Mangelhaft. Bei der Bewältigung der Corona-Krise lassen die Baden-Württemberger die Schulpolitik im Land glatt durchfallen. Kultusminister können es nie allen recht machen, schlechte Noten gehören für sie quasi zur Arbeitsplatzbeschreibung. Die CDU-Politikerin Susanne Eisenmann, seit 2016 Kultusministerin im Kabinett Kretschmann II, ist da keine Ausnahme. Und Schulschließungen mit allen Folgen und Schulbetrieb unter Corona-Bedingungen machen es nicht besser.
Das Ergebnis der Allensbach-Umfrage im Auftrag der baden-württembergischen Tageszeitungen ist aber nicht nur für die Kultusministerin Eisenmann verheerend. Sondern auch für die CDU Baden-Württemberg und ihre Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann, die am 14. März 2021 Winfried Kretschmann aus dem Amt jagen und erste Ministerpräsidentin im Land werden will.
Dass ein Drittel der Bevölkerung die 55-jährige Stuttgarterin viereinhalb Monate vor der Wahl gar nicht kennt, dürfte weder in der CDU-Landesgeschäftsstelle Freudentänze auslösen noch im Kultusministerium, wo Eisenmanns enger Beraterkreis sitzt.
Nur 14 Prozent Zustimmung
Umfragewerte gelten zwar erst sechs Wochen vor Wahlen als harte Währung. Aber die Bekanntheit des letzten CDU-Spitzenkandidaten Guido Wolf 2016 war vergleichbar gering. Das Ergebnis ist bekannt: Noch nie fuhr die Südwest-CDU bei einer Landtagswahl ein schlechteres Ergebnis ein. Danach hat man in der Parteizentrale rund um Generalsekretär Manuel Hagel Fehler analysiert und die Kampagne 2020 mit professioneller Hilfe neu aufgezogen.
Besonders Eltern haben ein schlechtes Bild
Aber anders als bei Guido Wolf, der 2016 ohne Amtsmalus aus einem schwierigen Fachministerium ins Rennen ging, überwiegen bei Eisenmann klar die negativen Bewertungen: Eltern mit Kindern in Schulen und Kitas haben zu 39 Prozent ein schlechtes Bild von ihrer Arbeit, nur 14 Prozent geben der Kultusministerin eine gute Note. Und ihr Corona-Management fällt stark gegen die Bewertung der Landesregierung ab. Dies wieder einzufangen und sie als tatkräftige Alternative zu dem beliebten Kretschmann zu positionieren, wird ein hartes Stück Arbeit für die CDU-Wahlstrategen.
Aber Herausforderungen ist Susanne Eisenmann noch nie aus dem Weg gegangen. Die promovierte Germanistin, Jahrgang 1964, erwirbt sich in der Stuttgarter Kommunalpolitik erste CDU-Meriten, heuert 1991 im persönlichen Büro des damaligen CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden und späteren Ministerpräsidenten Günther Oettinger an. Sie leitet es bis 2005, ein persönlichkeitsprägendes Stahlbad. 2005 wird sie in Stuttgart Schulbürgermeisterin, bewährt sich als pragmatische, unideologische Macherin mit freilich wenig diplomatischem Ton.
Sie macht Großstadtpolitik auch gegen CDU-Parteilinie, etwa mit der Förderung von Gemeinschaftsschulen und Ganztagsangeboten. In der Partei selbst spielt sie keine prominente Rolle, ist aber auf oberster Ebene vernetzt: Mit Oettingers ehemaligem Regierungssprecher Christoph Dahl ist sie seit 2009 verheiratet, das Paar ist mit dem CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl befreundet.
Als Strobl im Frühjahr 2016 bei der Besetzung der CDU-Ministerposten in der grün-schwarzen Koalition nach ministrablen Frauen Ausschau hält, bietet er Eisenmann das Kultusressort an. Auf dem Zettel hatte sie kaum jemand. Die Begeisterung in der CDU-Fraktion über die Neueinsteigerin hält sich in Grenzen.
Respekt bringt ihr ein typischer Eisenmann-Coup ein: Weil im Herbst 2016 ihr Etat gekürzt werden soll und 1000 Lehrerstellen wegzufallen drohen, kündigt sie öffentlichkeitswirksam die Streichung von grünen Prestigeprojekten wie Inklusion und Ganztagsschulausbau an.
Mühsamer Start, Millionenflop
Der Aufschrei ist groß, ihr Plan geht auf. Eisenmann bekommt Stellen, Mittel und Anerkennung. Doch das Kultusressort ist ein großer Brocken. Weil baden-württembergische Schüler seit Jahren in Leistungsvergleichen abstürzen, baut Eisenmann die Schulverwaltung um, setzt auf neue Qualitätsstandards. Der Start ist mühsam.
Die digitale Bildungsplattform Ella wird zum millionenteuren Flop, der schleppende Digitalausbau der Schulen und die marode Infrastruktur, für die eigentlich Schulträger und Kommunen zuständig sind, wird ihr angelastet. Es geht nicht voran.
Strobl eiskalt abgeräumt
Dennoch richtet sich der begehrliche Blick der CDU-Landtagsfraktion zunehmend auf Eisenmann. Die CDU kommt nicht aus dem Umfragetief, Strobl nicht aus der Kritik. Eisenmann stellt sich schließlich dem Werben. Im April 2019 zwingt sie Strobl, der sie einst ins Amt holte, nach einem Machtkampf um die Spitzenkandidatur schließlich zum Rückzug. Die Freundschaft zerbricht. Aber Eisenmann hat Stärke bewiesen, die CDU schöpft Hoffnung, sammelt sich hinter ihr.
Aber dann übernimmt das Virus die Regentschaft. Eisenmann kann als Ressortchefin im Kultusministerium nur noch reagieren, wird in den ersten Wochen und Monaten getrieben vom Infektionsgeschehen. Eine Situation, mit der niemand rechnen konnte. Jetzt werden alle bildungspolitischen Versäumnisse der vergangenen Jahre auf einen Schlag sichtbar: die knappe Personaldecke, die fehlende digitale Infrastruktur, die versäumte Qualifizierung der Lehrkräfte, fehlende Hard- und Software.
Dass ihr für den Schulstart nach den Sommerferien vorgelegtes Konzept nicht die eine ideale Lösung für alle Schulen, Eltern, Schüler und Lehrer anbieten kann, ist Betroffenen schwer zu vermitteln. In dem Gesprächsformat „Eisenmann will‘s wissen“, mit dem CDU sie derzeit landesweit bekannt machen will, versucht sie es dennoch.
Sie stellt sich den Bürgern, es geht fast nur um Corona und Schulen. Beobachter erleben Eisenmann hier als offen, diskussionsfreudig und selbstkritisch. „Echt. Ehrlich. Eisenmann.“ ist der Slogan, mit dem sie positioniert werden soll. Das passt. Gewinnen soll sie aber auch. In den Schulen gegen das Virus, im Wahlkampf gegen Kretschmann. Kaum zu sagen, was schwieriger wird.