Bermatingen – Für Verwirrung sorgen diese Zahlen: Die Zimmergilde der Bärenzunft stellt den 100. Narrenbaum und ist selbst erst 55 Jahre alt? Die Lösung ist einfach: Schon vor Gründung der Gruppe 1970 holten Narren einen Baum in Wiggenweiler und stellten ihn am Rathaus. Allerdings unter erschwerten Bedingungen: Der Platz um den Sitz der weltlichen Regierung war damals nicht gepflastert. Jedes Jahr musste ein tiefes Loch gebuddelt werden, um den Narrenbaum standsicher zu versenken.

Erst seit Fertigstellung der Ortsmitte gibt es fest angelegtes Loch und die Zimmergilde muss das Wahrzeichen der Narren, das deren vorübergehende Macht direkt vor dem Fenster des Bürgermeisters markiert, nur noch dort hineinbugsieren. Das ist Zentimeterarbeit und anstrengend. Jeder Handgriff muss sitzen, es erfordert klare Kommandos und Teamarbeit. Otto Hafen, Chef der Zimmergilde – er feierte am 5. Februar seinen 95. Geburtstag, hatte die Idee zur Gründung der Zimmergilde. Nach dessen Amtsaufgabe wurde sein Sohn Hubert 1993 als Nachfolger gewählt.

Brauchtum verkörpert die Kleidung. Das Zunfthäs wurde auf Vorschlag des Bermatinger Künstlers Erich Kaiser um eine grüne Jacke für die Umzüge erweitert. Tradition auch bei den Gewohnheiten: Jedes Jahr fährt die Zimmergilde am 11.11. nach Wiggenweiler und pflanzt dort, nach dem Genuss einer von den Hofgutbesitzern spendierten Stärkung, voller Tatendrang einen kleinen Narrenbaum. Dabei werden, angepasst an den Klimawandel, nun wärmeresistentere Bäume gepflanzt.

Der große Tag der Zimmergilde ist der Schmotzige Dunschtig. Treff ist um 9 Uhr auf dem Hof von Wolfgang Schellinger in der Jägerstraße. Mit Traktor und Wagen steuert die Zimmergilde das Kloster Weppach an, wo Familie Mayer ihnen ein Vesper serviert. Im Wiggenweiler Wald wird der Narrenbaum ausgesucht, mit der Handsäge gefällt und gereppelt. „Eine Tradition, die dankenswerterweise jahrzehntelang von Diana und Patrick Merkel, zuvor schon von Dianas Großvater, später von Laurenz Schmidt und inzwischen von den neuen Hofbetreibern mitgetragen wurde und wird“, freut sich Hubert Hafen. Zurück im Dorf gibt es einen Halt an der Weinstube Stecher, wo vor der Runde durchs Dorf der Baum geparkt wird. Fuhr man früher am „Theos“ durch die Siedlung, am Kraus (Landgasthaus Zollerstuben), dem ehemaligen Sportlerheim und der ehemaligen Gärtnerei vorbei, tuckert man heute einmal um die Ecke mit Halt bei Bernd Endres.

Vor dem Rathausplatz werden die Kinder einbezogen, die mit Hilfe der Zimmermänner den Stamm zum Narrenbaumloch ziehen. Während der Musikverein spielt, hievt die Zimmergilde mit den über Kreuz zusammengebundenen Stangen, den Schwalben, das Fasnetssymbol Stück für Stück hoch, sodass das Wahrzeichen das Rathaus überragt und die neue Herrschaft signalisiert. Am Dienstag wird er gefällt und verlost. Lose verkauft der Narrenverein beim Bär in der Bütt. Der grob zerlegte Baum wird dem Gewinner vors Haus gefahren.

Übrigens sind unter den 40 Zimmermännern nur vier „echte“. Und die einzige Frau mit Verbindung zum Holz ist Andrea „Egon“ Kunemann, die anderen weiblichen Mitglieder sind Töchter der Zimmergilde-Mitglieder. Wie sind die Aufnahmekriterien? „Die Chemie muss einfach stimmen und sie sollten gesellig sein“, so Hubert Hafen. Und gewillt sein, bei den Umzügen mitzulaufen. Hier werden überdimensionierte Bleistifte und Sägen mitgenommen. Das Besondere an der Zimmergilde? „Das Zusammensein, der Teamspirit, dass alle mithelfen.“

Er freut sich nicht nur übers diesjährige Motto: „55 Jahre Zimmergilde stellt den 100. Narrenbaum“, sondern auch auf den Fasnetsonntag: Die Zimmergilden aus Sipplingen, Oberuhldingen, Daisendorf und Frickingen laufen beim Umzug mit und treten anschließend im Dorfgemeinschaftshaus zur Olympiade an: Viel Spaß garantieren „Hau den Lukas“, das Baumsägen, das Nagelspiel und Klötzle stapeln.