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Tolle Talente, aber auch ein Fragezeichen um Stürmerstar Andrej Kramaric und schmerzhafte Abgänge. Die TSG 1899 Hoffenheim steckt vor der neuen Saison in einem tiefgreifenden Umbruch. Trainer Christian Ilzer sieht dies als Chance, muss aber auch gleich liefern. Die verkorkste vergangene Saison, als die Kraichgauer lange im Abstiegskampf steckten und der Österreicher um seinen Job bangen musste, ist nicht vergessen. 

Ungeschlagen in den Testspielen 

Vor dem DFB-Pokal-Spiel bei Hansa Rostock am Samstag (15.30 Uhr/Sky) und dem Liga-Start bei Bayer Leverkusen die Woche darauf kann Ilzer auf acht Siege in acht Testspielen verweisen. «Zum einen stimmen uns die Ergebnisse, zum anderen aber auch die Leistungen zuversichtlich und geben uns ein gutes Gefühl – mehr aber auch nicht», sagte der 47-Jährige im dpa-Gespräch.

Man habe sich viele Dinge erarbeitet und sie umgesetzt. «Auch in Sachen Geschlossenheit, Teamspirit gab es richtig gute Fortschritte. Wir sind gerüstet für den Auftakt, aber jetzt zählt es, das Gezeigte auch in Rostock auf den Platz zu bringen», so Ilzer.

Vielversprechende junge Profis wie Damar

Nicht mehr dabei sind zwei starke Stammspieler aus der vergangenen Runde: Tom Bischof (zum FC Bayern München) und Anton Stach (Leeds United). Attraktiven Fußball verspricht die Fraktion der Jungen: Aus Köln kam Tim Lemperle (23), aus Elversberg kehrten die verliehenen Muhammed Damar (21) und Fisnik Asllani (23) zurück, vom FC Basel wechselte der Schweizer Leon Avdullahu zur TSG. Auch U17-Weltmeister Max Moerstedt und Bazoumana Touré (beide 19) sollen den Etablierten Druck machen. 

«Jünger und schlanker zu werden, war der klare Auftrag. Da haben wir vieles geschafft», sagte Ilzer, der sich davon eine neue Dynamik erhofft. Allerdings ist der Kader immer noch zu aufgebläht, da werde sich noch etwas tun. «33 Spieler - mit den Torhütern - sind zu viel. Aber es ist alles gut vorbereitet und geht jetzt noch in die Umsetzung.»

Defensive das große Thema

Dringend stabilisieren muss der TSG-Chefcoach seine Abwehr: Der Tabellen-15. kassierte 2024/25 satte 68 Gegentore, im Schnitt zwei pro Spiel. Für Besserung sollen unter anderem die Neuzugänge Bernardo (VfL Bochum), Koki Machida (Royale Union Saint-Gilloise/Belgien) und Vladimir Coufal (West Ham United/England) sorgen.

«Weniger Gegentore zu bekommen, hängt aber nicht nur von den letzten Vieren ab, sondern ist ein kollektives Thema und beginnt bei den Stürmern. Dem haben wir uns gewidmet», sagte Ilzer. Angesichts des Neuaufbaus fordert er: «Jeder – ob jung oder alt – soll Verantwortung für unseren Weg übernehmen. Erfahrene Spieler tragen dabei noch mehr Verantwortung, weil sie in der Hierarchie ganz oben stehen.»

Damit meint der frühere Meistermacher von Sturm Graz vor allem den deutschen Nationaltorwart und den kroatischen Angreifer: «Oliver Baumann oder Andrej Kramaric werden hier nach wie vor eine sehr wichtige Rolle innehaben.» Während Kapitän Baumann seinen 2026 auslaufenden Vertrag in Hoffenheim kürzlich vorzeitig verlängert hat, ist bei Kramaric offen, ob er über die neue Saison hinaus bleibt. 

Der 34 Jahre alte WM-Zweite von 2018 hatte sich in Krisenzeiten sehr kritisch gegenüber seinem Club geäußert, schlug zuletzt aber vorsichtig-versöhnliche Töne an: «Ich bin überzeugt davon, dass hier wieder etwas Gutes entstehen kann – wenn wir alle zusammenhalten. Dabei will ich helfen.» 

Mit Kramaric Vergangenheit aufgearbeitet

Man habe mit Kramaric ein offenes und vertrauensvolles Gespräch geführt mit einem guten Ergebnis, sagte Sportgeschäftsführer Andreas Schicker im «Kicker». «Wir konnten gemeinsam die Vergangenheit aufarbeiten und die Zukunft besprechen. Wir freuen uns sehr über Andrejs klares Bekenntnis und haben mit ihm vereinbart, dass wir bezüglich einer möglichen Vertragsverlängerung in engem Austausch bleiben.»

Hoffnung macht die TSG auch das Comeback von Mittelfeldspieler Grischa Prömel nach einem Kreuzbandriss im September. In Ozan Kabak sei ein weiterer Langzeitverletzter «auf einem guten Weg» (Ilzer).

Saison soll für Medien «nicht mehr so spektakulär» werden 

Schicker hofft jedenfalls auf eine deutlich ruhigere Saison, damit es für die Medien «nicht mehr so spektakulär wird». Ilzer spricht von einem Neubeginn und sagte: «Die letzte Saison gibt uns Erfahrungen, die nehmen wir mit. Aber sie ist abgehakt – wir blicken nach vorn.» 

Auf ein Saisonziel mag sich der Trainer nicht festlegen. Es gelte erst einmal, gut zu starten, «und dann wird man sehen, wohin die Reise geht». Lothar Matthäus kann den Hoffenheimer Optimismus offensichtlich nicht teilen. Der Rekord-Nationalspieler setzte die Kraichgauer bei seiner in «Bild» getippten Bundesliga-Abschlusstabelle auf den vorletzten Platz - also als Absteiger.