Das beliebte Partyspiel „Wer bin ich?“ einmal anders: Gestandene Ärzte, Rettungssanitäter und Pflegepersonal spielen an diesem Abend in den Räumen des Landratsamtes Schwarzwald-Baar „Krankheiten raten“. Die Leiterin der Landesschule Baden-Württemberg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Villingen-Schwenningen, Lena Ummenhofer, leitet das Spiel, das viel mehr als reiner Zeitvertreib ist.
Denn das medizinische Personal, das sich hier zusammengefunden hat, verfolgt ein ganz bestimmtes Ziel: endlich auch in Deutschland dem eigenen, gelernten Beruf nachgehen zu können. Und damit auch den Fachärztemangel in der Region endlich etwas abzumildern.

Austausch und Netzwerkarbeit
Um dieses Ziel zu erreichen, fehlen den ausländischen Kräften aber in erster Linie die deutschen Sprachkenntnisse sowie die Vokabeln der Fachsprache – und damit auch eine Anerkennung als Arzt.
Um diesem Dilemma entgegenzutreten, haben die medizinischen Fachkräfte seit etwa einem Jahr die Möglichkeit, sich mit anderen Kollegen zu treffen, die deutsche Sprache zu trainieren und sich mit anderen auszutauschen.
Die Veranstaltungsformat hierfür nennt sich Med Café. Es ist eine Idee des Jobcenters Schwarzwald-Baar-Kreis. Das Landratsamt Schwarzwald-Baar und das WelcomeCenter Schwarzwald-Baar-Heuberg sind seit Kurzem auch mit im Boot.
Sprachtraining im Vordergrund
Mittlerweile kommen rund 40 bis 50 Fachkräfte regelmäßig zu den monatlichen Treffen, berichtet Ilona Kelemen von der Koordinierungsstelle Integrationsmanagement im Landratsamt. Im Vordergrund stehe das Fachsprachentraining für Ärzte und medizinisches Fachpersonal.
Kontakte knüpfen zu hier bereits ansässigen Ärzten sowie untereinander gehört aber ebenfalls dazu. „Außerdem beraten wir am Rande etwa dazu, welche Kosten vom Jobcenter übernommen werden, wie Fahrtkosten etwa. Und welche Art von Begleitung dem potenziellen Arbeitgeber an die Hand gegeben werden kann“, ergänzt Jutta Himmelsbach vom Jobcenter Schwarzwald-Baar-Kreis.

Hilfe für die deutschen Ärzte
Wie die Netzwerkarbeit in der Praxis funktioniert, zeigt sich am Rande der Veranstaltung: Ein Zahnarztgatte sucht für die Praxis seiner Frau Verstärkung. „Es ist nicht so einfach, junge Absolventen nach St. Georgen zu locken“, klagt er.
Die erhoffte Rettung für die überlastete Praxis: eine junge Zahnärztin aus Syrien, zu der Jutta Himmelsbach über das Med Café den Kontakt hergestellt hat, soll demnächst ein Praktikum dort machen. Und irgendwann, wenn sie ihre deutsche Approbation hat, in die Praxis mit einsteigen.

Das Ziel: der Einstieg in die Praxis
„So kann sie sich während des Praktikums die Abläufe, EDV und den Umgang mit Patienten schon einmal anschauen“, so der Arztgatte, der lieber anonym bleiben möchte, aus Rücksicht auf die junge Syrierin. „Wir wissen ja nicht, was da in Syrien vorgefallen ist, und wollen sie nicht unnötig exponieren“, sagt er.
Dringend gesucht: ein Kinderarzt
Hoffnung auf ein Praktikum oder einen Kontakt zu einem Arzt oder zum Klinikum machen sich auch viele der anderen Ärzte.
Dmytro Hilts zum Beispiel ist Kinderarzt. Er lebt seit August 2022 in Deutschland. Zusammen mit seiner Frau, einer Apothekerin, ist er aus der Ukraine geflüchtet. „Ich habe fast alle Dokumente zusammen. In ein paar Wochen schicke ich diese an das Regierungspräsidium, um die Anerkennung zu bekommen“, sagt Hilts. Endlich.

Hilfe bei der Antragstellung
Über ein Jahr musste er auf einen Sprachkurs warten, erzählt Hilts. Gerade die Kurse in Vorbereitung auf die Fachsprachenprüfung seien rar. Bei der Antragstellung geholfen haben ihm auch die Mitarbeiterinnen des Med Cafés. Sollte alles so klappen, wie er es sich vorstellt, würde Hilts am liebsten wieder in einer Kinderklinik arbeiten.
Warten auf die Approbation
Mehtap Erdal ist vor vier Jahren aus politischen Gründen aus der Türkei ausgewandert. Die Allgemeinmedizinerin spricht gut Deutsch und wünscht sich, endlich ohne Aufsicht in ihrem Beruf arbeiten zu können.
Seit 20 Monaten wartet sie schon auf ihre Approbation, wie sie sagt. Und hat in der Zwischenzeit über 40 Bewerbungen geschrieben. Selbst als Arzthelferin würde sie vorübergehend arbeiten, sagt sie.

Der Wunsch: Endlich wieder arbeiten
„Viele Arbeitgeber haben mir gesagt, wenn ich die Approbation habe, soll ich mich wieder melden.“ Einer hat dann aber doch zugesagt: Aktuell hospitiert sie bei einem Hausarzt in Zimmern ob Rottweil. Hoffentlich ihr zukünftiger Arbeitgeber, wie sie sagt. „Ich will endlich arbeiten und endlich unabhängig sein.“
Viele Anträge noch in der Schwebe
Einige der Ärzte an diesem Tag, darunter Erdal, beklagen, dass der Antragsprozess zu langwierig und zu kompliziert sei. Das RP jedoch meldet, dass mit Stand 25. Mai bei über 30 Prozent der Anträge von Ärzten aus Nicht-EU-Ländern aus dem Jahr 2023 noch Unterlagen fehlten. Bei den Anträgen aus dem vergangenen Jahr seien etwa 46 Prozent unvollständig.
Diese würden nicht zurückgegeben, sondern das Verfahren warte dann auf die Aktion der Antragsteller, nachdem diesen das Fehlen der Unterlagen mitgeteilt worden sei, berichtet das RP auf Anfrage.
„Brauchen Ärzte“
„Wir brauchen die Ärzte“, sagt auch Lena Ummenhofer, die sich im Med Café ehrenamtlich engagiert. „Jegliche Art von Fachrichtung ist bei uns Mangelware, egal ob Kinderarzt oder Hausarzt.“ Und einmal hier angekommen, sowohl privat wie beruflich, äußern die meisten der Mediziner auch den Wunsch, in Deutschland dauerhaft zu bleiben.