Coli-Bakterien in Allensbach, Rottweil und Wolterdingen, Milchsäurebakterien in Bad Dürrheim – diese vier Fälle sorgten zuletzt für Aufsehen. Die Ursachen für die Verunreinigung: meist nicht eindeutig zu ermitteln. Doch zumindest in Allensbach lag es an starken Regenfällen, durch die ein verstopfter Kanal überlief. Schmutzwasser gelangte so durch eine undichte Stelle in einen Trinkwasserbrunnen.
Nicht nur Betroffene fragen sich: Wie kann das sein? Und kommt das bald immer häufiger vor? Denn wegen des Klimawandels könnte es künftig häufiger kurz, aber dafür sehr stark regnen.
Wie gelangen die Keime ins Trinkwasser?
Wie Keime ins Wasser gelangen können, hängt von der Methode der Wassergewinnung ab, erklärt Sören Knoll. Er beschäftigt sich als Professor für Siedlungswasserwirtschaft an der HTWG Konstanz damit, wie Ab- und Trinkwasser aufbereitet und verteilt wird. Die Brunnen, aus denen 70 Prozent unseres Trinkwassers stammen, seien bei starkem Regen besonders gefährdet, sagt er.
Trinkwassergewinnung
Zwar befinden sich die Pumpen zur Wassergewinnung in Brunnen in 50 bis 100 Metern Tiefe, wodurch das Wasser bei der Versickerung eigentlich ausreichend gefiltert wird, zudem sind um die Brunnen herum Wasserschutzgebiete eingerichtet, in denen strenge Regeln gelten.
Doch viele Menschen würden die Regeln nicht kennen, vermutet Knoll. Deshalb befänden sich manchmal Misthaufen oder Gülle innerhalb der Zonen. „Bei Starkregen wird extrem viel davon auf einmal gelöst und Fäkalien, von denen sich Coli-Bakterien ernähren, werden zum Trinkwasserbrunnen gespült“, erklärt der Experte.
An der Erdoberfläche seien die Brunnen zwar durch Deckel geschützt, die eigentlich dicht sein sollten. Aber, so Knoll, „häufig fallen undichte Stellen lange Zeit nicht auf, weil extreme Regenfälle selten sind“. Kommt es dann zum Ernstfall, läuft der Brunnen mit verkeimtem Wasser voll – ein sogenannter hydraulischer Kurzschluss, bei dem sich Trink- und Abwasser mischen.
Wie sicher ist das Leitungssystem in Deutschland?
Für die Instandhaltung und Überprüfung des Wassersystems sind in Deutschland die Wasserversorger zuständig – meist Stadt- oder Gemeindewerke. Mit der Entnahme von Proben beauftragen sie aber häufig externe Institute wie Fresenius oder direkt das Gesundheitsamt.
In Baden-Württemberg überwachen die Gesundheitsämter der Landkreise und das Landesgesundheitsamt die Trinkwasserqualität. Wie Marlene Pellhammer, Pressesprecherin des Landratsamts Konstanz, erklärt, wird das Wasser regelmäßig mikrobiologisch und chemisch kontrolliert.
Wie oft solche Kontrollen stattfinden, hängt davon ab, wie viele Menschen von einem Stadtwerk versorgt werden. „Es muss aber mindestens einmal im Jahr stattfinden“, so Knoll. Ein Beispiel: Die Stadtwerke Konstanz werten pro Jahr rund 180 Proben in ihrem Versorgungsgebiet aus, sagt Pressesprecher Josef Siebler.
Wie kann es dann zu Fällen wie in Allensbach kommen? Marlene Pellhammer nennt es eine „Verkettung seltener Umstände.“ Sie erklärt: „Durch die ungewöhnlichen Wetterverhältnisse an diesem Tag wurde eine weit entfernte Abwasserleitung außerhalb des Schutzgebietes verstopft und staute sich ein.“
Daher sei der gesamte Bereich um den Brunnen überflutet worden. Und der Allensbacher Hauptamtsleiter Stefan Weiss sagt, bei der Ursachenforschung sei eine undichte Stelle am Brunnenkopf am Tiefbrunnen Setze entdeckt worden, die zuvor wohl nicht aufgefallen ist.
Was passiert bei einer Verunreinigung des Trinkwassers?
In einen solchen Fall, erklärt Sören Knoll, „informieren die Institute die Versorger, also meist die Stadtwerke.“ Wenn bestimmte Grenzwerte überschritten werden, müssen zudem die Gesundheitsämter informiert werden, so Marlene Pellhammer. Das Gesundheitsamt verordne dann entsprechende Handlungen – zum Beispiel Abkochen, Aufbereiten oder Unterbrechen der Wasserversorgung.
Die Gemeinde sei jedoch selbst zuständig, die betroffene Bevölkerung über verschiedene Kanäle wie Presse, Internetseiten der Kommunen, das Radio oder Warn-Apps über ein erlassenes Abkoch-Gebot zu informieren.
Sorgen müssen sich die Verbraucher laut Knoll trotz der vier Fälle innerhalb kurzer Zeit vorerst aber nicht machen. „Die Trinkwasserleitungen in Deutschland sind sehr, sehr sicher“, gibt er Entwarnung. Eine generelle Zunahme von Verunreinigungen nehme er nicht wahr. „Aber rund um Starkregenereignisse kommt es immer wieder zu Häufungen, da diese ein Stresstest für das System sind und Schwachstellen aufdecken.“
Welchen Einfluss hat der Klimawandel?
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie wetterfest das System angesichts des Klimawandels ist, wenn häufiger starke Regenfälle zu erwarten sind? „Natürlich wird die Wahrscheinlichkeit auf Starkregen, der Verunreinigungen auslöst, erst einmal größer. Aber das erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass Schwachstellen entdeckt und behoben werden“, sagt Knoll.
Wie diese Anpassung aussehen könnte, ist noch nicht ganz klar. Das Land arbeitet seit März 2019 am „Masterplan Wasserversorgung Baden-Württemberg“. Sebastian Schreiber, Pressesprecher des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz, berichtet: „Wir führen eine Bestandsaufnahme des Ist-Zustands und eine Prognose für 2050 der öffentlichen Wasserversorgung in Baden-Württemberg durch.“
Dabei werde auch geprüft, welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Rohwasserqualität hat und ob die jetzigen Wasservorkommen auch zukünftig nutzbar sein werden.
Seit Herbst 2021 hätten Ingenieurbüros in den ersten Kreisen mit Erhebungen begonnen – auch Tuttlingen gehört dazu. Zwischenergebnisse gebe es aktuell noch nicht, sagt Ministeriumssprecher Schreiber. Erst nach Abschluss des Projekts in einigen Jahren würden die Ergebnisse den Verantwortlichen in den Kommunen zur Verfügung gestellt werden.
Knoll schätzt derweil: „Undichte Stellen an Brunnen zu beheben, wäre kein allzu großer Aufwand. Ich vermute, dafür wäre jeweils nur ein fünfstelliger Betrag notwendig.“