Protest wird nicht dadurch überzeugend, dass er besonders lange geht
Demonstrationen können auf viele Arten beeindruckend sein: Wenn besonders viele Menschen teilnehmen oder wenn die Teilnehmer besonders laut oder sehr kreativ sind. Was eine Demonstration allerdings nicht spektakulär macht: ihre schiere Dauer.
Dass der Protest am Bodensee zwei volle Tage dauerte, machte ihn nicht wirkungsvoller. Manche der 29 Veranstaltungen in Konstanz fanden erst gar nicht statt. Langwierig bis zerfleddert wirkte das und oft auch wenig koordiniert – übrigens in beiden Lagern. Beeindruckende Bilder gab es deswegen kaum zu sehen.
Das Mobilisierungspotenzial der Menschenkette war überraschend groß
Auch wenn das Projekt Menschenkette doch deutlich gescheitert ist, hat die Aktion ein gewisses Mobilisierungspotenzial bewiesen. Menschen mit auf den ersten Blick verschiedenen Zielen und Botschaften mischten sich.
Gleichzeitig hat die Aktion aber auch gezeigt, dass ein Großteil der Bevölkerung zumindest in der Region damit wenig anfangen kann – nicht wenige Teilnehmer kamen sogar nicht einmal aus Baden-Württemberg, so der Eindruck vor Ort. Die erhoffte Signalwirkung über die eigenen Kreise hinaus blieb jedoch aus. Eine klar vermittelte Botschaft konnte die Menschenkette zumindest nicht vermitteln.
Überparteiliches Bündnis macht den Gegenprotest stark – am Samstag
Gerade am Samstag haben sich viele Konstanzer Gruppen einig gezeigt gegen Hass und Verschwörungstheorien. Dass der Gegenprotest von einem überparteilichen Bündnis getragen war, hat ihn stark gemacht. Dass er – auch aus Corona-Gründen, so die Veranstalter – aber ebenfalls auf mehrere Veranstaltungen und Zeitpunkte verteilt war, hat ihm wiederum Wucht genommen.
Manch einer, der eigentlich demonstrieren wollte, mag da den Überblick verloren haben. Das sorgte unter anderem dafür, dass am Sonntagvormittag den Querdenkern nur sehr wenige Gegendemonstranten gegenüberstanden. Generell hatte die breite Masse am Sonntag kaum etwas entgegenzusetzen und war zahlenmäßig unterlegen.
Vom scheinbar harmlosen Spinner bis zum gefährlichen Hetzer ist es nicht weit
Ja, man kann die „Querdenker“-Kundgebungen belächeln, etwa dann wenn schräge Musiker schräge Friede-Freude-Eierkuchen-Texte ins Mikrofon krakeelen. Aber es gibt eben auch jene wie Robert Franz, der im Steinzeit-Dress behauptet, Vitamin D würde Corona heilen. Oder noch schlimmer jene, die die Falschbehauptung aufstellen, dass Masken Kinder töten, oder solche wie Karl Hilz, die mit kruden Thesen Politiker und Presse angehen. Hier beginnt rasch die Demokratiefeindlichkeit.
Und selbst wer nur scheinbar harmlosen Quatsch glaubt, wandelt schnell auf Abwegen: Wer einmal die Welt der Fakten verlassen hat, wird leicht zum Opfer von Menschenfängern aller Art – auch von jenen, die wirklich nicht Friede für alle im Schilde führen.
Friedlicher Protest ist beiden Seiten möglich
Immerhin, und das ist eine positive Lehre: Außer einem kleinen Scharmützel zwischen Polizei und Anitfa blieb es friedlich, auch als „Querdenker“ und Gegendemonstranten sich direkt gegenüber standen. So zog der Gegenprotest-Zug beispielsweise direkt an der Menschenkette vorbei, ohne dass es dabei Schwierigkeiten gegeben hätte.