In der seit Monaten ungeklärten Führungsfrage am Polizeipräsidium Konstanz gibt es eine Wende: Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den ursprünglich vorgesehenen Polizeipräsidenten Jürgen von Massenbach-Bardt sind nach Informationen des SÜDKURIER eingestellt worden. Damit ist eine zentrale Hürde für seine Berufung an den Bodensee aus dem Weg geräumt. Eine Hürde bleibt aber noch.

Der Fall hatte Ende 2024 landesweit für Aufsehen gesorgt, als Ermittlungen gegen hochrangige Polizeibeamte bekannt wurden. Monate vorher hatte das Innenministerium in Stuttgart von Massenbach-Bardt für das Amt des Polizeipräsidenten in Konstanz angekündigt.

Er ist ein hochrangiger, erfahrener Beamter, der bis dahin an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen als Vizepräsident tätig war. An seiner letzten Wirkungsstätte wird er als integerer und kompetenter Mann geschätzt. Sein Amt in Konstanz konnte er wegen der damaligen laufenden Ermittlungen nicht antreten.

Wie alles anfing

Die Ermittlungen begannen tatsächlich schon im Sommer 2024 und wurden im Dezember ausgeweitet. Das Landespolizeipräsidium erfuhr am 15. August 2024 von dem Verdacht, nachdem die Bürgerbeauftragte Kontakt aufgenommen hatte. Zuvor hatte ein Hinweisgeber sie informiert.

Jürgen von Massenbach-Bardt
Jürgen von Massenbach-Bardt | Bild: Polizei BW

Der Vorwurf: Manipulation von Leistungsprüfungen an der Hochschule für Polizei Baden-Württemberg. Ein Polizeianwärter habe die vorgeschriebene Zeit in einer Sportprüfung nicht erreicht. Die Ergebnisse sollen nachträglich manipuliert worden sein – angeblich mit Wissen und Beteiligung hochrangiger Polizeibeamter.

Ein Anwärter für den gehobenen Polizeidienst soll eine geforderte Mindestzeit beim 5000-Meter-Lauf nicht erreicht haben. Um mit Note 4,0 zu bestehen, darf man dafür längstens 24,5 Minuten brauchen.

Interims-Lösung wurde verlängert

Am Konstanzer Präsidium gingen indes zum Jahreswechsel der bisherige Präsident Hubert Wörner, als auch sein Vize Thomas Föhr in den Ruhestand. Um die Leitung am Benediktinerplatz vorübergehend zu sichern, wurde Uwe Stürmer zum kommissarischen Polizeipräsidenten von Konstanz bestellt – eine Lösung, die ursprünglich für drei Monate gedacht war, dann um zwei Monate (April und Mai) verlängert wurde. Stürmer ist dazu Polizeipräsident in Ravensburg.

Die aktuellen Entwicklungen wollte Stürmer auf Anfrage nicht kommentieren. Er betont aber, dass er von Anfang an auf die Unschuldsvermutung hingewiesen hat. Er sei optimistisch, dass eine Entscheidung über die künftigen Führungsverhältnisse nun alsbald getroffen werden könne, so Stürmer.

Uwe Stürmer führte fünf Monate lang zwei Präsidien. Seine Zeit als Interims-Präsident endet Ende Mai.
Uwe Stürmer führte fünf Monate lang zwei Präsidien. Seine Zeit als Interims-Präsident endet Ende Mai. | Bild: Timm Lechler

Im Präsidium in Konstanz wurde Stürmer offenbar geschätzt. Und viele hätten sich gewünscht, dass er die Aufgabe dauerhaft übernehme. Das wurde auf der jüngsten Personalversammlung deutlich, heißt es aus Polizeikreisen.

Ein Strafbefehl wurde beantragt

Jetzt steht fest: Das Verfahren gegen Jürgen von Massenbach-Bardt und die meisten anderen Beschuldigten wurde eingestellt. Die Staatsanwaltschaft sah keinen ausreichenden Tatverdacht – nach Prüfung aller Ermittlungsergebnisse fehlten Beweise für eine Anklage. Grundlage dafür ist Paragraf 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung. Bei einer mitbeschuldigten Tarifbeschäftigte wurde das Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt.

Anders siehst es aber für einen höherrangigen Polizeibeamten aus: Gegen den Institutsleiter an der Hochschule für Polizei wurde beim Amtsgericht Böblingen ein Strafbefehl beantragt. Der Mann soll im Juni 2024 veranlasst haben, dass das fragliche Zeugnis ausgestellt wurde und der Polizeianwärter seine Ausbildung fortsetzen konnte.

Der Strafbefehl wurde vor wenigen Tagen erlassen, ist allerdings nicht rechtskräftig, bestätigt das Amtsgericht Böblingen. Es läuft ein Einspruchsverfahren. Damit könnte die Sache auch vor Gericht in einem Prozess verhandelt werden. Das Amtsgericht in Böblingen ist zuständig, weil der Tatort in Herrenberg liegt.

Was bedeutet das für die Polizeiführung in Konstanz?

Der 59-jährige von Massenbach-Bardt gilt damit zwar als unschuldig. Das Disziplinarverfahren ist formell aber noch nicht beendet. Es ist aber davon auszugehen, dass es sich – nach Einschätzung mehrerer mit dem Verfahren vertrauter Stellen – um eine Formalie handelt. Denn in Disziplinarangelegenheiten wird in der Regel dem Ergebnis des Strafverfahrens gefolgt.

Das Innenministerium erklärte, die laufenden Disziplinarverfahren „werden derzeit mit Nachdruck und höchster Priorität geführt“. Nach Abschluss werde eine „sachlich fundierte und rechtlich tragfähige Entscheidung“ getroffen.

Von Massenbach-Bardt selbst erklärte, dass er sich zur weiteren Entwicklung nicht äußern könne – er bitte um Verständnis, wolle Entscheidungen der zuständigen Stellen nicht vorgreifen. Dass das Ermittlungsverfahren beendet ist, habe ihn persönlich sehr erleichtert.