Die Mission der Europäischen Weltraumorganisation ESA könnte profan so beschrieben werden: Zwei kombinierte Uhren in der Größe eines Kühlschrankes werden ins All geschossen, um 400 Kilometer über der Erde die Zeit zu messen. Die Erklärung ist für die beteiligten Wissenschaftler natürlich unzulänglich.

Vielmehr erwarten sie von der Präzisionsuhr „Atomic Clock Ensemble in Space“ (ACES) nicht weniger als neue Einblicke in die Beziehung zwischen Schwerkraft und Zeit. Bestmöglich könnte das Verständnis der grundlegenden Gesetze der Physik erweitert werden, so die ESA.

Einstein im Blick

Im Blick sei dabei Albert Einsteins Relativitätstheorie, nach der Schwerkraft den Lauf der Zeit beeinflusse. Experimente auf der Erde haben gezeigt, dass die Zeit in großer Höhe, etwa auf Bergen, schneller vergeht als auf Meereshöhe.

Die ACES-Mission soll dieses Experiment auf die nächste Stufe heben und dazu im Weltraum die Zeit messen. Erforderlich ist dafür ein ultrapräzises Instrument: „Die genaueste Uhr, die je im Weltraum aufgestellt wurde“, sagte Philippe Laurent vom Observatoire de Paris bei der Vorstellung der Mission.

Die von der ESA zusammen mit Airbus entwickelte ACES-Doppeluhr vereint zwei Atomuhren: Eine Cäsium-Atomuhr von der französischen Raumfahrtagentur CNES sowie ein aktiver Wasserstoffmaser, der in der Schweiz von Safran Time Technologies hergestellt wurde und Wasserstoffatome zur Zeitmessung nutzt.

Beide Uhren arbeiten zusammen und erzeugen das genaueste Zeitsignal, das jemals aus dem Weltraum gesendet wurde, erklärten die ESA-Wissenschaftler.

Zusammenbau im Reinraum

Zusammengebaut wurden die Atomuhren in Friedrichshafen bei Airbus in einem Reinraum, der nahezu frei von luftgetragenen Partikeln ist. Eine Herausforderung sei gewesen, die Signale beider Uhren zusammenzuführen, sagte Airbus-Projektmanager Patrick Crescence.

Das Modul werde nun zur Internationalen Raumfahrtstation ISS gebracht. Im März verlies es Europa. Im Kennedy Space Center der NASA in Florida legten Ingenieure letzte Hand an, bevor es mit einer Falcon-9-Rakete von Space X zur ISS gelangt. Der Start ist für Ostermontag vorgesehen.

Auf der Raumstation soll das Modul mit einem Roboterarm an der Außenwand befestigt werden und 30 Monate lang ein Zeitsignal senden. Die High-Tech-Uhr werde in ein Netzwerk aus den genauesten Uhren auf der Erde eingebunden. Ziel sei, die Zeitdifferenz zwischen Erde und Weltraum zu messen, sagte ESA-Projektleiter Simon Weinberg.

Er verwies auf die Bedeutung der Zeit als physikalische Grundkonstante: „Zeit ist in jeder Art von Gleichung enthalten, die für die physikalische Messung von Geschwindigkeit und Beschleunigung verwendet werden.“

Die Mission diene der Suche nach zeitlichen Schwankungen fundamentaler physikalischer Konstanten. Getestet werde dabei Einsteins Theorie der gravitativen Zeitausdehnung, das also Zeit in einem starken Gravitationsfeld langsamer verläuft, als wenn sie einer schwächeren Schwerkraft ausgesetzt ist. Die Wissenschaftler stellen also Einstein auf den Prüfstand.