Bermatingen – Aktueller hätte das Thema nicht sein können. Der Gemeinderat vergab Planungsleistungen für das Starkregenrisikomanagement (SRRM) für Bermatingen. Schon im vergangenen Jahr wurde dessen Einführung beschlossen. Hierfür gibt es 70 Prozent Förderung vom Land Baden-Württemberg für das Gesamtkonzept, sodass die Verwaltung Mittel für den Haushalt 2024 eingestellt hatte.
„Wir haben lange gewartet, bis die Förderung da war“, sagte Bürgermeister Martin Rupp, bevor Ortsbaumeister Antonino Lamanna das „komplizierte, langwierige Verfahren“ erläuterte und damit einen Einblick in die oft zeitraubende Arbeit der Verwaltung gab: Für den Förderantrag beim Regierungspräsidium Tübingen musste ein Musterpreisblatt erstellt, eine beschränkte Ausschreibung durchgeführt und mit dem potenziellen Fachplaner gesprochen werden, um vorab eventuelle Angebotsanpassungen zu besprechen. Erst danach war eine Antragstellung möglich. Deshalb erfolgte die Erstellung des Musterpreisblatts in Kooperation mit dem Landratsamt bereits 2023. Von den im Dezember 2023 in der näheren Umgebung angeschriebenen Ingenieurbüros kamen zwei Absagen, weil sie keine Kapazitäten hatten, zwei hatten sich gar nicht erst zurückgemeldet, einer musste vom Verfahren ausgeschlossen werden.
Verfahren beinhaltet drei Phasen
So blieben letztlich zwei verwertbare Angebote. Der eine hätte die Planung für 99.000 Euro gemacht, das Büro „Fassnacht Ingenieure“ letztendlich für rund 78.000 Euro, weshalb es als wirtschaftlichster Anbieter den Zuschlag erhielt. Beim vorausgegangenen Startgespräch war deutlich geworden, dass noch Angebotsanpassungen notwendig waren, was üblich sei. Das aktualisierte Angebot war Grundlage zum Förderantrag, der nun im Juni positiv beschieden wurde. Die Höhe der Förderung beträgt 54.900 Euro. Die Maßnahme ist im Haushaltsplan 2024 mit 50.000 Euro veranschlagt. Der Gemeinderat stimmte der Beauftragung des Ingenieurbüros Fassnacht einstimmig zu.
Lamanna erläuterte das drei Phasen umfassende Verfahren des Starkregenrisikomanagements. Zunächst wird eine Risikogefahrenkarte erstellt. Dort werden die Abflusswege über eine 2-D-Simulation errechnet. Daraus ergeben sich Fließtiefe und Fließgeschwindigkeit. Mit diesen Daten wird eine Risikoanalyse erstellt. Sie konzentriert sich auf Gebäude von öffentlichem Interesse. Gemeinsam mit dem Planungsbüro wird diese beurteilt. Zum Schluss wird das Planungsbüro ein Maßnahmenkonzept erstellen, das veröffentlicht wird. Das ist nicht nur für die Gemeinde interessant, die sich um Gebäude wie Schulen, Kindergarten, Bahnhof, Kirchen und Arztpraxen kümmern müssen, sondern auch für die Bermatinger. „Man schaut in einer Simulation für den gesamten Ort, wo die Abflüsse sind, wo das Wasser hinläuft, zum Beispiel, wenn es vom Berg runterschießt. Daraus ergeben sich auch interessante Einblicke für die privaten Wohnhäuser.“ Die Bürger können die Karte im Internet anschauen und erfahren, ob sie betroffen sind und überlegen, wie sie sich selbst wappnen können, denn Starkregenereignisse nehmen immer mehr zu, erläuterten Lamanna und Rupp.
„Werden die Starkregeneinflüsse von anno dazumal mit berücksichtigt?“, erkundigte sich Herbert Grau (SPD) und verwies auf die Ereignisse in den 50ern und die aktuellen vor wenigen Wochen. Da sich seitdem baulich viel verändert habe, etwa Straßenführung und Bordsteine, könne man von früher nicht unbedingt Rückschlüsse ziehen, aber es hänge natürlich alles miteinander zusammen, so Rupp. Lamanna verwies darauf, dass die Fließgewässer nicht mitberücksichtigt würden, da es Hochwassergefahrenkarten bereits gebe. Die Starkregengefahrenkarte sei eine Ergänzung, die ausschließlich die Niederschlagswerte berücksichtige, um neuralgische Punkte ausfindig zu machen.