Schwanger sein an sich ist ein Risikofaktor für schwere Covid-Verläufe – sagt die Ständige Impfkommission (Stiko). Wie auch das RKI, Fachärzte und Geburtsmediziner empfiehlt die Stiko werdenden Müttern ab dem zweiten Drittel der Schwangerschaft und Stillenden dringend den Piks. Trotzdem, das berichten Gynäkologen und Fachärzte, zögern vor allem werdende Mütter mit der Impfung. Wir haben bei Udo Trautmann, Chefarzt der Frauenklinik am Helios Spital Überlingen, nachgefragt und mit ihm über Sorgen und Mythen rund um die Impfung Schwangerer gesprochen.
Warum ist es für schwangere Frauen besonders gefährlich, ungeimpft zu sein?
Udo Trautmann: Zwar verläuft bei jungen, gesunden Frauen eine Ansteckung meistens mild. Aber ungeimpfte Schwangere leiden schwerer an einer Covid-Infektion, vor allem, wenn sie auf die Intensivstation müssen.
Denn die Lunge kann sich in der fortgeschrittenen Schwangerschaft nicht mehr entsprechend ausdehnen, auch nicht mit dem Beatmungsgerät. Das Zwerchfell steht hoch und die Bewegungsmöglichkeit der Lunge ist eingeschränkt. Jede Mutter weiß, je länger die Schwangerschaft besteht, desto schwerer kommt sie die Treppe hoch. Das liegt am Zwerchfellhochstand.
Eine internationale Studie unter 2130 Schwangeren aus 18 Ländern kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass ungeimpfte Schwangere ein erhöhtes Risiko für Früh- und Totgeburten haben.
Ja. Ungeimpfte Schwangere haben häufiger Frühgeburten. Das hängt damit zusammen, dass man Langzeitbeatmete auf den Bauch legt. Das geht aber bei Schwangeren nicht. Damit sind die Ärzte gezwungen, die Kinder frühzeitig per Kaiserschnitt zu holen. Es wurden schon Schwangerschaften in der 27. Woche beendet, um die Beatmung der Mutter möglich zu machen. Die Kinder bringen dann alles mit, was ein Frühchen hat: Mentale Verzögerung, Entwicklungs- und Ernährungsverzögerung – inklusive der erhöhten Sterblichkeit. Das gilt es zu verhindern. Je weniger Schwangere auf die Intensivstation kommen, desto weniger Frühgeburten. Es sind schon Frauen deshalb verstorben, auch in unserer Region.
Trotzdem gibt es werdende Mütter, die mit der Impfung zögern aus Sorge vor schweren Impf-Nebenwirkungen und Gefahren für ihr Kind.
Wir haben hauptsächlich Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit, eventuell Schüttelfrost. Das ist mit ganz üblichen Schmerzmitteln, wie Paracetamol auch für Schwangere gut zu bewältigen. Wenn eine wesentliche Gefahr für Schwangere bestehen würde, würden unsere Behörden den Impfstoff sicherlich nicht empfehlen. Hinweise auf Impfschäden bei werdenden Müttern oder Neugeborenen durch einen m-RNA-Impfstoff sind bisher in Europa nicht beschrieben.
Können Sie die Skepsis gegenüber der Impfung nachvollziehen? Es kursieren viele Ängste, etwa, dass die Corona-Impfung zu Unfruchtbarkeit führen kann.
Das kann kein Mediziner nachempfinden. Ich könnte mir vorstellen, dass es mit Halbwissen rund um den mRna-Impfstoff zusammenhängt. Die Messenger-Rna bindet sich als Stück genetischer Code in die Zellen ein. Dieser Code ist jedoch nach wenigen Tagen verschwunden, weil unsere Zellen ihn abbauen und verschlucken. Unfruchtbarkeit in Zusammenhang mit der Corona-Impfung kann bis heute niemand nachweisen. Meiner Meinung nach sind das Fake News, die in Studien immer wieder entkräftet wurden.
Wenn sich eine Schwangere impfen lässt, hat ihr ungeborenes Kind den Schutz dann auch?
Wir wissen, dass die Antikörper genau wie alle anderen Krankheits-Antikörper zum Teil mit über die Plazenta in die Frucht übergehen. Wir wissen noch nicht, inwieweit das Kind mitgeschützt ist. Wir hoffen, dass es wie nach anderen Impfungen, eine Still-Immunität für das erste halbe Lebensjahr bekommt. Wir wissen es aber nicht, da keine Versuchsreihen an Neugeborenen zugelassen sind. Wir wissen bei uns Erwachsenen auch nicht, wie lange der Schutz nun wirklich besteht. Wer sich aber mit dem Thema Impfungen beschäftigt, weiß über die Stillimmunität Bescheid, die etwa bei Mumps, Masern und Röteln gut funktioniert.
Und umgekehrt, kann sich ein Kind im Bauch mit Corona anstecken?
Das wissen wir nicht. Es gibt bisher keine Hinweise. Auch, wenn das unwahrscheinlich sein mag: Das wichtigste bei der Impfung ist der Schutz des Kindes, indem Geburtskomplikationen vermieden werden.
Wie wichtig ist es für Schwangere, dass das Umfeld geimpft ist?
Sehr wichtig. In den meisten Fällen werden Geimpfte weder schwer erkranken noch eine große Menge Corona-Viren über längere Zeit in Ihrem Umfeld verteilen, dadurch sinkt die Gefährdung. Ich persönlich rate werdenden Müttern dazu, auf den Kontakt mit ungeimpften Freunden oder Bekannten zu verzichten.