Das Wrack eines gesunkenen Schiffes zu entdecken und zu erkunden, hat für Forscher aber auch für Hobby-Taucher etwas Faszinierendes. Am Bodensee zählt das 1864 gesunkene Dampfschiff „Jura“ zu den Attraktionen, die immer wieder von Tauchern aufgesucht wurden. Vor 15 Jahren wurde die „Jura“ als Unterwasser-Denkmal unter Schutz gestellt, um sie vor weiterer Ausplünderung zu schützen.
Das jetzt bei den Falkland-Inseln im Südatlantik entdeckte Wrack des deutschen Panzerkreuzers „Scharnhorst“ ist dagegen vor Tauchtourismus durch die Tiefe geschützt, in der es eine britische Expedition aufgefunden hat. Es ruht in 1610 Metern, seit es vor 105 Jahren, am 8. Dezember 1914, von der Royal Navy versenkt wurde.

Von den 860 Mann Besatzung gingen die meisten mit ihrem Schiff unter. Seitdem ist das Flaggschiff des deutschen Ostasiengeschwaders – Stolz von Kaiser Wilhelm II. und seiner Flotte – Geschichte. Unter den Opfern war auch der Kommandeur des Verbands, Admiral Maximilian Graf von Spee (53). Seine beiden Söhne kamen auf zwei anderen Schiffen des Geschwaders ums Leben.

Dieser Geschichte sind die Briten im wahrsten Sinn auf den Grund gegangen. Für die Seefahrer-Nation wird des Ersten Weltkriegs noch heute als „The Great War“ gedacht, der die Bedeutung des Zweiten Weltkriegs allein wegen der hohen britischen Menschenverluste übersteigt. Daher verfolgte der Falkland Maritime Heritage Trust schon 2014, zum 100. Jahrestag des Beginns des Krieges, den Plan, nicht nur die „Scharnhorst“, sondern auch die weiteren fünf versenkten Schiffe des deutschen Flottenverbands zu finden. Darunter ist auch die „Gneisenau“, das Schwesterschiff der „Scharnhorst“.

Die Suche blieb zunächst erfolglos. Fünf Jahre später liefen die Briten nochmals aus und setzten modernste Technik ein. Sie erkundeten ein Suchfeld von 4500 Quadratkilometern Meeresboden mit vier autonom operierenden Unterwasserfahrzeugen (AUV), die von einem Suchschiff zu Wasser gelassen wurden.

Bereits nach drei Tagen stellte sich der Erfolg ein. Rund 180 Kilometer südöstlich von Port Stanley, des Hauptorts der Falklands, wurde die „Scharnhorst“ geortet.
Sonar und Echolot lieferten Bilder des Schiffsrumpfs, auf dem die Geschütztürme deutlich zu erkennen sind. Ein AUV stieg zum Meeresgrund hinab und machte mit Hilfe starker Lampen Fotos und Videos vom Wrack.
„Trümmerfeld des Krieges“
Expeditionsleiter Mensun Bound äußerte sich bewegt: „Der Moment der Entdeckung war außergewöhnlich. Wir jagen oft Schatten auf dem Meeresboden, aber als die Scharnhorst zum ersten Mal auftauchte, gab es keinen Zweifel daran, dass es sich um eines der deutschen Schiffe handelte. “ Der Unterwasserroboter dann ein „Trümmerfeld des Krieges“ erkundet. „Plötzlich tauchte sie aus der Dunkelheit auf, mit großen Kanonen, die in alle Richtungen zeigten“, sagte Bound.
Fundstelle wird geschützt
Donald Lamont, Vorsitzender des Heritage Trust, ordnet Suche und Fund in die Tradition des Gedenkes an Krieg, Gefallene und die Seeschlacht ein, an die auf den Falklands jedes Jahr am 8. Dezember gedacht wird. „Die Stelle des Schiffswracks kann nun geschützt werden“, sagte Lamont. Ein Film über die „Scharnhorst“-Suche wird im Historic Dockyard Museum in Port Stanley zu sehen sein, das jährlich von einigen tausend Touristen besucht wird.
Auch die Söhne des Admirals sterben
In der Seeschlacht bei den Falklands ließen rund 2200 deutsche Seeleute ihr Leben, während die technisch weit überlegenen Briten nur zehn Tote zu beklagen hatten.

Ein Nachfahre des Admirals und Oberhaupt der Familie, Wilhelm Graf Spee, ordnet den Fund des Flaggschiffs mit gemischten Gefühlen ein: „Als eine der vielen Familien, die von den schweren Verlusten am 8. Dezember 1914 in der Schlacht vor den Falklandinseln betroffen waren, ist die Entdeckung der SMS Scharnhorst für uns bittersüß“, sagte der heutige Graf. „Wir trösten uns mit dem Wissen, dass die letzte Ruhestätte von so vielen gefunden wurde und jetzt erhalten werden kann, während wir gleichzeitig an den unsagbaren Verlust von Menschenleben erinnert werden.“
Auch die Nachfolger gehen unter
Adolf Hitler ließ erneut eine „Scharnhorst“ und eine „Gneisenau“ bauen. Auch deren Ende war düster: Die „Gneisenau“ wurde gegen Kriegsende 1945 vor dem ostpreußischen Gotenhafen von deutschen Soldaten auf Grund gesetzt. Die zweite „Scharnhorst“ erlitt dagegen ein ähnliches Schicksal wie das Vorgängerschiff: Sie wurde Ende Dezember 1943 von der Royal Navy im Nordmeer versenkt. 1900 Seeleute gingen mit ihrem Schiff unter. Dieses Wrack wurde im Jahr 2000 entdeckt. In nur 300 Metern Tiefe.
Wie es zur Tragödie bei den Falklands kam
- Das Ostasiengeschwader: Vor dem Ersten Weltkrieg diente dieser kleine Flottenverband der Wahrung deutscher Interessen zwischen Afrika und den Kolonien in der Südsee. Er bestand aus den beiden großen Kreuzern „Scharnhorst“ und „Gneisenau“ sowie den drei kleinen Kreuzern „Emden“, „Leipzig“ und „Nürnberg“. Dazu kam später der Kreuzer „Dresden“. Stationiert war das Geschwader in der deutschen Kolonie Tsingtau an der chinesischen Küste. Das Kommando hatte Vizeadmiral Maximilian Graf von Spee (53).
- Nach Kriegsbeginn im August 1914: Zunächst entließ Graf Spee die „Emden“ zum Kreuzerkrieg im Indischen Ozean gegen den Handel der Alliierten. Den führte das Schiff bis bis November 1914 sehr erfolgreich und gelangte zu Berühmtheit. Das Schicksal der überlebenden Besatzung nach der Versenkung und ihre Heimkehr wurde zuletzt 2012 verfilmt (“Die Männer der Emden“).
- Über den ganzen Pazifik: Ziel von Spees war es, um Südamerika herum zu fahren und im Atlantik zu operieren. Auf dem Weg dahin traf das überlegene deutsche Geschwader am 1. November 1914 vor der Küste Chiles bei Coronel auf einen britischen Verband und versenkte die zwei größten Kreuzer. 1700 Briten starben. Diese schwere Niederlage war die erste der Royal Navy seit 100 Jahren.
- Der Überfall-Plan: Die entsetzten Briten schickten einen Flottenverband zu den Falkland-Inseln, um die Deutschen abzufangen, bevor sie auf dem Ozean kaum noch zu entdecken wären. Von Spee wiederum entwickelte den Plan, überfallartig in Port Stanley zu landen, die Telegrafenstation zu zerstören und den Briten die wichtigen Kohlen wegzunehmen. Als die Deutschen am 8. Dezember morgens herandampften, sichteten sie die an Bewaffnung überlegenen und schnelleren englischen Kreuzer, die aber Kohle bunkerten und nicht kampfbereit waren.
- Der fatale Fehler: Aber anstatt sofort das Feuer auf die Briten zu eröffnen, suchte von Spee sein Heil in der Flucht und ließ nach Osten abdrehen. Die Briten unter dem Kommando von Admiral Doveton Sturdee (55) verfolgten die Deutschen und konnten sie stellen. Außer dem Kreuzer „Dresden“, der dank seiner Turbine entkommen konnte, wurden alle deutschen Schiffe versenkt. Etwa 2200 deutsche Seeleute fanden dabei den Tod. (mic)