Die Welt steht Kopf: Nach drei Jahren Covid-19-Pandemie und einem über anderthalb Jahre anhaltenden Ukrainekrieg ist seit Oktober 2023 der Nah-Ost Konflikt wieder entfacht. Themen wie Klimawandel, Inflation, Rezession und andere politisch-gesellschaftliche Probleme sind weit weg von einer Lösung. Was bewirken diese Nachrichten bei den Menschen, wie gehen sie damit um? Und was kann man tun, wenn einem alles zu viel wird?

Luisa Kerner (24), Studentin

Luisa Kerner ist 24 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz.
Luisa Kerner ist 24 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz. | Bild: Max Olszewski / Südkurier

„Ich würde auf jeden Fall sagen, dass die letzten drei Wochen einen Einfluss auf mein Wohlbefinden hatten. Ich glaube, aktuell ist es schon wieder am Abklingen. Ich befinde mich gerade in der Phase, in der ich zum Beispiel Social Media deaktiviert habe, weil ich jemand bin, der davon sehr beeinflusst wird“, sagt die Kosntanzer Studentin Luisa Kerner.

Zum Umgang mit den Nachrichten, die sie negativ beeinflussen, sagt sie: „Es ist nicht gut zu sagen: Jetzt schalte ich alles ab oder jetzt lösche ich alles und beschäftige mich einfach gar nicht mehr damit. Aber man sollte sich trotzdem irgendwie disziplinieren oder sein ein Limit setzen. Es kann vielleicht auch helfen, abends nicht mehr so viele Nachrichten zu konsumieren. Es geht wahrscheinlich gerade vielen Menschen so, dass man eher ein bisschen Abstand nimmt.“

Reinhold Frey, 76, Pensionär

Rheinhold Frey lebt pensioniert in Konstanz.
Rheinhold Frey lebt pensioniert in Konstanz. | Bild: Max Olszewski / Südkurier

Reinhold Frey aus Konstanz konsumiert vor allem Fernsehnachrichten und Zeitungen, um sich über die aktuelle Nachrichtenlage zu informieren. Er sagt, dass die aktuelle Nachrichtenlage ihn zwar emotional beeinflusst, aber keinen konkreten Einfluss auf seinen Alltag hat. „Ich konsumiere jetzt nicht mehr Nachrichten aufgrund der aktuellen Lage, aber auch nicht weniger“. So wählt er bewusst aus, welche Informationen er konsumiert und welche nicht. Frey sagt: „Als Stoiker geht man mit einer gewissen Gelassenheit heran“.

Jolanthe Jüders (61), Direktrice

Jolanthe Jüders wohnt in Radolfzell und ist angestellte Direktrice.
Jolanthe Jüders wohnt in Radolfzell und ist angestellte Direktrice. | Bild: Max Olszewski / Südkurier

Auch Jolanthe Jüders aus Radolfzell sagt, dass die aktuelle Nachrichtenlage sie beschäftigt. „Es verstört einen und man empfindet Beklemmung“. Um sich über die tagesaktuellen Nachrichten zu informieren, nutzt sie Nachrichtenapps und die Zeitung. Und im sich abzulenken? Wenn Nachrichten sie negativ beschäftigen, geht sie schwimmen, spazieren oder joggen, um dem Gedankenstrudel zu entkommen.

Das sagt der Experte: Simon Koschut, Zeppelin-Universität Friedrichshafen

Professor Dr. Simon Koschut forscht und lehrt an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Am Lehrstuhl für internationale ...
Professor Dr. Simon Koschut forscht und lehrt an der Zeppelin-Universität in Friedrichshafen. Am Lehrstuhl für internationale Sicherheitspolitik befasst er sich mit dem Verständnis und der Bewältigung globaler Sicherheitsbedrohungen. Im Fokus seiner Forschung liegt die internationale und regionale Sicherheitsorganisationen emotionale und internationale Konflikte als auch regionale Integration und globale Ordnung. | Bild: Samuel Groesch / ZU

Herr Koschut, angesichts von aufeinanderfolgenden Krisen wie Corona, dem Ukraine-Konflikt und dem Konflikt in Israel – ist das zu viel für die Menschen, was gerade passiert?

Das ist eine große Frage. Ich denke zu viel ist schwierig zu bewerten. Ich würde sagen, es ist insofern zu viel, dass es grundsätzlich ein generelles Gefühl der Unsicherheit in der Bevölkerung gibt. Und dieses Gefühl wird durch diese zunehmende Krise verstärkt. Das würde ich gar nicht mal mit konkreten Emotionen beschreiben, sondern das ist ein unbestimmtes Unsicherheitsgefühl. Dieses unbestimmte Gefühl: Hier läuft grundsätzlich was falsch oder in die falsche Richtung. Es ist eine gefühlte Unsicherheit in der weiten Bevölkerung, die wirklich bis in die höhere Mittelschicht hineingeht.

Falls man von der aktuellen Nachrichtenlage negativ beeinflusst ist, wie kommt man aus dem Gedankenstrudel wieder raus? Haben Sie noch weitere Tipps?

Ich habe das von einigen gehört aus meinem Bekanntenkreis, die dann sagen: „Ach, ich schaue keine Nachrichten mehr, das zieht mich einfach runter“. Aber ich glaube, diese Taktik ist der falsche Weg, weil dann bekommt man gar nichts mehr mit und muss alles glauben, was man darüber von anderen hört. Ich denke, ein besserer Weg wäre zu sagen: Man schaut weiterhin Nachrichten, aber man versucht bewusst einen Ausgleich zu schaffen, sodass diese vermeintlich negative Berichterstattung durch etwas Positives ausgeglichen wird. Das in seinen privaten Alltag einbaut beziehungsweise auch die guten Nachrichten bewusst wahrnimmt. Es ist ja nicht alles negativ. Einfach nur den Kopf in den Sand stecken und die Nachrichten ignorieren, das hilft nicht weiter.

Was hat sich durch die Verwendung der sozialer Medien hinsichtlich der Wahrnehmung der Nachrichtenlage verändert hat?

Aus sozialpsychologischer Sicht ist das ganz einfach zu klären. Das sind die berühmten Echokammern, die entstehen. Das heißt, wir tendieren dazu, aus psychologischer Sicht immer das zu glauben was unsere Überzeugung widerspiegelt beziehungsweise die Überzeugung der Gruppe, der wir angehören. Das heißt, wenn wir uns in sozialen Medien zu Gruppen zusammenschließen, kommt es zur Reproduktion von Überzeugungen, die schon vorhanden sind. Individuen in einer Gruppe bestärken sich. Radikalere, noch extremere Überzeugungen bilden sich, weil sie sich durch andere Gruppenmitglieder in ihrer Meinung bestätigt und ermutigt fühlen.

Falls man in den, wie von Ihnen erklärt, Echokammer sich befindet, welche Empfehlungen haben Sie, um angemessen mit den aktuellen Nachrichten umzugehen, falls man sich davon negativ beeinflusst wird?

Da gilt immer das Prinzip: diversifizieren! Auch mal andere Nachrichten anschauen, in den sozialen Medien ruhig auch mal andere Gruppen anhören. Das widerspricht eigentlich dem, was unser Gehirn und unsere Gruppendynamik so vorgibt. Mit anderen Worten – das ist anstrengend. Aber dem sollte man sich aussetzen und sich andere Meinung anhören. Man muss diese Meinung nicht gleich übernehmen und sie auch nicht gut finden. Aber allein dadurch – und das haben auch Experimente in der Sozialpsychologie gezeigt –, dass ich mir eine Meinung anhöre, werde ich nicht nur toleranter gegenüber der anderen Meinung, sondern auch der andere beginnt kritisch über seine Meinung zu reflektieren. Aber wie gesagt – das ist anstrengend und macht keiner gerne.