Er kam, das darf man sagen, unerwartet. Marian Schreier war 25, Sozialdemokrat und protestantisch, als er ins Tengener Rathaus zog.
Marian Schreier war jüngster Bürgermeister Deutschlands
Acht Jahre lang war er hier Bürgermeister – anfangs der jüngste des Landes – und brachte der Gemeinde im Hegau vieles: den ersten Windpark im Kreis Konstanz, das erste genossenschaftliche Ärztehaus Süddeutschlands, ein digitales Bürgerhaus. Bis er dann ging.
Mit 33 und einem Alter, in dem viele überhaupt erst den Einstieg in die Politik finden.
Er wollte die Perspektive wechseln, das sagte er schon damals, vor einem Jahr. Sein Ziel: Berlin, die Bundeshauptstadt, wo er inzwischen seit April 2023 als Geschäftsführer für Politik und Kommunikation bei der städtischen Industrie- und Handelskammer arbeitet.
„Ich habe mich gut eingelebt“, sagt der 34-Jährige. Auch in der Stadt, die er schon kannte. Mit 23 war Marian Schreier ins Büro von Peer Steinbrück gewechselt, der sich auch Jahre später noch gerne an den Esprit des Nachwuchspolitikers erinnert. Schreier bleibt bescheiden, sagt: „Berlin war mir nicht fremd.“

Natürlich sei die Metropole ganz anders als Tengen – bei fast vier Millionen Einwohnern. Man kenne nicht jede Ecke, zumal Berlin nicht nur eine Metropole, sondern ein komplexes politisch-administratives System mit zwei Verwaltungsebenen, zwölf Bezirken und unzähligen Akteuren sei.
„Das kennenzulernen, macht sehr viel Spaß“, meint Schreier, gewohnt bürokratisch-nüchtern, Anzug, Hemd, dazu keine Krawatte.
Beruflich scheint es jedenfalls gut zu laufen. Die IHK, bei der Marian Schreier etwa 90 Mitarbeitende leitet, nehme „die Perspektiven ihrer Mitgliedsunternehmen auf und vertritt das Gesamtinteresse der Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung“.
Er organisiert und kommuniziert
Seine Rolle in diesem Prozess, die politische Arbeit und Themenfelder gefallen ihm, die von Wohnraum, Stadtentwicklung bis hin zur Bildungs- und Ausbildungspolitik reichen.
Konkret kann das so aussehen: Berlin etwa will Jahr für Jahr 20.000 neue Wohnungen bauen. Hier wirkt die IHK in Runden mit, die das Vorhaben vorbereiten. Anspruch der IHK sei außerdem, sagt Marian Schreier, die öffentliche Debatte mitzugestalten, dieses Jahr vor allem zur Stadtentwicklung.
Wie kann man in einer wachsenden Stadt Wohnraum schaffen, wie will man sich hier fortbewegen? Dazu, erklärt der 34-Jährige, werde es Anfang Juni einen Kongress geben, der Fragen wie diese gebündelt diskutieren soll – zusätzlich wird es eine Kampagne geben, die das Thema nach außen transportiert.
Von Tengen nach Berlin: Marian Schreier bereut nichts
Nein, den Schritt hat er bis heute nicht bereut. Die meisten Herausforderungen unserer Zeit ließen sich nicht mehr allein durch Politik und Verwaltung lösen. „Es ging mir deshalb darum, auch andere gesellschaftliche Perspektiven kennenzulernen“, sagt er also wieder. Nach acht Jahren, in denen er hauptamtlich Politik gemacht habe.
„Es hilft dem eigenen politischen Denken und der Urteilsfähigkeit, wenn man politische Prozesse auf der anderen Seite der Schnittstelle erlebt und begleitet.“ Solche Sätze rollen dem Stuttgarter heute noch müheloser von den Lippen als damals.
Dennoch waren viele überrascht, dass Marian Schreier die aktive Politik so schnell hinter sich ließ. Zumal sein Lebenslauf eigentlich darauf ausgerichtet schien. Mit 19 begann der Stuttgarter sein Studium der Politik- und Verwaltungswissenschaften in Konstanz, mit 20 wurde er Stipendiat der Friedrich-Ebert-Stiftung, zwei Jahre später ging er nach Oxford.
Dann die Arbeit bei Steinbrück, der Rathaussitz in Tengen, die Kandidatur zum Oberbürgermeister von Stuttgart. Eine Karriere wie aus dem Polit-Bilderbuch, jedenfalls bis dahin. War‘s das alles schon?

Grundsätzlich, sagt Marian Schreier, könnte er sich tatsächlich vorstellen, wieder zurückzukehren. Wieder so ein Satz, den er so schon vor einem Jahr von sich sagte, näher festlegen will er sich auch diesmal nicht. Stattdessen: „Das Schöne an politischen Laufbahnen ist, dass man sie nicht planen kann. Die Dinge müssen sich ergeben.“ An der Gestaltung gesellschaftlicher Herausforderungen mitzuwirken, reize ihn auch weiter sehr.
Geht es nach Marian Schreier, muss man bei einer Kandidatur überzeugt sein, dass man einen wesentlichen Beitrag zu Herausforderungen leisten kann, vor denen das jeweilige Gemeinwesen steht – egal ob Bund, Land oder Kommune. „Das kann man nicht am Reißbrett planen, weil sich politische Konstellationen ändern, Herausforderungen sich wandeln und man sich persönlich prüfen muss, ob es passt.“
Marian Schreier verfolgt weiter, was in Tengen passiert
Vor neun Jahren in Tengen war es so. Da konnte er den Unterschied machen. Würde so eine Konstellation wieder auftauchen, könnte der 34-Jährige dann also auch die Gelegenheit ergreifen. Was für ihn dabei infrage kommt, bleibt indes unklar.
Baden-Württemberg? Das Bundesland hat er nämlich weiter im Herzen. Marian Schreier verfolgt, was hier auf Landesebene, was in der Kommunalpolitik passiert – ganz besonders auch in Tengen.
„Es gibt noch einige Prozesse und Vorhaben, die momentan umgesetzt werden und die ich schon während meiner Zeit als Bürgermeister begleiten durfte.“ Den zweiten Windpark zum Beispiel, dessen Genehmigungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, das Schloss Blumenfeld.
An seine Zeit im Hegau erinnert er sich zumindest gerne. Das hat viele Gründe, aber auch einen privaten: „Ich konnte jederzeit vor die Tür treten und joggen gehen.“ In Berlin sei das nicht so einfach.