Ein schreiender Küchenchef, Stress und Auszubildende, die aus Angst Teller fallen lassen – das sind die bekannten Klischees aus Gourmetrestaurants. Küchenchef Kevin Leitner und sein Team erfüllen sie nicht. „Niemand schreit in meiner Küche“, stellt Leitner klar. „Die Zeiten von Schreierei-Küchen und cholerischen Köchen sind vorbei. Es gibt hier keine Einzelkämpfer. Wir arbeiten gemeinsam im Team“.

Gemeinsam Kochen ist wie ein Mannschaftssport

Mittwochabend – im Kaisersaal in Ravensburg ist nur wenig los. In der Küche herrschen knackige 34 Grad und fünf Köchinnen und Köche sind am Werkeln. Keiner steht dabei im Weg (außer vielleicht die Reporterin), die Aufgaben sind klar verteilt. Während mit der Pinzette essbare Blumen auf kleine Vorspeisen gelegt werden, schmeißt der Küchenchef vier Herdplatten an und stellt seine Soßen bereit.

Seit Kurzem tut Kevin Leitner das alles als Sternekoch, das Guide Michelin verlieh dem Kaisersaal diese Auszeichnung. Die Küche eröffnete mit Leitner an der Spitze vor gut einem Jahr, er und sein Team orientieren sich an der französischen Kochkunst.

Für Leitner ist die Arbeit in der Küche wie ein Mannschaftssport. „Mit einem guten Kapitän und der richtigen Chemie im Team, werden auch die gewünschten Ergebnisse erreicht“. In der Küche spielt sich diese Mannschaft professionell die Bälle zu. Jeder kennt seine Position, am Ende zählt das Zusammenspiel. „Die warme Seite muss mit der kalten Seite kommunizieren“, erklärt der Küchen-Kapitän – damit am Ende alles gleichzeitig und perfekt auf dem Teller landet.

Küchenchef Kevin Leitner und seine Mitarbeitenden Stefan Kern (vorne ) und Anna Büchele (hinten) bereiten das Gericht Felsenrotbarbe vor.
Küchenchef Kevin Leitner und seine Mitarbeitenden Stefan Kern (vorne ) und Anna Büchele (hinten) bereiten das Gericht Felsenrotbarbe vor. | Bild: Jorina Stuber

Das Team: jung, loyal und ehrgeizig

„Bei uns sind alle wahnsinnig ehrgeizig, jeder möchte jeden Tag etwas verbessern. Das ist ein Anspruch, welcher nicht selbstverständlich ist“ sagt Leitner stolz. Und genau dieser Ehrgeiz und die gute Zusammenarbeit haben wohl schlussendlich zu dem Michelin-Stern geführt. „Ich sehe den Stern eher als Anerkennung für das Team und nicht als Ziel, das wir erreicht haben“, erklärt der Koch. Für Leitner ist es wichtiger sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und „sein eigenes Ding zu machen“. Und genau das gibt er auch seinen Schülern auf den Weg.

Aktuell arbeiten fünf Auszubildende im Team. Das Team zählt zwei festangestellte Köche und Köchinnen fürs Frühstück, zwei Küchenhilfen, zwei Aushilfen, vier ausgelernte Köche und Köchinnen, sowie die fünf Auszubildenden. Leitner ist mit seinen 35 Jahren der Älteste im Team. Die Stimmung ist meist locker und ausgelassen. Während der Arbeit wird gemeinsam gelacht, gescherzt und Crème brûlée gegessen.

Die Küche im Kaisersaal ist einsichtig. Gäste am Tisch können einen Blick in die Küche erhaschen.
Die Küche im Kaisersaal ist einsichtig. Gäste am Tisch können einen Blick in die Küche erhaschen. | Bild: Jorina Stuber

„Kochen ist für mich eine Selbstverwirklichung“

Eines der Besonderheiten am Restaurant Kaisersaal ist die einsehbare Küche. Gäste können von ihrem Platz aus das Team bei ihrer Arbeit beobachten. Dabei ist Kevin Leitner der Kontakt zu den Gästen wichtig. „Wir bringen die Gerichte auch oft selbst an den Tisch“, sagt der Küchenchef. „Wir wollen dem Gast ein schönes Erlebnis bieten, aber auf unsere Art und Weise“. Und die sei nicht steif und elitär, sondern locker und lässig, erklärt Leitner.

Für ihn ist Kochen eine Selbstverwirklichung. „Und darin bin ich glaube ich nicht ganz schlecht“, sagt er lächelnd. Seine Ideen für neue Gerichte kommen ganz von allein. Saisonale Produkte spielen dabei die wichtigste Rolle. Danach wird mit dem Team über die Idee gefachsimpelt. „Jeder darf sein Senf dazugeben“, sagt Leitner. „Und wenn es nicht funktioniert – dann ist es eben so“.

Er selbst ist direkt nach der Realschule in die Gastronomie. „Mich hat einfach dieses Handwerk dahinter beeindruckt“, erinnert sich Leitner. Die Leidenschaft für den Beruf habe sich erst durch die Probearbeiten und seine Ausbildung im Gasthof zum Hirsch in Goppertsweiler im Bodenseekreis entwickelt. „Ich kann mir den Geschmack von Gerichten sehr gut vorstellen und wie etwas zusammenpasst“, so Leitner. Das helfe ihm sehr bei der Entwicklung neuer Gerichte.

Für die Vorspeise ‚Millefeuille‘ bezahlt man im Kaisersaal 28 Euro. Sie besteht aus Hüttenkäse, Quinoa, Eingelegtes Gemüse und Eisenkraut.
Für die Vorspeise ‚Millefeuille‘ bezahlt man im Kaisersaal 28 Euro. Sie besteht aus Hüttenkäse, Quinoa, Eingelegtes Gemüse und Eisenkraut. | Bild: Jorina Stuber

Die Chemie muss stimmen

Leitner selbst sieht sich nicht als strengen Chef. „Dem Team muss man das Gefühl geben, alles unter Kontrolle zu haben, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren“, erklärt er. Talent ist bei der Wahl der Mitarbeiter nicht das Wichtigste. Es müsse zwischenmenschlich passen, betont Leitner. „Du kannst noch so ein guter Koch sein, wenn du nicht ins Team passt und die Chemie zerstörst, dann ist das schlecht“.

Die Chemie im aktuellen Team passt zumindest. Diese Meinung teilen auch Kollege Stefan Kern und Kollegin Anna Büchele: „Das ist einfach ein brutal tolles Team. Man lernt jeden Tag etwas Neues.“ Und solange nicht nur die Chemie im Team, sondern auch auf dem Teller stimmt, bleibt der Besuch im Kaisersaal ein kulinarisches Erlebnis.

Alles bleibt, wie es ist

Ob ein zweiter Stern kommt? Vielleicht. „Da darf man sich, glaube ich, auch nicht zu sehr unter Druck setzen“, antwortet Leitner. Die Preise und Arbeitsweisen verändern sich durch den Stern nicht. „Das wäre ja das Komischste, was wir jetzt machen könnten“, sagt er. Vier Gänge gibt es im Kaiserhof ab 119 Euro. „Warum soll man was verändern? Die Gerichte kommen bei den Gästen ja wirklich gut an“. In Zukunft erhoffe sich der junge Koch ein volles Restaurant, ein zufriedenes Team und weiterhin eine gute Arbeitsstimmung.