Man möchte es nicht glauben. Weil es unvorstellbar ist. Weil es einfach nicht ins Bild passen will. Doch es ist in der Tat so: Manfred Baumann hatte vor wenigen Tagen seinen letzten Arbeitstag im Weinkeller der Weinhandlung Franz Fritz im Haus zur Mugge in der Niederburg. Hier unten im Keller, wo er vor fast genau 70 Jahren seine Ausbildung zum Holzküfer absolvierte und von wo aus er eine beachtliche Karriere startete: Als gefragter Fachmann, als beliebter Wirt und als Konstanzer Institution.

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Ein letztes Mal füllte er mit einem Lächeln im Gesicht die Gläser mit edlem Rebensaft, ein letztes Mal beriet er die wissbegierigen Menschen, die nach einem besonderen Tropfen fragten. Gegen 14 Uhr sorgte er am 29. Dezember ein letztes Mal nach Beendigung des Arbeitstages für Ordnung im Weinkeller, wischte mit einem feuchten Tuch über Tische und Theke, versorgte die gespülten Gläser und die Weinflaschen, machte das schummrige Licht aus und ging in den verdienten Feierabend. Ein letztes Mal.

Ein Danke, kein Abschied

Zwei Tage zuvor organisierte Andreas Fritz einen Dankesabend für Manfred Baumann und seine Ehefrau Gerda, 40 geladene Gäste sorgten für das angemessene Ambiente. „Wir wollen Manfred nicht verabschieden, sondern einfach nur ‚Danke‘ sagen für die großartige Leistung, die er über Jahre geleistet hat“, sagte Andreas Fritz. „Und wir freuen uns, wenn wir ihn in Zukunft auf der anderen Seite der Tresen begrüßen dürfen.“

„Ich werde die Menschen vermissen.“ Manfred Baumann (Mitte) an seinem letzten Arbeitstag mit jahrzehntelangen Stammgästen.
„Ich werde die Menschen vermissen.“ Manfred Baumann (Mitte) an seinem letzten Arbeitstag mit jahrzehntelangen Stammgästen. | Bild: Schuler, Andreas

„Der Manne war eigentlich immer da“, sagt Peter Reiher, ein Weggefährte von Manfred Baumann, der an dessen letzten Arbeitstag mit seinen Stammtischbrüdern zum Fritz kam und den Mann hinter dem Tresen gebührend verabschiedete. „Wir werden Manfred vermissen, sind aber glücklich, wenn er mal so beim Stammtisch vorbeischaut“, fügte Robert Kolb, ebenfalls seit vielen Jahren Stammgast beim Fritz, lächelnd hinzu. Gute Freunde kann niemand trennen.

„Ich hatte hier immer direkt und sehr intensiv mit Menschen zu tun“, erzählt der 84-Jährige. „Ein Weinkeller ist ja kein Restaurant, hierher kommen Thekengäste, mit denen man sich viel unterhält.“ Und so war der Familienvater mehr als nur ein Wirt – er war Kummerkasten, Unterhalter, Informant und Freund in Personalunion.

Im April 1953 begann Manfred Baumann seine Lehre als Holzküfer – bei Franz Fritz, Großvater von Andreas Fritz, dem heutigen Chefs des Weinhandels und des Weinkellers, in dem der 84-Jährige zuletzt dreimal pro Woche die Gäste versorgte. Nach Beendigung der Ausbildung arbeitete er 21 Jahre lang als Küfer in der Salmannsweilergasse in der Weinstube Pfohl bei Bruno Fritz. Die Urväter der beiden Lokale waren Brüder. Josef Fritz gründete die Weinstube Pfohl 1880, Franz seine Weinhandlung 1922.

Manfred Baumann hat ein großes und schier unerschöpfliches Wissen über Wein. Bei ihm bleibt keine Frage über den Rebensaft unbeantwortet.
Manfred Baumann hat ein großes und schier unerschöpfliches Wissen über Wein. Bei ihm bleibt keine Frage über den Rebensaft unbeantwortet. | Bild: Schuler, Andreas

Daraufhin verschlug es Manfred Baumann für drei Jahre in einen Weingroßhandel nach Frankfurt, ehe er 1981 zurückkehrte an den See, um hier als Wirt die Weinstube Pfohl zu übernehmen, die zum Küfer Fritz gehört – übrigens erneut für 21 Jahre. „2002 hat mich dann Andreas Fritz gefragt, ob ich in seinem Weinkeller nicht ein wenig aushelfen möchte“, erzählt Manfred Baumann schmunzelnd, „daraus wurden nun 21 Jahre. Immer wieder diese 21 Jahre.“

Rentner warten vor der Stube

Und wie hat sich die Weinstuben-Kultur verändert über die Jahre hinweg? „Die größte Veränderung kam durch die Pandemie“, berichtet Manfred Baumann. „Die Menschen sind vorsichtiger geworden. Außerdem sind viele Rentner gestorben, die früher jeden Tag pünktlich vor dem Keller standen, wenn ich geöffnet habe.“

Andreas Fritz findet diese schönen Worte für den Mann, der in der Konstanzer Weinstuben-Szene bekannt ist wie der berühmte bunte Hund: „Manfred war mein Schutzengel, da er alles das aufgefangen hat, was ich hier gebraucht habe: Er ist fachlich sehr versiert, kann eine Stube führen und ist ein toller Mensch“, sagt der 65-Jährige.

Manfred Baumann (links) und Andreas Fritz im Weinkeller der Weinhandlung Franz Fritz in der Niederburggasse.
Manfred Baumann (links) und Andreas Fritz im Weinkeller der Weinhandlung Franz Fritz in der Niederburggasse. | Bild: Schuler, Andreas

„Ich bin sehr dankbar für die Zeit mit ihm. Er war und ist genau der Mann, den wir hier gebraucht haben. Mit 84 kann man schon mal aufhören.“ Er selbst möchte Ende des Jahres ebenfalls etwas kürzer treten und das Geschäft Stück für Stück an Sohn Lukas übergeben.

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Manfred Baumann möchte in Zukunft mehr Zeit mit seinen vier Enkelkindern verbringen, im eigenen Garten arbeiten – und die andere Seite der Tresen besser kennenlernen. „Ich trinke zwar deutlich weniger Wein als früher“, erzählt er. „Ich werde aber jeden Donnerstag hier bei Andreas und Lukas Fritz beim Stammtisch sein und das Leben als Gast genießen.“ Und wie steht‘s mit der Wehmut nach 70 Jahren im Geschäft? „Mir werden die Menschen fehlen“, gibt er zu, „wobei ich ja nicht aus der Welt bin. Man wird mich auch in Zukunft im Weinkeller antreffen.“