Erhebt das Bundesinnenministerium (BMI) ausreichende Daten, um die eigene Grenzschutzmaßnahmen bewerten zu können? Die Antwort des BMI auf eine Anfrage der baden-württembergischen Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut (Linke) lässt daran zweifeln.

In dem Schreiben des BMI werden die Zahlen der überprüften Personen zur Migrationskontrolle in Baden-Württemberg veröffentlicht. Demnach hat die Bundespolizei im Jahr 2022 rund 2,37 Millionen Personen an Bahnhöfen im Südwesten kontrolliert, 2023 waren es rund 2,42 Millionen.

Weniger Personenkontrollen?

Im Bereich der Konstanzer Bundespolizeiinspektion waren es 2023 mit 134.756 etwa 4000 mehr als im Vorjahr. Im gesamten Bereich der Stuttgarter Direktion, also Baden-Württemberg, war die Zahl allerdings rückläufig – was angesichts der wiedereingeführten Grenzkontrollen ab Oktober kurios erscheinen mag.

Dafür hat das BMI aber eine Erklärung: Die Grenzkontrollen finden auf Grundlage einer anderen Rechtsnorm statt, sodass sie in der vorliegenden Statistik nicht ausgewiesen werden. Sie werden statistisch aber auch nicht erfasst, heißt es in dem Schreiben – ebenso wenig die Kontrollen in grenzüberschreitenden Verkehrsmitteln wie etwa der Tramlinie 8, die von Basel nach Weil am Rhein fährt.

Verzicht auf sinnvolle Daten?

Auf SÜDKURIER-Nachfrage heißt es aus dem Innenministerium, die Zahlen müssten manuell gefiltert werden. Warum das nicht erfolgt, bleibt unklar. Zur Auswertung der Kontrollmaßnahmen dürften solche Statistiken sinnvolle Daten liefern – zumal die Länder gerade erst bei der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz ihre Forderung nach monatlichen Prognosen über Flüchtlingszahlen erneuerten.

„Dass Binnengrenzkontrollen statistisch nicht dargestellt werden, ist ein Unding, weil dies die politische Bewertung der Kontrollmaßnahmen erschwert“, sagt dazu die Fragestellerin Akbulut.

Kritik kommt auch vom Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei: „Um Migration effektiv ordnen, steuern und begrenzen zu können und damit den Druck auf Staat und Gesellschaft zu senken, bedarf es zwingend einer belastbaren Datengrundlage und auch der Vernetzung von Informationen. Auch dieses Beispiel ist ein Beleg für schädliche Leerstellen.“

Wieder mehr unerlaubte Grenzübertritte festgestellt

Im Januar hat die Bundespolizei derweil wieder mehr illegale Grenzübertritte aus der Schweiz festgestellt. 1436 unerlaubte Einreisen registrierten die Beamten in dem Monat, das sind 26 mehr als im Vorjahr.

Die Asylgesuche in Baden-Württemberg sind allerdings zum dritten Mal in Folge zurückgegangen: 1759 Registrierungen verzeichnete das Landesjustizministerium für Januar – im Vorjahresmonat waren es noch fast 1000 mehr gewesen. Deren Erfassung erfolgt aber oft zeitverzögert.

Das passt auch zum Bundestrend: In den ersten beiden Monaten dieses Jahres wurden 47.090 und damit 7243 Asylanträge weniger gestellt als im Vorjahreszeitraum, wie aus der Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hervorgeht. „Wir haben wirklich jetzt mehr getan in den letzten Monaten als in den letzten Jahren, um zu einer doch starken Begrenzung der irregulären Migration zu kommen“, sagte dazu Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).

Polen beendet Grenzkontrollen

Derweil hat Polen seine Grenzkontrollen zum Nachbarland Slowakei Anfang März beendet. Als Grund hat das Innenministerium in Warschau laut polnischer Medien „die Stabilisierung der Migrationssituation auf der sogenannten Balkanroute“ genannt.

Die beiden Länder gehören ebenso wie Deutschland und die Schweiz dem Schengen-Raum an, indem eigentlich keine Grenzkontrollen vorgesehen sind. Zur Bekämpfung des Schleuserwesen und irregulärer Migration hatten aber mehrere EU-Länder immer wieder vorübergehende Grenzkontrollen eingeführt.

Polen hatte seine nun beendeten Kontrollen am 4. Oktober begonnen; Deutschland kontrolliert seine Grenzen zu Polen, Tschechien und Schweiz seit Mitte Oktober, die zu Österreich seit dem Jahr 2015.