Frau Buss, Frau Kreitmeier, mit der Kundgebung am Mittwoch wollen Sie zusammen mit vielen Menschen ein klares Zeichen gegen Rechts setzen. Aber ist die Demo vielleicht auch ein Zeichen dafür, dass wir sonst nicht so genau wissen, was gegen einen Rechtsruck unseres Landes unternehmen soll?

Rosa Buss: Eine Demonstration ist eine der stärksten Waffen, die wir haben, um gegen Rechtsextremismus ein Zeichen zu setzen. Gerade die schiere Menge an Menschen, die seit zwei Wochen auf der Straße sind, zeigt, dass wir in Deutschland viele Menschen haben, die progressiv sind und sich dem Rechtextremismus entgegenstellen wollen. Die Demonstration zeigt diesen Menschen: Ihr seid nicht alleine, Ihr seid nicht hilflos.

In wieweit hat rechtes Gedankengut schon die Mitte der Gesellschaft erreicht, was braucht es mehr, als demonstrieren zu gehen?

Lisa Kreitmeier: Wir dürfen den rechten Argumentationen auf keinen Fall entgegenkommen oder ihnen den Diskurs überlassen. Wir dürfen nicht mit den Rechten zusammenarbeiten, und unsere Aufgabe als Demokratinnen ist, Vertrauen zurückzugewinnen. Und dazu trägt eine Demo bei, denn sie zeigt, was bei uns keinen Platz hat.

Gerade die Grünen haben das Ereignis morgen in hohen Maß zur „Demo gegen die AfD“ gemacht und damit städtische Akteure und Einrichtungen, die gesetzlich zur Neutralität verpflichtet sind, in die Zwickmühle gebracht. War es nötig, die AfD damit auch so groß zu machen?

Rosa Buss: Ich glaube nicht, dass wir damit die AfD groß machen. Und wir haben den Titel der Demo ja nochmals geändert zu „Konstanz gegen Rechtsextremismus“, damit auch zur Neutralität verpflichtete Institutionen mitmachen können. Und wir schließen in den Protest auch andere rechtsextreme Akteure, nicht nur die AfD. Wir haben unterschiedliche Meinungen innerhalb der demokratischen Parteien, aber gerade jetzt müssen wir zeigen, dass wir alle zusammen stehen.

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Wie muss es nach der Demo weitergehen?

Lisa Kreitmeier: Es ist wichtig, dass wir weiter Gesicht und klare Kante gegen Rechtextremismus zeigen. Demonstrationen sind ein Mittel. Aber wir müssen da auch auf allen möglichen Ebenen, in jedem Gespräch und auf allen sozialen Medien klare Grenzen zeigen. Und wir werden weiterhin nicht mit der AfD und anderen Rechtsextremen zusammenarbeiten, weder auf kommunaler Ebene hier bei uns in Konstanz noch im Land, im Bund oder in Europa.

Mit „wir“ meinen Sie jetzt die Grünen?

Lisa Kreitmeier: Mit wir meinen wir die demokratischen Parteien.

Können Sie diese Position für all diese Parteien vertreten? Und sind Sie sich sicher, dass diese Position zu halten ist, wenn die AfD in mehreren Bundesländern stärkste Kraft werden sollte?

Rosa Buss: Ich denke, dass sich alle Parteien dazu in den letzten Tagen klar geäußert haben. Unsere Demokratie bleibt bestehen, wenn wir diese Brandmauer nach Rechts weiterhin halten, egal wie Umfragewerte sind.

Rosa Buss: „Natürlich muss es unter den politischen Parteien unterschiedliche Meinungen geben. Aber nichts rechtfertigt deshalb ...
Rosa Buss: „Natürlich muss es unter den politischen Parteien unterschiedliche Meinungen geben. Aber nichts rechtfertigt deshalb menschenfeindliches und rechtsextremistisches Gedankengut, was diese Parteien vertreten.“ | Bild: Sebastian Ridder

Über die Ampelregierung und insbesondere deren grünen Teil gibt es die Wahrnehmung, dass sie tief in die persönlichsten Lebensbereiche der Bürger eingreift, vom Heizungskeller über den Sprachgebrauch bis zum Speiseplan – können Sie verstehen, dass es Menschen gibt, die sich deshalb einer rechten Bewegung anschließen?

Rosa Buss: Natürlich muss es unter den politischen Parteien unterschiedliche Meinungen geben. Aber nichts rechtfertigt deshalb menschenfeindliches und rechtsextremistisches Gedankengut, was diese Parteien vertreten. Und diese Kräfte würden sehr viel schwerwiegendere Eingriffe in die persönlichsten Lebensbereiche vieler Menschen vornehmen, wenn sie könnten. Jetzt über Veggie-Day oder Gendersternchen zu reden, wird der Schwere der Situation nicht gerecht.

Die Unterstützung zum Beispiel für die AfD kommt doch nicht nur von erklärten Rechtsextremen bei 30 Prozent und mehr Zustimmung?

Lisa Kreitmeier: Unsere Aufgabe als Demokratinnen ist es, dieses Vertrauen von verunsicherten Menschen zurückzugewinnen. Darum ist es so wichtig, dass das Bündnis, das zur Demo aufruft, so breit ist – von der HSG über den Elternbeirat bis zu Anwälten und Künstlerkollektiven sind alle vertreten.

Wie erreichen Sie diejenigen, die nicht im Bündnis sind, die am Mittwoch nicht auf die Straße gehen, die zweifelnd am Rand stehen?

Rosa Buss: Gerade weil das Bündnis so breit ist, erreichen wir die Menschen, die sonst an der Seite stehen würden, weil sie doch jemanden kennen, der mitläuft. So setzt sich die Diskussion ins Private fort. Und alle können sehen, dass wir hier eine demokratische Gesellschaft haben, die zusammenhält.

Wie groß ist das rechte Lager hier in Konstanz Ihrer Einschätzung nach?

Lisa Kreitmeier: Sicher nicht so groß wie in anderen Städten. Wir sind hier in einer guten Lage, aber gerade deshalb müssen wir hier klare Kante gegen Rechtsextremismus zeigen, damit es so bleibt. Der Rechtextremismus hat nirgends Platz, nicht hier in Konstanz und auch nirgendwo anders. Das hat eigentlich auch gar nichts damit zu tun, wie groß die rechtsextreme Szene irgendwo ist.

Wir groß ist die demokratische Mehrheitsgesellschaft, mit viel vielen Teilnehmern rechen Sie?

Rosa Buss: Wir rechnen mit allem, zwischen 500 und 4000. Es verbreitet sich schnell. Wir sind in engem Kontakt mit der Stadtverwaltung und der Polizei und hoffen, dass alles gut über die Bühne geht.

Lisa Kreitmeier: „Wenn ich mit AfD-Mandatstragenden in einem Gremium sitze, werde ich nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Dafür ist ...
Lisa Kreitmeier: „Wenn ich mit AfD-Mandatstragenden in einem Gremium sitze, werde ich nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Dafür ist kein Platz, auf keiner Ebene. Zum demokratischen Miteinander gehört es trotzdem, es auszuhalten, wenn die AfD mit im Ratssaal sitzt.“ | Bild: Sebastian Ridder

Frau Kreitmeier, Sie könnten nach dem 9. Juni im Konstanzer Ratssaal gemeinsam mit AfD-Politikern sitzen und Sie, Frau Buss, im Kreistag. Am Mittwoch stehen Sie gegen die AfD auf der Demo und einige Monate später sitzen Sie mit der AfD in einem Gremium. Wie wollen Sie denen gegenübertreten?

Lisa Kreitmeier: Wenn ich mit AfD-Mandatstragenden in einem Gremium sitze, werde ich nicht mit ihnen zusammenarbeiten. Dafür ist kein Platz, auf keiner Ebene. Zum demokratischen Miteinander gehört es trotzdem, es auszuhalten, wenn die AfD mit im Ratssaal sitzt. Und wenn sie gewählt sind, werden wir für eine vielfältige Gesellschaft streiten.

Die AfD versucht gerade über die sogenannten Sozialen Medien, die Deutungshoheit über die laufenden Demonstrationen zu erringen, sie für ihre Zwecke zu nutzen und sich zum Opfer einer angeblichen Ausgrenzung zu machen. Könnte das hier in Konstanz auch probieren.

Rosa Buss: Wir müssen an allen Stellen Zivilcourage zeigen, auch im Netz und nicht nur mitzulesen, sondern auch mal dagegen kommentieren. Wenn sich die rechte Szene organisiert, kann das die demokratische Gesellschaft doch erst recht.

Was muss noch passieren, um der Bedrohung für unser friedliches Zusammenleben Herr zu werden?

Rosa Buss: Es ist wichtig, dass Menschen politisiert werden, die in den letzten Jahren nicht auf eine Demo gegangen sind oder vielleicht auch gar nicht gewählt haben. Dass alle sehen, dass es eben nicht selbstverständlich ist, dass wir in einer Demokratie leben. Alle Menschen müssen erkennen, dass sie diese Demokratie verteidigen müssen.

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Was muss Politik den Verunsicherten anbieten, um sie für die Demokratie zu gewinnen?

Rosa Buss: Wir müssen unseren Fokus auf die Verunsicherten richten, die von den Correctiv-Recherchen aufgeschreckt wurden, dass in Deutschland über Deportationen gesprochen wird, dass Menschen auch mit deutschem Pass nicht mehr unter dem Schutz des Grundgesetzes stehen sollen. 1,4 Millionen Menschen sind den letzten zwei Wochen auf die Straße gegangen. Und wir sollten auch über die 25 Prozent der Menschen bei uns sprechen, die eine Migrationsgeschichte haben und allen Grund haben, sich verunsichert zu fühlen.

Bei Zweifeln zum Beispiel an der Migrations- oder Klimapolitik sagen manche Menschen: „Das darf man nicht mehr sagen, sonst wird man gleich in die rechte Ecke gestellt.“ Was sagen Sie denen?

Lisa Kreitmeier: Wir dürfen uns vor allem nicht auf Fake News und Strategien der Rechten einlassen. Migration ist nicht das Problem, sondern es wird so dargestellt. Wir müssen für eine offene Gesellschaft sorgen, ohne einen Sündenbock zu suchen.

Rosa Buss: Die Probleme, um die es wirklich geht, gründen eben nicht in der Migration – Wohnungsnot, soziale Ungleichheit. Wir haben uns als Gesellschaft geeinigt, Menschen zu helfen, die in Not sind. Jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, die Probleme der gesamten Gesellschaft zu lösen, mehr Kitaplätze, mehr Sozialwohnungen.

Wie stehen Sie zu einem AfD-Verbot?

Lisa Kreitmeier: Ein AfD-Verbot sollte auf jeden Fall geprüft werden, alles weitere werden wir dann sehen.

Rosa Buss: So sehe ich es auch. Aber klar ist auch: Mit einem AfD-Verbot würde das Gedankengut nicht verschwinden.

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Die Rechten führen ihre Diskurse im Geheimen. Wie erreichen Sie deren Teilnehmer, wenn sie sich aus der Öffentlichkeit hinausverlagern?

Lisa Kreitmeier: Es ist wichtig, dass Recherchen solche Geheimtreffen aufdecken und zeigen: Dort wird auf eine Weise diskutiert, die wir in unserer Gesellschaft nicht dulden. Dann gewinnen wir die Deutungshoheit auch wieder zurück.

Rosa Buss: Nichts ist überzeugender als zu sehen, dass das eigene private Umfeld zum Beispiel bei solchen Demonstrationen mitmacht. Wenn Menschen sehen, hey, der Tobi aus dem Handballverein macht da ja auch mit.

Dann ist die Demo nicht nur gegen rechts, sondern auch für Zivilcourage?

Lisa Kreitmeier: Deshalb ist unser Demo-Titel vollständig auch: Konstanz gegen Rechtsextremismus, für Zusammenhalt und Demokratie.

Was passiert nach dem Impuls vom Mittwoch? Ist so eine Demo nicht auch ein willkommener Anlass, das eigene Gewissen zu beruhigen und sich sagen zu können: Ich habe doch etwas getan?

Rosa Buss: ich denke, wir alle wissen, dass eine Demo das große Problem nicht löst. Aber sie kann ein Anstoß sein und den Menschen Mut machen. Und sie kann zeigen: Ein Großteil der Gesellschaft ist gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie.

Lisa Kreitmeier: Und deshalb werden wir weiterarbeiten und ein dauerhaftes Bündnis für diese Werte gründen, das viele demokratische Konstanzer Institutionen verbindet. Durch diese Breite können wir sehr viele Menschen ansprechen, auch über den Mittwoch hinaus.