Auch im Schwarzwald-Baar-Klinikum ist die Corona-Pandemie längst in der Geburtshilfe-Station angekommen. Das bestätigt auch Oberarzt Andreas Heinrich Werner, der betreuende Arzt für den Kreißsaal in der Frauenklinik und Geburtshilfe des Schwarzwald-Baar-Klinikums.
Eine Studie der Gesellschaft für Perinatale Medizin in Deutschland zeigt aktuell auf, dass bei ungeimpften Schwangeren, die positiv auf Corona getestet sind, ein deutlich höheres Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs bestehe. Ende November erlebten die Mitarbeiter der Geburtenstation im Schwarzwald-Baar-Klinikum diesbezüglich einen traurigen Fall. „Es gab eine Totgeburt bei einer Covid-positiven nicht geimpften Patientin“, bestätigt der Klinikarzt entsprechende Informationen des SÜDKURIER.

Werner berichtet dazu: „Die Patientin kam von zu Hause mit massiver Atemnot in unsere Klinik und beim Aufnahme-Ultraschall zeigte sich bereits, dass das Kind im Bauch nicht mehr lebte.“ Der Grund für den Kindstod im Leib der Mutter müsse in einer Kombination aus mehreren Risikofaktoren der Patientin gesehen werden, „vor allem in einer entgleisten Zuckerkrankheit und der akuten Covid-Infektion mit schwersten Symptomen“.
Vorerkrankungen sind erhebliche Risikofaktoren
Dazu erläutert der Mediziner: Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, höheres Alter und Übergewicht stellen allgemein wie auch in der Schwangerschaft Risikofaktoren für einen schweren Covid-Verlauf dar.
„Man kann sagen, dass sich solche Risikofaktoren auch in der Schwangerschaft nicht nur addieren, sondern multiplizieren oder potenzieren.“Andreas Heinrich Werner, Oberarzt
Das tote Kind musste per Kaiserschnitt entbunden werden, da eine Geburt auf natürlichem Wege für die schwer erkrankte Patientin nicht mehr möglich gewesen sei. Der körperliche Zustand der Patientin habe sich mittlerweile wieder stabilisiert, „allerdings nur nach maximaler intensivmedizinischer Therapie“.
Nach Feststellung des Arztes ist diese Totgeburt eine Ausnahme. Bislang habe es zum Glück keine weiteren Totgeburten oder Sterbefälle in direktem ursächlichen Zusammenhang mit einer Covid-Erkrankung in der Geburtshilfe des Schwarzwald-Baar-Klinikums gegeben.

Für den Facharzt ist aber offensichtlich: Schwangere Frauen und ihre Kinder im Mutterleib sind durch Covid-19 besonders gefährdet. Das zeigen ihm nicht nur wissenschaftliche Studien und Statistiken, das zeige ihm auch sein tägliches Erleben in der Geburtenstation.
Diese Corona-Risiken bestehen für Schwangere
Meistens ist der Verlauf asymptomatisch
Er beschreibt die Situation folgendermaßen: „Im Schwarzwald-Baar-Klinikum hatten wir bereits sehr viele Covid-positive schwangere Patientinnen, viele waren auch unter der Geburt Covid-positiv.“ Die meisten betroffenen Frauen, betont er, „hatten asymptomatische bis milde Verläufe, bei denen also keine Atemnot bestand und es außer leichtem Fieber und leichtem Husten zu keinen schwereren Covid-bedingten Komplikationen kam“.
Zu wenig Sauerstoff
Aber es gab auch die Problemfälle: Über 50 Schwangere brauchten Sauerstoffzufuhr, um selbst nicht unter Atemnot zu leiden, aber auch, um eine genügend hohe Sauerstoffsättigung im Blut zu haben, sodass das ungeborene Kind über den Mutterkuchen noch mit genügend Sauerstoff versorgt wird.
25 Kaiserschnitte wegen Corona
„Bei zirka 25 Patientinnen musste wegen zunehmendem Sauerstoffbedarf schließlich ein Kaiserschnitt durchgeführt werden, weil die Patientinnen und die Kinder eine Geburt auf normalem Weg nicht mehr überstanden hätten“, berichtet der Kreißsaal-Arzt.
Und bei etwa einem dutzend Patientinnen, so stellt er fest, musste ein solcher Kaiserschnitt auch deutlich vor der sonst üblichen Zeit durchgeführt werden, also in Schwangerschaftswochen, die noch zur Frühgeburtlichkeit gehören, zum Beispiel in der 36. oder auch in der 34. Schwangerschaftswoche. Sowohl die Patientinnen, als auch die Kinder brauchten dann spezielle Betreuung, also auf der Erwachsenen-Intensivstation oder der Neugeborenen-Intensivstation.
Einmal war es richtig knapp
Die gute Nachricht lautet: Letztendlich konnten all diese Patienten, Mütter wie Kinder, gesund das Krankenhaus verlassen. Werner schränkt ein: „Aber das war nicht selbstverständlich. Ich erinnere mich hier unter anderem an eine Patientin mit zunehmendem Sauerstoffbedarf auf der Intensivstation, bei der plötzlich die Herztöne des Kindes auffällig wurden, sodass nur ein innerhalb von Minuten durchgeführter Notkaiserschnitt das Kind retten konnte.“
Ziel ist die natürliche Geburt
Andererseits, so unterstreicht der Mediziner, spricht bei infizierten, aber symptomfreien Patientinnen oder bei sehr milden Symptomen nichts gegen eine vaginale Geburt, „Man muss also als Covid-positive Schwangerer keineswegs immer per Kaiserschnitt entbinden und wo möglich unterstützen wir auch hier die natürliche Geburt“, differenziert der Arzt.
Schwere Verläufe nur bei Ungeimpften
Ungeimpfte Schwangere und deren Babys sind aus Sicht des Mediziners deutlich stärker durch eine schwere Covid-19-Erkrankung gefährdet als geimpfte. „Vor allem schwere Verläufe habe ich selbst bisher nur bei Ungeimpften gesehen“, berichtet Werner. Er spricht sich daher klar für eine Impfung in der Schwangerschaft aus.
Die Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und mittlerweile auch die Ständige Impfkomission, so führt er aus, empfehlen den Frauen, sich nach dem dritten Schwangerschaftsmonat mit mRNA-basiertem Impfstoff zu impfen. Wobei auch eine Impfung in den ersten drei Monaten der Schwangerschaft oder vor der Befruchtung aus medizinischer Sicht unbedenklich sei. Auch Wöchnerinnen und Stillende sollten sich impfen lassen.

Weil dabei viele Frauen Ängste haben, betont der Mediziner: Die Impfung von Schwangeren führe nicht vermehrt zu schwangerschaftsspezifischen Komplikationen und auch nicht zu einem erhöhten Krankheits- oder Sterberisiko für die Schwangere oder ungeborene Kinder. „Die Covid-19-Impfung weist keine Unterschiede im Nebenwirkungsprofil im Vergleich zur Impfung von Nicht-Schwangeren auf“, sagt der Oberarzt.
Erhebliche Zusatzbelastung durch Corona-Patienten
Die Corona-Fälle bedeuten nach Feststellung des Mediziners für die Beschäftigten in der Frauenklinik eine immense Zusatzbelastung. Räumliche und personelle Kapazitäten würden dadurch in erheblichem Maße gebunden, schildert er. Das bedeutet: Planbare Operationen würden bereits möglichst weit verschoben und aufgrund des allgemeinen Mangels an Intensivbetten müssten Ärzte auf peripheren Stationen teilweise die Aufgaben von Intensivpflegern mit übernehmen.
„Das sind bereits Zustände, wie ich sie in 20 Jahren in Deutschland nicht erlebt habe und wie man sie nur im Katastrophenfall erwartet hätte“, bilanziert der Arzt.