Kieselsteine knirschen unter den Schuhen. Eine Gruppe Frauen und Männer setzt sich in Bewegung. Neben Ulrike Utz (49) geht eine Frau. „Ich habe das jahrelang verdrängt“, sagt sie leise. „Jetzt will ich mich endlich trauen, über meinen verstorbenen Bruder zu reden.“ Ulrike Utz nickt. Kein kluger Satz, kein gut gemeinter Trost. Nur zuhören.

Wenn jemand stirbt, wird es oft still – nicht nur im Herzen, sondern auch im Umfeld. Freunde reden drumherum, manche Nachbarn wechseln die Straßenseite. In dieser Sprachlosigkeit bietet Ulrike Utz ihre Begleitung an. Sie ist Mutter von drei Kindern, lebt in Kreenheinstetten im Linzgau und arbeitet als Finanzwirtin.

Die Trauerbegleitung ist ihre Herzensaufgabe. Nicht laut, nicht aufdringlich, sondern mit einer Haltung, die sie selbst so beschreibt: „Ich laufe nicht voraus, ich gehe nicht hinterher. Ich gehe an der Seite.“

Ausbildung in Waldshut

Die Entscheidung, sich zur Trauerbegleiterin ausbilden zu lassen, war ein längerer Prozess. 2019 begann sie mit zwei Wochenendseminaren, dann kam Corona. Doch das Thema ließ sie nicht los. Von September bis März dieses Jahres ließ sie sich in Waldshut zur Trauerbegleiterin ausbilden. Diese Ausbildung entspricht der Grundstufe des Standards des Bundesverbandes Trauerbegleitung.

Spaziergänge mit Impulsen

Praktische Erfahrungen sammelt sie in einer offenen Trauergruppe, die sie gemeinsam mit der Gemeindereferentin Alexandra Chevalier und der Lehrerin Kerstin Biselli organisiert: dem „Trauer Raum“.

Dabei handelt es sich um Spaziergänge mit Impulsen für Menschen, die jemanden verloren haben oder jemanden begleiten, der trauert. Dabei betont sie, dass es sich nicht um Gesprächstherapien handelt, sondern um ein offenes Angebot.

Da ist zum Beispiel der Mann, dessen Frau gestorben ist und der von seinem sozialen Umfeld isoliert wird, weil man meint, er passe nicht unter die anderen Gäste beim Grillabend. Oder da ist die Frau, deren Kind gestorben ist und deren Freundinnen fast empört sind, wenn sie in einer lustigen Situation lacht.

Natur erleichtert das Sprechen

Es ist kein Zufall, dass diese Treffen draußen stattfinden. „In der Natur fällt das Sprechen oft leichter“, sagt sie. Trauer braucht Raum. Sie kennt viele solcher Geschichten. Menschen, die lachen und sich dann entschuldigen. Aber Trauer und Lachen müssen keine Gegensätze sein. „Und manchmal darf man auch erleichtert sein.“

Wo solle man etwas verändern? Ulrike Utz wünscht sich vor allem im ländlichen Raum mehr spezielle Angebote zur Trauerbegleitung. Zum Beispiel für Mütter nach einer Totgeburt oder für Jugendliche, die den Verlust einer Freundin, eines Freundes oder eines nahen Verwandten schwer verkraften.

„Man muss nicht alles lösen“

Utz lebt in einer ländlichen Gegend, wo „Heimat“ einen Wert hat. Was bedeutet er für sie? „Ein Ort, an dem ich mich sicher fühle – Heimat ist nicht unbedingt der Ort, an dem man geboren wurde. Sondern ein Ort, an dem man sein darf – auch mit schwerem Gepäck.“

Dass sie mit ihrem Engagement Lücken, die die wachsende Kirchenferne der Menschen reißt, schließt, sieht sie pragmatisch: „Man muss nicht alles lösen. Manchmal reicht es, einfach da zu sein.“ Aber sie ist auch der Meinung, dass man andere nur gut begleiten kann, wenn man sich selbst gut kennt.

So ist ihre Arbeit auch Heimatpflege im besten Sinne: Sie schafft Verbindungen. Zwischen Menschen. Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Zwischen Verlust und Hoffnung.