Die Mauer steht: 5,50 Meter ragt sie in die Höhe, ganz glatt, in mildem Braunton. Eine Wand, hinter der man die Baustelle nur erahnen kann. Erst oben auf dem Infoturm erkennt der Besucher, wie viel sich schon getan hat auf der Baustelle der neuen Justizvollzugsanstalt (JVA) Rottweil: 18 Gebäude errichtet das Amt für Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Außenstelle Konstanz, in Sichtweite des Rottweiler Testturms. „Wir bauen hier eine kleine Stadt“, sagt Sieglinde Neyer-Bedenk, Leiterin des Konstanzer Amts.

Sieglinde Neyer-Bedenk ist Leiterin von Vermögen und Bau, Amt Konstanz.
Sieglinde Neyer-Bedenk ist Leiterin von Vermögen und Bau, Amt Konstanz. | Bild: Tony Marquardt

Eigentlich ist hier alles streng geheim. Wie tief die Fundamente in den Boden ragen? Wie genau die Sicherheitsvorkehrungen sind? Da will sich das Finanzministerium beziehungsweise dessen Amt für Vermögen und Bau als Bauträger nicht zu genau in die Karten gucken lassen. Aber ein wenig Einblick gewähren die Bau- und Sicherheitsprofis den Journalisten dann doch.

Es geht an den Innenausbau

2023 war Spatenstich in Rottweil – nach langer Standortsuche, Bürgerbeteiligung und Architektenwettbewerb. Nun wird also seit zwei Jahren gebaut, in weiteren zwei Jahren – bis Ende 2027 – will man bereits fertig sein. Und noch sei man im Zeitplan, sagt Fabio Tedesco, Projektleiter beim Amt für Vermögen und Bau. Konkret bedeutet das: Fast alle Gebäude stehen schon in voller Höhe da – die Rohbauphase befindet sich im letzten Drittel. Die Fenster sollen ab Juni eingebaut werden, die Ausbaugewerke mit Elektrik und Installationen sind am Schaffen, in den Haftgebäuden wird gerade die Vergitterung eingebaut. Es folgen Estrich, Trockenbauarbeiten, Malerarbeiten.

Nur mit einem einem Gebäude wurde noch nicht begonnen: Das Freigängerheim, das außerhalb der Mauern stehen soll, besteht mit der geplanten Begegnungsstätte bislang nur auf dem Papier.

Kein Scherz: „Das Land baut für Sie“ ist die übliche Beschreibung für Landesprojekte.
Kein Scherz: „Das Land baut für Sie“ ist die übliche Beschreibung für Landesprojekte. | Bild: Tony Marquardt

Die Wand kommt am Stück

Wie baut man eigentlich ein Gefängnis? Überraschenderweise in Fertigbauweise: Die Wandteile aus zwei Lagen Beton (innen und außen), Isolierung und Armierungsstahl werden fertig geliefert. Zwischen Stahl und Innenwand klafft – noch – eine mindestens zehn Zentimeter breite Lücke, ausreichend Platz für Leitungen. Ob das Ausbruchversuchen standhält? Wohl schon. Steht die Wand in Position, wird die Lücke nämlich mit Beton verfüllt.

Die Außenwände werden in Fertigbauweise geliefert. Die Aussparungen im Stahlbeton sind für Leitungen vorgesehen.
Die Außenwände werden in Fertigbauweise geliefert. Die Aussparungen im Stahlbeton sind für Leitungen vorgesehen. | Bild: Tony Marquardt

Die Mauer, die nicht umsonst so glatt geraten ist, wie ein Mitarbeiter vom Justizministerium versichert, ist nicht das einzige Bollwerk, das Innen von Außen trennt. Davor gelagert ist in sechs Metern Abstand ein Streckmetallzaun, innen folgt auf die Mauer in wiederum zehn Metern Abstand ein weiterer Metallzaun, oben bewehrt mit Stacheldraht. Detektions- und Videotechnik wird noch eingebaut. Erstere würde anschlagen, wenn zum Beispiel etwas über den Zaun geworfen werden würde.

Dreiteiliges Bollwerk: Auf den äußeren Zaun folgt die Mauer, dahinter noch einmal ein Zaun.
Dreiteiliges Bollwerk: Auf den äußeren Zaun folgt die Mauer, dahinter noch einmal ein Zaun. | Bild: Tony Marquardt

502 Haftplätze soll die JVA bieten, wenn sie fertig ist. Davon 52 Plätze für Menschen mit körperlichen Einschränkungen – Plätze also, von denen es in Baden-Württemberg viel zu wenig gibt. Einsitzen sollen hier vor allem Gefangene aus der erweiterten Region – also aus den Landgerichtsbezirken Rottweil, Hechingen, Konstanz, Waldshut-Tiengen, Freiburg, Tübingen und Stuttgart.

Alle männlichen Untersuchungshäftlinge der bestehenden JVAen in Rottweil und Waldshut-Tiengen sollen künftig in der neuen JVA untergebracht werden, außerdem Gefangene mit kurzen Strafen aus den umliegenden Gefängnissen, weitere Kapazitäten sollen für Häftlinge mit langen Strafen genutzt werden.

Ein Bauarbeiter arbeitet an einem der Haftgebäude. Bis zu 110 Arbeiter sind täglich auf der Baustelle zugange.
Ein Bauarbeiter arbeitet an einem der Haftgebäude. Bis zu 110 Arbeiter sind täglich auf der Baustelle zugange. | Bild: Tony Marquardt

Auch ein Gefängnis braucht Ökopunkte

Kostenpunkt des gesamten Projekts: 280 Millionen Euro. 25.000 Quadratmeter Nutzfläche bietet das Areal, auf der doppelten Grundfläche. 160.000 Kubikmeter Erde wurden dafür bewegt. Teilweise, um das abschüssige Gelände aufzufüllen, teilweise für einen Schutzwall auf der Talseite des Geländes.

Gefängnisneubau bedeutet nicht nur hohe Sicherheitsstandards, sondern auch ökologische Ausgleichsmaßnahmen. Wer auf der grünen Wiese baut, muss Ökopunkte gutmachen: 780.000 Stück sind das im Falle der JVA. 300.000 Punkte holte man über Pflanzen und Pflege einer Wacholderheide, inklusive Ziegenherde, rein, einen weiteren Teil über den blühenden Erdwall, der zudem helfen soll, die Lichtverschmutzung durch die JVA einzudämmen.

Der Erdwall links soll unter anderem dafür sorgen, dass von der JVA weniger Lichtverschmutzung ausgeht.
Der Erdwall links soll unter anderem dafür sorgen, dass von der JVA weniger Lichtverschmutzung ausgeht. | Bild: Tony Marquardt

Die Baustellenführung beginnt an der noch nicht vorhandenen Torwache mit separater Fahrzeugkontrolle, führt vorbei an Verwaltungsgebäuden, Dreifeldsporthalle, Werkstätten, dem so genannten Schubhof, auf dem die Gefangenentransporte ankommen werden, direkt daneben liegt die Kleiderkammer, in Nachbarschaft zum Küchengebäude. Die eigentlichen Haftgebäude, jeweils dreistöckig, befinden sich im unteren Teil des Geländes.

So soll die JVA aussehen, wenn sie fertig ist: die Haftgebäude mit den Höfen liegen hier rechts außen, links daneben Werkstätten, ...
So soll die JVA aussehen, wenn sie fertig ist: die Haftgebäude mit den Höfen liegen hier rechts außen, links daneben Werkstätten, Küchengebäude, Kleiderkammer, Verwaltungstrakt. | Bild: Amt für Vermögen und Bau

Moderner Vollzug findet in kleinen Gruppen statt. Je 15 Häftlinge bilden eine Gruppe. Ihre Einzelzimmer liegen alle an einem Gang – nach der Außenseite zu, bei entsprechender Höhe ist ein Blick in die grüne Natur jenseits der Mauer möglich. Auch Doppelhafträume gibt es – zum Beispiel für Häftlinge mit Suizidgefahr, die nicht alleine sein sollen. Auf der anderen Seite des Flurs liegen die Gemeinschaftszimmer und die Küche. Vier Haftgruppen haben pro Stock Platz.

Blick in den noch im Rohbau befindlichen Flur einer Wohngruppe.
Blick in den noch im Rohbau befindlichen Flur einer Wohngruppe. | Bild: Tony Marquardt

Gut neun Quadratmeter groß ist ein Gefangenenzimmer. Darin enthalten: eine Nasszelle – auch diese fertig geliefert. Die Gitter sind schon eingebaut, die bodentiefen Fenster vermitteln trotzdem den Eindruck von einem gewissen Wohnkomfort. Richtig geöffnet werden kann allerdings nur der vergitterte Teil – eine Vorsichtsmaßnahme.

Höfe zum Spazieren und für Sport

Der Wohngruppenvollzug ist auch für die Bediensteten von Vorteil, wie Philipp Wissmann, Pressesprecher des Justizministeriums betont. Kleinere Gruppen lassen sich besser führen, es kann ein Vertrauensverhältnis zu den Betreuern entstehen. Nebenbei lassen sich so auch Mittäter voneinander trennen. Obwohl sie in derselben JVA einsitzen, müssen sie sich nie begegnen. Auch die beiden Höfe – ein Spazierhof und einer für Sport (mit Möglichkeiten für Streetball und Tischtennis) -, zu denen jede Wohngruppe Zugang hat, lassen sich voneinander trennen.

Projektleiter Fabio Tedesco demonstriert die Öffnungsweise der Fenster.
Projektleiter Fabio Tedesco demonstriert die Öffnungsweise der Fenster. | Bild: Tony Marquardt

Eine Stunde täglich Hofgang steht jedem Häftling mindestens zu. Je nach Wohngruppe hat er auch in seiner WG relativ viel Bewegungsfreiheit: ein bis drei Stunden Freizeit am Abend sind üblich. Denkbar ist aber auch, dass den ganzen Tag über die Zellentüren offenstehen. Wobei tagsüber ohnehin gearbeitet wird. Die JVA richtet selbst eine Schlosserwerkstatt ein. Weitere Werkstätten sollen von Firmen eingerichtet werden, die auf dem JVA-Gelände Häftlinge beschäftigen werden. Erste Interessenten sind vorhanden.

Blick in die Nasszelle eines Gefangenenraums.
Blick in die Nasszelle eines Gefangenenraums. | Bild: Tony Marquardt

Lastwagen fahren ein und aus, Kräne drehen sich: Täglich arbeiten zwischen 80 und 110 Personen – alle sicherheitsgeprüft – von zwölf Firmen auf der Baustelle. Künftig werden allerdings noch deutlich mehr kommen und gehen: 276 Personalstellen soll es an der JVA geben. Dazu kommen die Besucher: eine Stunde pro Monat Besuch steht jedem Häftling mindestens zu.

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Freigänger sollen Wanderer verköstigen

Die Bushaltestelle, direkt an der JVA, braucht es aber noch aus anderem Grund: Die Freigänger müssen zu ihren Arbeitgebern gelangen können, ein Auto zu besitzen ist ihnen nicht erlaubt. Das Gebäude, das mit Holz statt mit Beton gebaut wird, soll noch eine Besonderheit enthalten: einen Gastbetrieb für Wanderer und Radfahrer – der Neckartalradweg führt schließlich direkt am JVA-Gelände vorbei. Die Bewirtung durch die Freigänger hatten sich die Bürger gewünscht, genauso wie die Dreifeldsporthalle auf dem JVA-Gelände, die von den örtlichen Vereinen mitgenutzt werden soll.