Der traditionellen Fasnacht droht zum zweiten Mal wegen der Pandemie das Aus. In einigen größeren Städten wie Düsseldorf wurde sie bereits auf den Sommer verlegt. Fasnacht im Sommer? Nun hat sich auch Lörrach dazu entschieden, die Fasnacht auf den Sommer zu verlegen. Das kommt für viele Narren in der Region aber nicht in Frage.
Jörg Rosskopf ist Obergildenmeister der Narrengilde Lörrach. Dem SÜDKURIER sagt er: „Wir wollen den Menschen nach langer schwieriger Zeit wieder Hoffnung auf ein unbeschwertes Wochenende geben.“ Die „Guggeexplosion“ wird deshalb auf den Sommer verlegt – als Festival, mit einem „Hauch Fasnacht“, wie Rosskopf erklärt. Bei der Veranstaltung, die normalerweise am Fasnachtssamstag stattfindet, nehmen 44 Musikformationen teil: fast 2000 Musiker aus ganz Südbaden, Frankreich, der Schweiz und auch Österreich. Mit der neuen Omikronvariante undenkbar.
Rosskopf hält das Verlegen deshalb für legitim. „Das gehört nicht zur althistorischen Fasnacht, das kann man auch im Sommer machen.“ Geplant ist dies nun stattdessen für den 11. Juni, am 12. Juni soll ein bunter Umzug folgen, an dem normalerweise bis zu 3000 Menschen teilnehmen. Ob sich die Teilnehmer verkleiden wollen oder nicht, bleibt ihnen überlassen.
Traditionelle Elemente der Lörracher Fasnacht will aber auch Rosskopf nicht verlegen. Der Narrenbaum wird drei Wochen vor der Fasnacht aufgestellt, „das geht nicht an Pfingsten“, macht der Oberzunftmeister klar. Ob das Schnitzelbanksingen am gleichen Tag stattfinden kann, wenn die Narren von Gaststätte zu Gaststätte ziehen und Spottverse singen, sei aber noch unklar.
Die Narrenmesse in der St. Bonifatius-Kirche aber muss am Fasnachtssonntag sein, findet der Oberzunftmeister. Auch der in Lörrach typische Dällerschlägg kann nicht von diesem Tag verschoben werden. Es geht darum, ein Silberstück in einem Teig zu finden – ohne die Hände zu nutzen. „Das wird natürlich coronakonform stattfinden, mit kleinen Portionen, nicht auf einer großen Platte“, erklärt Rosskopf. Alles, was geplant sei, finde unter 2G-Regelungen statt.
Schwäbisch-alemannische Narrenzünfte feiern nur an Fasnacht
Bei der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte trifft das auf wenig Verständnis. Präsident Roland Wehrle stellt klar: „Die Fasnacht bleibt, wo sie ist und geht maximal bis zum Aschermittwoch.“
Einige Zünfte warteten auf Rat von der Vereinigung, berichtet Wehrle. Doch der Präsident will keine allgemeine Regel ausgeben: „Das soll jeder selbst bewerten.“ Kleinere Veranstaltungen mit Abstand und unter Einhaltung der Corona-Verordnung seien möglich.
Umzüge will er nicht absagen. „Ich habe den Zünften empfohlen, noch bis Mitte Januar zu warten und die Lage dann neu zu bewerten.“ Und es sei ein Unterschied, ob in einem kleinen Dorf im Schwarzwald ein Umzug stattfinde mit ein paar dutzend Zuschauern, oder ob ein Hemdglonkerumzug durch eine Stadt wie Konstanz ziehe. Je mehr man verbiete, fürchtet Wehrle zudem, umso mehr könne illegal trotzdem stattfinden.
„Niemand hätte gedacht, dass wir nach dem vergangenen Jahr in diesem Jahr die gleiche Diskussion führen müssen“, fügt er hinzu. Die Hoffnung will er noch nicht aufgeben. Am 15. Januar sollen Gespräche mit der Landesregierung stattfinden – um auszuloten, was im Februar möglich sein könnte. „Ich bin für so viel Fasnacht wie möglich, aber ohne die Menschen zu gefährden“, macht Wehrle deutlich.
Wehrle sieht zwar schwarz für das „Einschnellen“ mit Karbatschen am 6. Januar. Für Nichtnarren zur Erklärung: Karbatschen sind lederne Peitschen, mit denen durch die Straßen gezogen und gepeitscht und die Fasnacht lautstark begrüßt wird.
Die traditionelle Narrenschelle am 9. Februar will der 73-Jährige aber nicht absagen. Entsprechend gut will der Narr die Veranstaltung vorbereiten – mit Hygienekonzept, 2G-Plus-Beschränkung, einer größeren Halle. „Das machen wir auch, um zu dokumentieren, dass wir zur Normalität zurückkehren müssen“, erklärt Wehrle. Dass die Veranstaltung abgesagt werden muss, schließt er dennoch nicht aus.
Narrenfreundschaftsring Schwarzwald-Baar Heuburg hat Umzüge abgesagt
Auch beim Narrenfreundschaftsring Schwarzwald-Baar Heuburg kommt ein Verschieben der Fasnacht nicht in Frage. Kurt Szofer fürchtet auch um das traditionelle „Häs abstauben“ am 6. Januar. Mit den aktuellen Kontaktbeschränkungen ist schon der traditionelle Auftakt der Fasnacht eine Herausforderung für die Zünfte des Narrenfreundschaftsrings Schwarzwald-Baar Heuburg.
Doch große Menschenansammlungen sind mit der derzeit bis 24. Januar geltenden Verordnung kaum möglich. Selbst für Geimpfte und Genesene gilt demnach: Höchstens zehn Menschen in Innenräumen, maximal fünfzig dürfen draußen zusammen kommen. Ist ein Ungeimpfter dabei, darf ein Haushalt maximal zwei Personen aus einem anderen Haushalt empfangen. Von Haus zu Haus zu ziehen, um die Kostüme der Zunftmitglieder „abzustauben“, das wird kaum möglich sein. Auch weil niemand weiß, ob alle Narren geimpft sind.
„Wir werden viel virtuell machen müssen“, sagt Szofer. Die Umzüge, die im Februar stattfinden sollten, hat der Narrenpräsident ohnehin schon abgesagt. In Scherzingen feiert die Zunft 2022 ihr hundertjähriges Bestehen. „Das tut schon weh, dass wir das nicht feiern können“, gibt der 66-Jährige zu. Normalerweise würde dort ein dreitägiges Ringtreffen stattfinden. Doch die Pandemie macht den Narren einmal mehr einen Strich durch die Rechnung.
„Wir hoffen, dass ein paar Veranstaltungen möglich sind. Wie es Mitte Februar aussieht, wissen wir aber noch nicht.“ Vieles hänge davon ab, wie sich die neue Virusvariante bis dahin ausgebreitet hat. Traditionell setzen die Zünfte einen Narrenbaum, meist am Schmotzigen Dunschtig.
Sollten größere Ansammlungen nach wie vor nicht erlaubt sein, müsste auch diese Tradition ausfallen. „Normalerweise ‚befreien‘ wir ja auch Schulen und Kindergärten, auch das ist alles noch offen“, so Szofer. „In jedem Fall müssen wir die Gemeinden und Behörden mit ins Boot holen“, betont er: „Die aktuelle Corona-Verordnung ist maßgeblich.“
Narrenvereinigung Hegau-Bodensee wartet noch ab
Rainer Hespeler ist Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee und gehört der Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Narrenverbände an, die 14 Verbände und mehr als 700 Zünfte vertritt. Er hält „absolut gar nichts“ davon, die Fasnacht zu verlegen. „Sie würden Weihnachten doch auch nicht im Sommer feiern, oder?“
Mitte Januar wird auch er teilnehmen an der Besprechung mit den Landesministerien, dem Städte- und Gemeindetag, um eine „Matrix“ zu erstellen, was unter welchen Umständen stattfinden kann. „Es soll aber keine Komplettabsage der Fasnacht geben wie vergangenes Jahr“, betont Hespeler. Hespeler hofft darauf, dass zumindest die Straßenfasnacht nicht gestrichen wird. Für alles, was stattfinde, müssen aber Hygienekonzepte und Stichprobenkontrollen gesichert sein, ergänzt der 58-Jährige.
„Sicher geplant ist aber noch gar nichts, wir schauen von Woche zu Woche“, so Hespeler. Auch zum Fasnachtsauftakt am 6. Januar werden Dreikönigsfrühschoppen oder -tagungen ausfallen müssen. „Häs abstauben“ könne nur im „ganz kleinen Kreis“ stattfinden – unter geltenden Corona-Bestimmungen, wie Hespeler betont.
In seiner eigenen Narrenzunft hält Hespeler bislang an der Zunftmeistertagung am 5. Februar fest, ebenso an der nur alle fünf Jahre abgehaltenen „Fasnetküchlefahrt“. Am 7. Januar wolle das Präsidium aber virtuell tagen und endgültig entscheiden, hieß es.
Den Zünften habe die Arbeitsgemeinschaft aber geraten, organisatorisch aufwendigere und größere Veranstaltungen mit finanzieller Vorleistung abzusagen. Das Risiko, dass die Infektionszahlen keine größeren Versammlungen zulassen, ist einfach zu groß.