Seit dem 7. Mai werden die deutschen Landgrenzen schärfer kontrolliert – so hat der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Bundespolizei angewiesen. Das betrifft besonders auch die Region mit ihren zahlreichen Übergängen zur Schweiz. Der SÜDKURIER hat seine Leserinnen und Leser nach ihren Erfahrungen gefragt.

Thomas Martin schreibt, dass er die Grenze am Hauptzoll regelmäßig passiere und dabei mehr Polizei sehe. Er finde „die neue Regelung zur Eindämmung der illegalen Migration gut“, vielleicht brauche es noch zusätzliche Stichkontrollen an der grünen Grenze, so Martin.

Leserinnen und Leser machen ganz unterschiedliche Erfahrungen

Jörg-Dieter Klatt dagegen erlebt kaum Kontrollen. In Thayngen seien er und seine Frau freundlich winkend zur Weiterfahrt gebeten worden. „So viel zu den angekündigten ‚verschärften‘ Grenzkontrollen“, schreibt Klatt.

Deborah Wolf aus Öhningen wundert sich über die Berichte von nur wenigen Kontrollen. Sie passiere häufig die Übergänge in Stein am Rhein und Rielasingen, dort habe sie vermehrt und zu unterschiedlichen Zeiten die Bundespolizei gesehen, „die mich auch innerhalb dieser Zeit drei mal angehalten hat“.

Leser Jürgen Seuberling aus Öhningen wird eher grundsätzlich: Er halte die Grenzkontrollen für äußerst wichtig, um den Staat zu schützen. „Unser Land ist voll“, schreibt er.

Grenzgängerin zuletzt während Corona kontrolliert

Susanne Grasel aus Waldshut ist nach eigener Auskunft Grenzgängerin, fährt drei bis vier mal in der Woche bei Koblenz über die Grenze. Sie schreibt: „Ich bin das letzte Mal während der Corona-Pandemie kontrolliert worden – das ist inzwischen mehrere Jahre her.“ Sie merke nichts von vermehrten Kontrollen.

Adi Frommherz ist kein Grenzgänger, überquert aber aus privaten Gründen regelmäßig die Grenze. „Ich kann Ihnen sagen, dass ich in 80 Prozent der Fälle keine Beamten, die die Fahrzeuge kontrollieren, antreffe, demzufolge können die Menschen egal welcher Nationalität die Grenze passieren wie sie wollen.“

Die verschärften Grenzkontrollen seien ein leeres Versprechen, weil die Politik dem ohnehin nicht nachkommen könne. Die „vollmundige Ankündigung des neuen Innenministers scheint nicht für diese Grenze zu gelten, so Frommherz. „Aber das sollte uns bei Herrn Dobrindt nicht überraschen, es ist nicht das erste Mal.“

Wichtig zu wissen: Wenn keine Beamten an den Grenzübergängen zu sehen sind, bedeute das nicht, dass die Bundespolizei nicht präsent sei, betont die Behörde. Dazu passt der Bericht von Klaus Hellmers. Er erlebe „sehr viel mehr Kontrollen“, gerade im Hinterland. Bisweilen stünden die Beamten einige Kilometer entfernt der Übergänge an der Straße.

Intensive Kontrollen nur noch einige Wochen aufrechtzuerhalten?

Dennoch ist nicht davon auszugehen, dass alle Übergänge fortlaufend kontrolliert werden. Zwar sollen 3000 Polizistinnen und Polizisten mehr eingesetzt werden als bislang, das ist laut der Gewerkschaft der Polizei (GdP) aber nicht lange aufrechtzuerhalten: Aktuell seien die Vorgaben nur zu schaffen, „weil Dienstpläne umgestellt wurden, die Fortbildungen der Einheiten aktuell auf Eis liegen und derzeit der Abbau von Überstunden gestoppt ist“, sagte der Vorsitzende der Bundespolizei in der GdP, Andreas Roßkopf. „Klar ist: Die intensiven Kontrollen kann die Polizei nur noch einige Wochen aufrechterhalten.“

Zwischenzeitlich gab es Gerüchte, die Bundespolizei habe in Lörrach ein Hotel für 400 Einsatzkräfte angemietet, um stärker zu kontrollieren. Der frühere Kickbox-Weltmeister und heutige Politiker der Werteunion, Michael Kuhr, hatte das kolportiert. Dem widerspricht die Bundespolizei auf Anfrage: „Gegenwärtig bestehen keine Buchungen in Lörrach“, so ein Sprecher.

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Auch jetzt schon sind nicht alle Übergänge dauerhaft bewachbar. Ursula Haberkorn hat auch keinen Unterschied zu sonst gemerkt, als sie in der vorvergangenen Woche zweimal die Grenze passierte.

Juristen halten Kontrollen für rechtswidrig

Derweil mehren sich die Stimmen von Juristen, die das Vorgehen der neuen Bundesregierung für rechtswidrig halten. Der österreichische Europarechtler Stefan Salomon bezweifelt, dass die verschärften Grenzmaßnahmen der neuen Bundesregierung mittels Ausnahmeklausel legal sind. „Der Europäische Gerichtshof hat in der Vergangenheit ganz klar festgestellt, dass das insbesondere in Bezug auf Grenzkontrollen nicht möglich ist. Das ist nicht gestattet“, sagt er über den dafür herangezogene Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte kurz nach seiner Amtsübernahme die Grenzkontrollen zu den Nachbarländern verschärft. Es geht ihm darum, die Zahl unerlaubter Einreisen zu reduzieren und auch Asylsuchende zurückzuweisen – was mit Europarecht eigentlich unvereinbar ist. Begründet werden die Maßnahmen mit ebenjener Ausnahmeklausel.

„Dann würden die Ausnahmen sinnlos“

Die deutsche Bundesregierung hatte in einem Verfahren vor dem EuGH 2022 argumentiert, dass diese Klausel herangezogen werden dürfte, wenn die Ausnahmen aus dem Schengener Grenzkodex erschöpft sind, erklärt Salomon. Der Gerichtshof sah das anders.

„Die Logik dahinter ist folgende: Wenn in einer Verordnung oder Richtlinie bereits spezifische Ausnahmen festgelegt sind, würde es diese Regelungen unterlaufen, wenn ein Mitgliedsstaat die strengen Anforderungen in diesen Ausnahmen mit einer anderen allgemeinen Ausnahmeregel unterlaufen könnte“, so Salomon.

Einfach gesagt: Die eigens formulierten Ausnahmen ergeben keinen Sinn, wenn sie einfach mit einer Art Superausnahme umgangen werden könnten.

Rechtfertigung „mit anerkannten juristischen Methoden nicht möglich“

„Wenn ein Staat Grenzkontrollen wieder einführen will, muss er dafür gewisse Anforderungen einhalten: zeitliche Begrenzung und Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen etwa, es müssen bestimmte Gründe vorliegen“, sagt der Europarechtler. „Könnte der Staat nun einfach sagen, diese Anforderungen werden zwar nicht erfüllt, dafür wird jetzt aber die Ausnahmeklausel herangezogen, würden die möglichen Ausnahmen aus dem Grenzkodex sinnlos.“

Ähnlich argumentiert Christian Hruschka, Rechtsprofessor an der Evangelischen Hochschule Freiburg: Die Ausnahmeklausel könne bei Grenzkontrollen nicht einmal angewendet werden, weil sie im Schengener Kodex abschließend geregelt seien. Den mit Zurückweisungen verbundenen Rechtsbruch zu rechtfertigen sei „mit anerkannten juristischen Methoden (...) schlicht nicht möglich.“