2020 war vieles noch unklar: wie man das neue Virus eindämmen kann, wie gefährlich es für junge Menschen ist, wie es sich auf Schwangere auswirkt. Svenja Martin war eine von ihnen. Die heute 27-Jährige war damals schwanger mit ihrem ersten Kind – mitten in einer Pandemie, ohne den Schutz einer Impfung. „Ich war praktisch auf mich gestellt“, erzählt sie.
Denn für die Physiotherapeutin aus Blumberg bedeutete die Schwangerschaft ein Beschäftigungsverbot. Geburtsvorbereitungskurse musste sie online verfolgen, physische Treffen fanden nicht statt. Über eine WhatsApp-Gruppe tauschte sie sich zudem mit anderen werdenden Müttern aus. Was ihr fehlte, war der physische Kontakt zu anderen Schwangeren.
Die Blumbergerin brachte ihre Tochter Nala Malou am 28. Dezember auf die Welt – mitten im zweiten Lockdown. Wenige Tage zuvor hatte die Europäische Arzneimittelagentur den ersten Impfstoff gegen Corona zugelassen, für Schwangere gab es noch längst keine Impfempfehlung, Impfzentren in Deutschland waren noch im Aufbau.

Vor kurzem hat ihre Tochter ihren ersten Geburtstag gefeiert. Gerade ist Nala noch ein wenig verschlafen von ihrem Mittagsschläfchen, aber den unbekannten Gast beäugt sie gleich, die Kamera ist noch spannender für sie. Draußen vor dem Haus liegt Schnee, die Sonne ist hinter den Hügeln versunken.
Auch damals war es „eine verschneite Nacht“, erinnert sich Martin, als die Geburt sich ankündigte und sie ins Krankenhaus in Titisee-Neustadt kam. Eine Maske zu tragen, war Pflicht bis zum Beginn der Geburt. Ihr Mann Fabian durfte erst dazukommen, als der Muttermund fünf Zentimeter geöffnet war. Er wurde zunächst nach Hause geschickt, weil nichts darauf hindeutete, dass es bald losgehen würde. Doch dann ging alles schneller als gedacht, erzählt Martin. Ihr Mann schaffte es gerade noch rechtzeitig, bevor ihre Tochter zur Welt kam.
Besuche nur eingeschränkt möglich
Familienzimmer, die es den Vätern ermöglichen, bei ihrer Partnerin und dem Baby zu bleiben, wurden in dieser Zeit nicht angeboten. Fabian Martin durfte maximal eine Stunde am Tag zu Besuch kommen, seine Frau lag auf einem Einzelzimmer: „Ich fand das aber schön, so konnte ich meine Tochter in aller Ruhe kennenlernen“, erzählt sie.
Auch, dass andere Verwandte gar nicht zu Besuch kommen durften, empfand die junge Mutter erst einmal als beruhigend – denn niemand war schon geimpft, sie wollte ihre Tochter nicht gefährden. „Ich hätte mir aber schon gewünscht, dass mein Mann länger bleiben darf zu Besuch“, gesteht sie.
Im Krankenhaus fühlte sie sich gut versorgt, betont sie. Niemand habe ihr das Gefühl gegeben, dass sie so schnell wie möglich wieder die Klinik verlassen müsse. Nach vier Nächten ging sie nach Hause. Auch den für Mütter wichtigen Rückbildungskurs machte sie online: „Die Hebamme hat das aber richtig toll gemacht“, betont Martin.
Mit der Frage der Impfung tat sie sich schwer, gesteht die 27-Jährige. Lange war sie für Stillende nicht empfohlen. Schließlich entschloss sie sich doch dazu, ihre Tochter bekommt über die Muttermilch die schützenden Antikörper. Angebote wie Babyschwimmen und Krabbelgruppen fielen im ersten Lebensjahr aus, das hätte sich Martin anders gewünscht. In die Kita will sie Nala Malou aber nicht geben. Die junge Mutter nimmt zwei Jahre Elternzeit, danach werden ihre Eltern und Schwiegereltern unterstützen, erzählt sie.

Valerie Ziegler aus Bräunlingen bei Donaueschingen hatte sich die Geburt ihres Sohnes anders vorgestellt. Den SÜDKURIER trifft sie bei ihren Eltern in Hubertshofen, einem Ortsteil von Donaueschingen. Hier im Schwarzwald liegt hoher Schnee, die Sonne scheint, es ist absolut idyllisch hier. Der kleine Moritz ist gerade aufgewacht und weint, beruhigt sich aber schnell, als er bei Mama am Tisch sitzen darf und seine Umgebung neugierig erkundet.
In der gemütlichen Stube mit Kamin erzählt Ziegler, wie sie ihre Schwangerschaft und die Geburt unter Corona-Bedingungen erlebt hat. „Ja, das war was“, sagt die fröhliche junge Frau geradeheraus: „Ich habe drei Wochen vor dem Geburtstermin Corona bekommen“, erzählt sie. Ihr Sohn Moritz kam am 13. Mai 2021 zur Welt, mitten in der dritten Welle.
Zu den Terminen beim Frauenarzt durfte sie schon vorher nur ohne ihren Mann. Die Geburtsvorbereitungskurse musste sie online machen. Doch auch mit Corona waren Klinikbesuche für Ziegler zwingend: Bei ihrem ungeborenen Sohn bestand der Verdacht, er könnte unterernährt sein.
„Ich musste also trotzdem in die Klinik, dabei ging es mir nicht so gut“, erinnert sie sich. Vier Stunden musste sie bei offenem Fenster in einem isolierten Zimmer warten. Drei Mal musste sie während ihrer Quarantäne in die Klinik – zum Schutz des Kindes. „Ich durfte nicht einmal mehr zu meiner Frauenärztin“, erzählt die Gymnasiallehrerin.
Erschwerte Bedingungen
Mit der Diagnose änderte sich auch die Planung der Geburt. Denn für Ziegler bedeutete das das Risiko, dass sie ihr Kind alleine zur Welt bringen muss – ohne den Beistand ihres Mannes Stefan. Viele Kliniken verlangen einen negativen PCR-Test. Doch bei Frauen, die gerade eine Infektion überstanden haben, kann der Test noch Monate späte positiv ausfallen, auch wenn sie nicht mehr ansteckend sind.
„Das wollte ich auf keinen Fall“, erzählt Ziegler. Die junge Lehrerin wollte eigentlich in Villingen-Schwenningen in der Klinik ihr Kind zur Welt bringen, doch das kam nicht in Frage. Sie suchte nach Alternativen, und fand sie in der Freiburger Diakonie. Dort konnte sie vorher sogar zu einem Beratungstermin – unmittelbar nach dem Ende ihrer Quarantäne. „Das hat mich überzeugt“, begründet sie ihre Entscheidung – auch wenn sie so 45 Minuten zur Klinik brauchte.

Die Geburt selbst war für Ziegler eine Herausforderung. Nach 14 Stunden in den Wehen musste sie einen Notkaiserschnitt vornehmen lassen. „Ohne meinen Mann hätte ich das nicht geschafft“, sagt die 30-Jährige. Ihr Partner durfte die ganze Zeit dabei sein, anders als in anderen Kliniken, wo der Partner erst zu Beginn der tatsächlichen Geburt dazukommen darf, wenn der Muttermund schon fünf Zentimeter geöffnet ist: „Das habe ich nie erreicht“, so Ziegler.
Familienzimmer trotz Pandemie
Nach der Operation durften die Zieglers in einem Familienzimmer drei Nächte zusammenbleiben. Das war auch nötig, sagt die junge Mutter: „Ich konnte nichts tragen und kaum gehen.“ Die Pflegekräfte seien ausgelastet, die Hilfe ihres Mannes war notwendig, resümiert Valerie Ziegler. Direkt nach der Geburt sei ihr Sohn auf Corona getestet worden – „kaum auf der Welt, schon ein Stäbchen in die Nase“, erzählt Ziegler, nimmt es aber mit Humor. Das Ergebnis hat sie allerdings bis heute nicht, sagt sie.
Zur Rückbildungsgymnastik durfte die 30-Jährige wieder in Präsenz, mit anderthalb Metern Abstand. Heute ist sie in Elternzeit, im Mai will die Lehrerin wieder in ihren Beruf einsteigen, mit 50 Prozent. In die Kita will sie ihren Moritz aber nicht geben – Unterstützung bekommt sie von ihren Eltern und Schwiegereltern. „Dann klappt das schon“, sagt sie zuversichtlich.
Inzwischen ist Ziegler geimpft, die Corona-Infektion hat sie ohne größere Nachwirkungen überstanden – und auch ihrem Kleinen geht es gut. An einem selbstgebackenen Keks ohne Zucker kaut er ganz verträumt, zwischendurch muss auch das Kinderbuch herhalten, der kleine Moritz ist gerade dabei, die Welt um ihn herum zu entdecken. Das Stäbchen kurz nach der Geburt hat er hoffentlich schon wieder vergessen.