Georg Exner

Das Denkmal Kaserne, so formulierte es in einem Vortrag einmal der frühere Leiter des Radolfzeller Stadtarchivs, Achim Fenner, "bleibt ein Nachdenk-Ort über die acht Jahre von 1937 bis 1945 und die jüngere Geschichte". Zur jüngeren Geschichte gehören auch die 50er-Jahre, inzwischen auch gerne die "Goldenen 50er-Jahre" genannt. Auch über sie lohnt es sich nachzudenken, denn sie waren eine Zeit des allgemeinen Aufbruchs und einer nach dem fürchterlichen Krieg wiedergewonnenen Lebensfreude.

Als die die französischen Soldaten 1945 in Radolfzell einzogen, wollten sie mit der Kaserne zunächst nichts zu tun haben, weil sie dort Sprengfallen der zuvor abgezogenen SS befürchteten. Später quartierten sie sich doch ein und zogen erst 1977 wieder ab. Das ehemalige Offiziersheim – zur NS-Zeit "Führerheim" genannt – am Kasernenweg war in den letzten Kriegstagen total zusammengeschossen worden und eine Ruine. Im SÜDKURIER vom 18. November 1950 hieß es unter dem Titel "Eine Ruine verschwindet", dass das ehemalige Kasino, "das seit 1945 als Ruine in die Landschaft hineinragt", bis auf die Grundmauern abgetragen sei. Unter Wiederbenützung der Trümmersteine werde es nun als französisches "Casino" neu erstellt. Das geschah dann bis zum 18. Juli 1951, als man das Richtfest feierte.

Was früher Kaserne war, ist heute Heimat für moderne und zukünftige Hochtechnologie: ein Blick auf den Eingangsbereich des heutigen ...

Was früher Kaserne war, ist heute Heimat für moderne und zukünftige Hochtechnologie: ein Blick auf den Eingangsbereich des heutigen Radolfzeller Innovationszentrums (RIZ).

| Bild: Torsten Lucht

Immerhin hatten sich Anfang der 50er-Jahre das Verhältnis zwischen Siegern und Besiegten in Radolfzell schon wieder so normalisiert, dass der damalige Bürgermeister der Stadt vom Kommandanten der französischen Garnison zum Richtfest eingeladen wurde, das zunächst auf der Baustelle und dann in einem Radolfzeller Lokal gefeiert wurde. Hierbei wurden sozusagen erste zarte Bande zwischen Siegern und Besiegten geknüpft.

Französische Einheiten und Kommandanten kamen und gingen. Die französischen Soldaten wurden allmählich in den 50er-Jahren zu oft und gern gesehenen Personen im Städtle. Und auch umgekehrt trat nach einem Jahrzehnt kühler Distanz zwischenmenschliche Normalität ein. 1956 wurde die deutsche Bevölkerung erstmals eingeladen, in der Kaserne mit den Soldaten gemeinsam den französischen Nationalfeiertag zu begehen, und an der sogenannten Kirmes stürmten die Radolfzeller nachgerade die Hallen der Kaserne.

Freundschaften bildeten sich und so kam es wenig später auch zur Gründung der Deutsch-Französischen Gesellschaft. Heute bestehen zwischen den beiden ehemaligen Erzfeinden vielfältige Fruendschaften, auch Radolfzell hat in Istres seine französische Partnerstadt gefunden.

Wechselvolle und blutige Geschichte einer Kaserne

Die Idee, in Radolfzell eine Kaserne zu bauen, hatte 1934 der damalige Bürgermeister Eugen Speer. Dies ist einer Zusammenstellung des Stadtarchivs über die wichtigsten Daten der Kaserne zu entnehmen. Die Kaserne sollte an die SS vermietet werden. Im September 1936 wurde das Richtfest für die neue "Wehr- und Lehrstätte deutschen Mannestums" gefeiert, 1937 rückte die erste SS-Einheit ein.

Von 1938 bis 1939 nahm die Radolfzeller SS-Einheit an den Einmärschen in Österreich sowie ins Sudetenland teil. Zuvor hatten die SS-Männer nicht nur die Synagoge in Konstanz gesprengt und jüdisch Einrichtunge auf der Höri geschändet, sondern auch jüdische Mitbürger misshandelt. 1940 beteiligte sich eine Radolfzeller SS-Einheit an der Deportation badischer Juden nach Gurs. Bei Arbeiten für einen Schießstand und im Kasernenbereich während des Krieges wurden KZ-Häftlinge aus Dachau eingesetzt.

Der Krieg neigte sich dem Ende zu, und in Radolfzell und Umgebung errichtete die SS ein Schreckensregiment. Mehrere Erschießungen wegen Fahnenflucht sind belegt, und in den letzten Kriegstagen terrorisierten SS'ler die ganze Umgebung. In Stockach kam eszu einem Massaker, dem 20 Kriegsgefangene beziehungsweise Zwangsarbeiter zum Opfer fielen.

Im April 1945 marschierten die französischen Truppen ein. Die Franzosen blieben bis 1977. In der Folgezeit wurden die Kasernengebäude von Musikgruppen, Bastlern, Vereinen und Kleinunternehmern genutzt, 1986 waren Asylbewerber untergebracht. In den Jahren 1989 bis 1994 kaufte die Stadt das Gelände für 27 Millionen DM zurück. Eine zeitlang tat sich auf dem Gelände wenig, aber am 25. November 1998 stellte der SÜDKURIER fest: "Das Kasernenareal hat sich von einem heruntergekommenen Gelände" zu einem "Gewerbegebiet entwickelt, das in mancherlei Hinsicht schon Modellcharakter hat". Das Radolfzeller Innovations- und Technologiezentrum (RIZ) war geboren. 2003 war es fertig.