichte müssten in allen Schichten der Gesellschaft sichtbar werden, nicht nur auf Baustellen, in Pflegeheimen oder in Gaststätten.
Karin Becker, Kristina Lotta Kahlert und Patrick O. Beck vom Theater Konstanz verlasen die „Rede der Gesellschaft“ – Stellungnahmen zahlreicher Vereine und Initiativen, die sie extra dafür eingesandt hatten. Auch Privatmann Fritz Schlienz aus Radolfzell hatte sich bei Karin Becker gemeldet und kam über sie zu Wort. „Willst du Frieden, lass Nazis links liegen!“ rief sie die Worte des Radolfzellers unter dem Jubel der Zuschauer in den Abend.

Was die Gesellschaft zu sagen hatte (eine Auswahl)
Bei Barconaras zweitem – dem geplanten – Auftritt aktivierten Hunderte Menschen ihre Handy-Taschenlampen und verwandelten den Münsterplatz zu den Klängen von „All you need is love“ in ein wogendes Lichtermeer. Edris Talash, ein geflüchteter junger Mann aus Afghanistan, der spontan das Wort ergriff, bedankte sich bei den Demonstranten für ihr Engagement. Das Künstlerkollektiv der Universität trug ein Gedicht vor, in dem es um Alternativen ging, die alles noch viel schlimmer machen. Und schließlich ließen etwa 200 Menschen die Kundgebung im Münster bei einem Gebet für Frieden und Zusammenhalt ausklingen.