Michaela Kovacova strahlt schon auf den ersten Blick Wärme und Herzlichkeit aus. Die 42-jährige Tschechin ist seit dem 3. Oktober die neue Wirtin der Weinstube Niederburg und hat sich selbst einen Herzenswunsch erfüllt. „Ich bin erst seit drei Wochen da, aber es fühlt sich schon so an, als seien die Gäste meine Familie“, sagt sie.
Vor 18 Jahren kam sie nach Deutschland und wollte nach dem Studium von Hotelmanagement und Marketing eigentlich nur für ein Praxisjahr bleiben. „Ich bin ein Großstadtkind und konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich so schnell in die Natur, die Ruhe und die Menschen am Bodensee verlieben würde“, sagt sie.
Doch Michaela Kovacova blieb und arbeitete erst fünf Jahre in Überlingen und zuletzt 13 Jahre lang in der Hafenhalle. „Als ein Freund mir erzählte, dass die Weinstube Niederburg frei wird, bin ich reingelaufen und habe sofort gespürt, dass es perfekt ist“, erzählt sie. „Auch mit Vermieter Andreas Fritz und seiner Familie habe ich mich gleich super verstanden.“
Dass sie in große Fußstapfen tritt, ist ihr bewusst: „Erika hat hier 40 Jahre ihre Gäste bewirtet, auch Tamara und Jürgen waren lange hier.“ Gemeint sind Erika Fritz, Tamara Unterwerner und Jürgen Franz, von dem sie die Weinstube nun übernimmt. „Ich wäre sehr glücklich, diese Geschichte mit einem neuen, langjährigen Kapitel weiterschreiben zu dürfen“, sagt sie und ergänzt selbstbewusst: „Jetzt geht man eben zu Michaela.“

Gäste zwischen 20 und 80 Jahren
Verändern wollte die neue Pächterin nicht viel. „Ich habe nur den einen Raum ein bisschen umgestaltet, aber die Karte bleibt, wie sie ist, mit kleinen eigenen Akzenten“, sagt Kovacova. Ihr ist es wichtig, die Tradition zu bewahren und dafür zu sorgen, dass auch weiterhin Gäste zwischen 20 und 80 Jahren in der Weinstube Niederburg miteinander ins Gespräch kommen.
„Es ist was anderes, ob man sich in einem supermodernen Café trifft oder hier“, findet sie. „Beides hat seine Berechtigung, aber ich liebe den nostalgischen Märchencharme des alten Hauses.“ Die schicke Seite kennt sie aber auch: Seit ihrem 18. Lebensjahr arbeitet sie im Service. „Von einem bis fünf Sterne war alles dabei. Was Eigenes aufzubauen, ist aber am Schönsten.“

Junger Pächter auch im Weinglöckle
Gleich um die Ecke, im Weinglöckle, hat sich schon vor einem Jahr ein Generationenwechsel vollzogen. Der damals 33-jährige Patrick Schreibmüller übernahm das Lokal von Joachim Gretzmeier, der damals dem SÜDKURIER sagte: „Es ist das einzige meiner Lokalitäten, das ich nicht richtig zum Laufen gebracht habe.“
Schreibmüller, gelernter Erzieher, traute es sich trotzdem zu, das Lokal erfolgreich zu führen. „Es war mutig, direkt nach der Corona-Pandemie was zu eröffnen, aber ich war überzeugt davon, dass ich es schaffe. Zum einen wollten die Leute wieder was erleben und zum anderen bringe ich als junger Konstanzer neue Leute rein.“

Ein Jahr später blickt er auf ein „verrücktes und herausforderndes Jahr“ zurück. Der 34-Jährige, der zuvor 13 Jahre lang im Salzbüchsle gearbeitet hatte, erlebte alle Feste das erste Mal als Gastgeber – vom 11.11. über diverse Frühschoppen bis zur Fasnacht und den Gassenfreitagen. „Es ist super angelaufen, vielleicht auch deshalb, weil ich manche Dinge leicht verändert habe“, überlegt der Wirt.
Licht-Akzente, helle Regale, neue Polster und eine erweiterte Getränkekarte zählen dazu. Die dunklen Sitzgruppen durften bleiben. „Sie machen den Charme aus“, findet Schreibmüller. Auch ihm ist die Mischung aus Tradition und Moderne wichtig: „Ich habe bewusst keine Disko aus dem Weinglöckle gemacht.“

Aber er traute sich, den Trollinger von der Getränkekarte zu nehmen und dafür frisch gezapftes Bier und ein paar Mischgetränke zu ergänzen. „Anfangs waren die älteren Gäste gar nicht begeistert, da kam ich auch mal an meine Grenzen“, so der Wirt.
Jung und alt zusammenbringen
Mit einem guten Gespür für Menschen habe er es aber geschafft, Stammgäste zu halten und neue anzulocken. „Um 17 Uhr geht es meist los mit Rentnern, die früh zu Abend essen. Gegen 18.30 Uhr wird das Publikum jünger und alternativer und ab 20 Uhr ist es komplett gemischt. Dann entstehen die schönsten Bilder, wenn Kinder und Gäste mit Rollator zusammenkommen“, sagt Schreibmüller.
Stephan Düringer, einer der beiden Pächter der Spitalkellerei Konstanz, freut sich über den frischen Wind in beiden Weinstuben: „Ich finde es schön, dass junge Pächter nachkommen und die Weinlokale weiterleben. Davon gibt es in Konstanz ja leider nicht mehr allzu viele.“

Patrick Schreibmüller jedenfalls erfüllte sich – wie Michaela Kovacova – mit dem eigenen Lokal einen Traum. Dann sagt er schmunzelnd: „Irgendwann sind wir hier die Alten und sagen: Weißt du noch, damals…“