Das wünscht man sich auch von heutigen Politikern: Dass Sie genug Scharfsinn und Geist mitbringen, um der Nachwelt bedeutende Worte zu hinterlassen, die dann in den allgemeinen Zitatenschatz eingehen. Während man solche Vermächtnisse bei heutigen Politikern kaum findet, hinterließ Willy Brandt (1913-1992), der erste SPD-Kanzler der Nachkriegszeit, einen Fundus von tiefgründigen Sätzen und Bonmots.
Durch Arbeit zum Genuss
Die Webseite www.zitate.eu listet allein 90 (Lehr)Sätze des großen SPD-Vormanns auf, zum Beispiel: „Arbeit ist der Umweg zu allen Genüssen.“ Oder: „Demokratie darf nicht so weit gehen, dass in der Familie darüber abgestimmt wird, wer der Vater ist.“
Brandt vermittelte diese Betrachtungen und Erkenntnisse nicht nur in Reden, sondern auch frei sprechend, etwa, wenn er von Journalisten zu einem Thema befragt wurde. Ein kurzes Gespräch dieser Art ging schließlich in die Zeitgeschichte ein, weil es zur Quelle eines Gerüchts wurde, das sich hartnäckig behauptet. Es handelt vom Grabstein Willy Brandts, der am 8. Oktober in Unkel am Rhein in seinem Haus einem Krebsleiden erlag.

Die vier Worte „Man hat sich bemüht“ stünden auf dem Grabstein Brandts auf dem Waldfriedhof in Berlin-Zehlendorf. Das wird seit seinem Tod immer wieder kolportiert. Diejenigen, die das behaupten, könnten sich durch einen Besuch der Grabstätte davon überzeugen, dass an dem Gerücht nichts dran ist. Den schlichten grauen Stein ziert nur der Name „Willy Brandt„.

Wie ist es zu dem Gerücht gekommen? Bernd Rother, der stellvertretende Geschäftsführer der Bundeskanzler-Willy-Brandt- Stiftung in Berlin, hat zwei Erklärungen. Die eine ist ein Interview Brandts mit der Zeitung „Bild am Sonntag„ am 1. Oktober 1989. Darin fragt der Journalist Helmut Böger den Ex-Kanzler und früheren SPD-Chef: „Darf man diesen vitalen 75-Jährigen fragen: Was soll dereinst auf Ihrem Grabstein stehen?“ Brandt: „Ein bisschen makaber die Frage, nicht?“ Dann antwortet er: „Es würde reichen, wenn auf meinem Grabstein steht: Man hat sich bemüht.“
Staatsbegräbnis in Berlin
Damit war der Satz in der Welt. Aber die Worte des persönlichen Zurücknehmens und nachdenklichen Relativierens der eigenen politischen Leistung entwickelten ein Eigenleben. Bernd Rother erinnert sich an die ARD-Tagesschau vom 17. Oktober 1992. Dort wurde über den Staatsakt für den am 8. Oktober verstorbenen Brandt berichtet. Es hieß, für den Grabstein habe sich Brandt die Inschrift „Man hat sich bemüht“, gewünscht.

Journalisten gingen der Sache auf den Grund, und Rother weiß heute dazu: Das in Abwicklung befindliche Büro Brandts habe Ende Oktober 1992 auf entsprechende Nachfragen mitgeteilt, dass es keine Verfügung Brandts gebe, den zitierten Spruch tatsächlich auf den Grabstein zu setzen.
Vom Gerücht zum Vermächtnis
Brandts Satz ist aber nicht nur als Gerücht zu einem Vermächtnis geworden, sondern hat inzwischen von anderen klugen Köpfen die höheren Weihen geistiger Wertschätzung erhalten. Und das kam so: Der damalige Noch-Bundespräsident Joachim Gauck antwortete auf die Frage nach einem Motto zum Ende seiner Amtszeit im Frühjahr 2017: „Ich würde mir gerne bei Willy Brandt etwas abgucken: Man hat sich bemüht.“