Ein Wärmenetz aufzubauen, ist keine einfache Aufgabe. Kilometerweit müssen aufwendig isolierte Rohre für Zu- und Rücklauf im Untergrund verlegt werden. Für das Wasser, das in ihnen zirkuliert, braucht es eine leistungsfähige Beheizung. Weil das alles klimafreundlich sein soll, muss jemand eine riesige Wärmepumpe planen, bauen und betreiben, die dem Bodensee Wärme entzieht. Und schließlich müssen Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger bereit sein, auf die eigene Ölheizung, Gastherme oder Luftwärmepumpe zu verzichten und sich ganz auf die externe Versorgung durch ein Unternehmen zu verlassen, wenn es um Heizung und warmes Wasser geht.
Es geht um die ersten 20 Millionen Euro – von über einer halben Milliarde
Gemacht haben all das die Stadtwerke Konstanz noch nie. Und viel Geld, so etwas jetzt aufzusetzen, haben sie auch nicht. Doch der Zeitdruck ist da – Konstanz hinkt den Klimaschutz-Zielen hinterher, und in wenigen Jahren soll rund um die Bodensee-Therme das erste Nahwärmenetz der Stadt Konstanz in Betrieb gehen.
20 Millionen Euro soll es kosten. Es ist ein erster, kleiner Baustein in einem auf bis zu 550 Millionen Euro geschätzten Investitionspaket, das endlich auch einen nennenswerten Teil der Konstanzer Gebäude auf weitgehend klimaneutrale Energie umstellt.

Das sind die Voraussetzungen, unter denen am Donnerstag, 22. Mai, eine weitreichende politische Entscheidung fallen soll: Erstmals wollen die Stadtwerke nicht nur ein Wärmenetz bauen, sondern dafür auch einen Partner von außen mit ins Boot holen. Das Thema ist politisch auch deshalb heikel, weil es durch den 2023 spektakulär geplatzten Deal mit dem Thüga-Konzern belastet ist.
Damals sollte die Thüga-Gruppe Anteile an den Stadtwerken erhalten, es war sogar von einem Teilverkauf die Rede. Als dann auch noch ein Anteil am Trinkwassernetz mitverscherbelt werden sollte, stieg auch die CDU aus. Am Ende standen die Stadtwerke ganz ohne Partner da und damit auch ohne das Geld, das die Thüga hätte mitbringen sollen.
Der Gemeinderat steht vor einer Weichenstellung
Im nächsten Anlauf soll es nun besser klappen: Die Vorlage, auf deren Grundlage am Donnerstag, 22. Mai, der Gemeinderat nun beschließen soll, zeigt, dass Verwaltung und Stadtwerke aus dem Thüga-Desaster gelernt haben. So geht es nicht mehr um den Einstieg eines anderen Unternehmens bei den Stadtwerken generell. Sondern um die Gründung einer neuen Gesellschaft, nur für die Planung, den Bau und den Betrieb des Nahwärmenetzes rund um die Bodensee-Therme. Und hier soll ein Partner 50 Prozent der Anteile haben, die anderen 50 Prozent bleiben bei den Stadtwerken.
Dieser Partner ist auch schon gefunden, wie es in der Ratsvorlage weiter heißt. Geht es nach dem Plan, wird Iqony Energies das erste Unternehmen, das Anteile an der Basis-Infrastruktur in Konstanz besitzt. Es bündelt die Geschäfte rund um erneuerbare Energien der Steag-Gruppe. Hinter dieser steckt wiederum der spanische Infrastrukturfonds Asterion Industrial Partners.
Für Fragen dürften vor allem drei Details sorgen:
- Erstens soll der Partner der Stadtwerke in der Gesellschaft zwar nur genau 50 Prozent der Anteile haben, aber in einigen wichtigen Punkten die Entscheidungshoheit bekommen. Das sei bei allen ernsthaften Interessenten eine Grundbedingung gewesen, heißt es dazu, unter anderem aus bilanzrechtlichen Gründen.
- Zweitens ist der Einfluss des Gemeinderats auf die neue Gesellschaft begrenzt, eine direkte Weisungsbefugnis ist nicht geplant.
- Drittens soll das erste Konstanzer Wärmenetz zwar größtenteils, aber nicht ausschließlich mit Seewärme betrieben werden. Für zehn bis maximal 25 Prozent in der Spitze wollen die Betreiber Erdgas verwenden – weil sie sonst teure Wärmepumpen-Kapazität vorhalten müssen, die nur selten benötigt wird. Dies würde den Preis für die Abnehmer deutlich erhöhen, heißt es dazu von den Stadtwerken.
Für die großen Wärme-Abnehmer im Bereich des geplanten Netzes – neben der Therme auch die Kliniken Schmieder und das Wohnstift Rosenau – wie auch für die privaten Anwohner bedeutet der Einstieg in diese neue Art der Energieversorgung eine große Veränderung. Sie geben ihre eigene Heiz-Technik auf und binden sich an einen Wärmelieferanten. Dafür sparen sie Kosten für Gas, Heizungsanlage und Wartung und erhalten weitgehend klimaneutrale Energie. Wenn der Gemeinderat der Gründung der neuen Gesellschaft zustimmt, dürfte es zu deren ersten Aufgaben gehören, hier Überzeugungsarbeit zu leisten.
Was rund um die Therme geplant ist, soll Modellcharakter haben
Für Konstanz als Stadt wiederum ist der Einstieg in die Nahwärme zwischen Hebelstraße, Beethovenstraße, Lorettowald und Hörnle nur ein erster Schritt. Weitere und sehr viel größere Wärmenetze sind zum Beispiel in Petershausen, am Hafner, im Paradies und in der Altstadt geplant. Auch hier werden die Startwerke wieder Partner suchen müssen – schon, weil es dann um ganz andere Summen geht. Ob Iqony dann erneut mit ins Boot darf, steht noch nicht fest.