Zwei Mühlen gab es in Ahausen und sie waren die ältesten Handwerksbetriebe im Dorf: die Obere Mühle am Ortseingang von Bermatingen her kommend, und die Untere Mühle am Ortsausgang Richtung Meersburg. Seit sechs Generationen sind sie im Besitz der Familien Schellinger. Wer ein Mühlrad rauschen hört, verbindet das sofort mit Romantik.
Doch weit gefehlt: Hinter der Geschichte des malerischen Geräts und der Gesamtanlage steckt knochenharte Arbeit. Das weiß Sofie Schellinger noch aus eigener Erfahrung: Mitte der 50er hatte sie in die Familie eingeheiratet und war mittendrin im Geschehen. Die mittlerweile 87-Jährige ist selbst ein Gedächtnis der Region und hat sich trotz der vielen und harten Arbeit um die Heimat- und Familiengeschichte gekümmert, Fotos, Zeitungsartikel und Radiomitschnitte archiviert. Ihr Mann Heinrich Schellinger war Müller, zusammen mit Josef Geißelhardt. Dessen Sohn Karl wurde später auch Müller, aber nur auf dem Papier: Ihn hatte es schon während der Ausbildung zum Holz ins Sägewerk gezogen, wo er heute noch stundenweise aushilft.

Sofie Schellinger erinnert sich
„Es gab eine Stange, an der die Bauern ihre Pferde und Kühe anbinden konnten, mit denen sie ihr Getreide hergebracht haben“, erinnert sich Sofie Schellinger. Die Leute kamen mit ein/zwei Säcken Weizen, manchmal auch mit ein wenig Roggen, oder brachten noch die Ernte der Nachbarn mit und tauschten die Körner um in Mehl. Sie bekamen etwa 60 Prozent Brotmehl, 20 bis 25 Prozent Weißmehl und der Rest war Kleie. „Fürs Mahlen mussten sie einen gewissen Betrag bezahlen, den Mahl-Lohn“, erzählt Sofie Schellinger und berichtet über die Arbeitsweise des Müllers, in die sie zuweilen auch eingebunden war: „Man musste in den Sack langen. Wenn die Körner gerauscht haben, waren sie trocken, wenn er liegenblieb, war er noch feucht.“ Um die Restfeuchte aus dem Korn zu holen, wurde es auf einer etwa 100 Quadratmeter großen Fläche in der Mühle ausgebreitet und ab und zu gewendet. Später gab es Instrumente, um den Feuchtigkeitsgehalt festzustellen; eher feuchtes wurde dann Tierfutter und auch das, das eventuell einmal vom Kornkäfer befallen war. „Aber das gab es selten“, so die 87-Jährige.
Sie beschäftigten zwei Mitarbeiter in der Landwirtschaft, drei auf dem Sägewerk und den Müller. „Wir haben immer voll verköstigt“, sagt Sofie Schellinger. Es gab fünf Mahlzeiten am Tag und die Mitarbeiter sowie Ehemann, Schwiegermutter und später dann die drei Kinder waren zu bekochen. Ein Dutzend Leute saßen und aßen. „Für die Frauen war es damals sehr streng. Heute hat man's auch streng, aber auf eine andere Art. Die Bürokratie ist viel umfangreicher geworden.“
Anfangs schlaflos wegen des Rauschens
An das Rauschen und das Plätschern des Wassers vom Mühlrad hatte sie sich erst gewöhnen müssen und konnte anfangs einige Nächte nicht schlafen. Nach vielen Jahren Gewohnheit war es nach der Stilllegung dann umgekehrt. 1964 wurde der Betrieb in der Mühle eingestellt. Stattdessen verlagerte die Familie Schellinger, die auch noch Landwirtschaft betrieben hatte, ihren Arbeitsschwerpunkt auf das Sägewerk. Sie gab die Viehwirtschaft auf; Ackerbau wird noch betrieben.


Der Müller ist in Rente gegangen und auch die Mühle an sich war reparaturbedürftig: Die Seiden-Bespannung des Plansichters, der Stoff, mit dem das Mehl durchgesiebt worden war, war kaputt, das Mühlrad hatte einen Bruch, es gab kein Wasser und auch keine Handwerker, die kleine Mühlen reparieren konnten. Später hat Heinrich Schellinger noch kurze Zeit mit Mehl gehandelt.
Sägewerk
Auch im Sägewerk gab es einen Wandel: Von der Verarbeitung überwiegend heimischer Hölzer – in den 60ern wurde sehr viel Bauholz benötigt -, und der Form als Lohnsägewerk hat sich die Familie Schellinger mittlerweile verabschiedet und sich auf hochwertige Möbelhölzer spezialisiert. Die Laubhölzer werden für den internationalen Bedarf zurechtgeschnitten und bis nach Asien geliefert. Der Betrieb in der Provinz mischt im weltweiten Geschäft mit. Mittlerweile arbeitet dort die sechste Generation.
Was passierte mit dem Mühlbach?
Der Mühlbach rauscht schon seit Jahrzehnten nicht mehr kräftig durch den Ort. Ihm wurde im Rahmen der Gewässerregulierung in den Wasser entzogen. „Das Rinnsal reichte damals nicht mehr aus, um mit dem Mühlrad umweltfreundliche Energie zu gewinnen“, so Leo Schellinger, Vertreter der fünften Generation. Zudem hatte man es damals wider besseren Wissens vorgezogen, den bequemen Weg zu gehen und Strom zu verwenden. Im Ortskern, ab Kirche bis zum Landmarkt Fridolin, verläuft der Mühbach unterirdisch, dann ist er wieder auf. Aktuell will die Gemeinde ihn wieder mehr in Erscheinung treten lassen und nach etlichen Trockenperioden mit mehr Wasser beleben. Aber der Bach hat ohnehin seine Bedeutung für den Mühlenbetrieb verloren, denn dieser wurde 1963 eingestellt. Der Antrieb, den auch die Sägerei nutzte, wurde durch einen elektrischen ersetzt.
Der Ort im Zeichen des Wassers
Die Untere Mühle war eine Bannmühle und gehörte dem Kloster des freiweltlichen Damenstifts Lindau. Sie wurde in der „Geschichte der Pfarrei Bermatingen“ schon in einem Erlass der Äbtissin 1356 erwähnt. Alle „Leibeigenen und Hörigen“ mussten hier ihr Korn mahlen, das Holz sägen und den Hanf reiben lassen. Das Sägewerk der Unteren Mühle brannte 1955 nieder und wurde nach dem Feuer größer und moderner aufgebaut.
Mühlenbetrieb: Ahausen bot sich für den Mühlenbetrieb an, denn es stand ganz im Zeichen des Wassers. Das Dorf war von der Aach umschlossen, aus der sich auch der Mühlbach nährte, der mitten durchs Dorf floss. Nach dem die Betriebe speisenden Gewässer wurde der Bach Mühlbach benannt. In ihm schwammen Fische, wuschen die Frauen die Wäsche und vergnügten sich die Kinder an heißen Sommertagen. Bei dem, heute noch existierenden Mühlrädern handelt es sich um ein mittelschächtiges. Das bedeutet, dass die Wasserzufuhr auf halber Höhe durch einen Kanal erfolgte. Es brachte eine Leistung von 20 PS.
Die zwei Mühlräder fürs Sägewerk und die Mehlmühle existieren noch. Eines wurde 1998 restauriert, kann noch elektrisch zum Laufen gebracht werden und klappern. (keu)